Konzentration trotz Schlafmangel? – Was Kreatin im Gehirn bewirken kann

Kreatin kann nicht nur Muskeln stärken, sondern bei Schlafmangel auch die Gehirnleistung verbessern – aber nur unter spezifischen Bedingungen.

Fit trotz Schlafmangel? Kreatin steigert die Gehirnleistung

Wenn der Schlaf fehlt, leidet das Denkvermögen. Eine hohe Kreatindosis kann das Gehirn unter Extrembelastung kurzfristig leistungsfähiger machen. © Pexels

Wenn die Nacht lang und der Schlaf kurz war, leidet oft zuerst das Denkvermögen. Die Konzentration bricht ein, die Reaktionszeit steigt, und selbst einfache Aufgaben erfordern plötzlich enorme Anstrengung. Genau hier setzt eine neue Studie des Forschungszentrums Jülich an: Kann Kreatin, bekannt aus dem Sport, auch dem übermüdeten Gehirn auf die Sprünge helfen?

Das Team testete eine hochdosierte Kreatin-Einzeldosis an 15 gesunden Erwachsenen. Die Teilnehmer, im Schnitt 23 Jahre alt, blieben eine Nacht wach – insgesamt 21 Stunden. Vor und nach der Einnahme mussten sie kognitive Tests absolvieren, unter anderem zum Kurzzeitgedächtnis, zur Reaktionsgeschwindigkeit und zur Aufmerksamkeit.

Kreatin verbessert geistige Leistung schon nach drei Stunden

Die Ergebnisse waren deutlich: Bereits drei Stunden nach Einnahme verbesserte sich die Reaktionsgeschwindigkeit. Der Effekt erreichte nach viereinhalb Stunden seinen Höhepunkt – und hielt bis zu neun Stunden an. Studienleiter Dr. Ali Gordjinejad erklärt:

Unsere Ergebnisse zeigen, dass Kreatin Veränderungen in der Energieversorgung des Gehirns bewirkt und die Denkleistung steigert.

Kreatin stabilisierte auch den pH-Wert im Gehirn, der bei Schlafentzug normalerweise absinkt. Gleichzeitig veränderten sich verschiedene Energiespeicherstoffe wie ATP oder PCr messbar. Eine schnelle Unterstützung also – allerdings nur unter bestimmten Bedingungen.

Der Schlafentzug macht das Gehirn empfänglicher

Im Normalzustand schützt sich das Gehirn vor zu viel Kreatinaufnahme. Es produziert den Stoff selbst, nur ein kleiner Teil von außen gelangt ins Gehirn. Erst durch den stressbedingten Zustand bei Schlafentzug öffnet sich diese „Schranke“. Dann lässt sich der Effekt überhaupt messen. „Diese Ergebnisse deuten darauf hin, dass eine hohe Einzeldosis Kreatin metabolische Veränderungen und durch Müdigkeit bedingte kognitive Verschlechterungen teilweise umkehren kann“, so die Forscher.

Zur Messung nutzte das Team bildgebende Verfahren wie die 31P- und 1H-Magnetresonanzspektroskopie. Zudem kamen standardisierte Testverfahren zum Einsatz – etwa ein Wortgedächtnistest, der Digit Span Test und der Psychomotor Vigilance Test.

Nur hohe Dosen helfen – und bergen Risiken

Die eingesetzte Menge war kein harmloser Löffel aus dem Fitnessstudio: 0,35 Gramm pro Kilogramm Körpergewicht. Eine 70-Kilo-Person hätte also knapp 25 Gramm reines Kreatin eingenommen – deutlich mehr als handelsübliche Nahrungsergänzungsmittel. Gordjinejad warnt:

Bis auf Weiteres ist von der Einnahme solch hoher Dosen im privaten Umfeld abzuraten.

Denn: Die Wasserlöslichkeit von Kreatin ist schlecht. Es gelangt nur verzögert ins Blut, diffundiert nicht einfach durch Zellmembranen, und seine Bioverfügbarkeit gilt als gering. Die Belastung für die Nieren könnte bei wiederholter Anwendung erheblich sein.

Kurzfristiger Booster – aber nichts für den Alltag

„Kreatin ist ein geeigneter Kandidat, um die negativen Auswirkungen von Schlafentzug zu verringern“, so das Fazit der Studienautoren. Doch die Wirkung entfaltet sich nur unter sehr speziellen Bedingungen – und mit Vorsicht. Wer regelmäßig übermüdet ist, braucht keinen Booster, sondern besseren Schlaf.

In akuten Situationen, etwa vor einer Nachtschicht oder einem nächtlichen Einsatz, könnte Kreatin zwar helfen, die Denkleistung zu stabilisieren, als dauerhafte Lösung ist die Substanz aber nicht geeignet. Zum einen fehlen Langzeitstudien mit unterschiedlichen Dosierungen, zum anderen bleibt die Aufnahme im Gehirn begrenzt.

Langfristig zeigt Kreatin weiteres Potenzial

Trotz dieser Einschränkungen sehen Fachleute in Kreatin mehr als nur ein Mittel gegen müde Muskeln. Frühere Studien zeigten bereits, dass eine langfristige Einnahme – mindestens über eine Woche – die Speicherstoffe im Gehirn verbessern kann. Bei älteren Menschen oder Vegetariern mit geringer natürlicher Zufuhr könnten diese Effekte deutlicher ausfallen.

Kurz zusammengefasst:

  • Eine hohe Einzeldosis Kreatin kann bei akutem Schlafmangel vorübergehend die geistige Leistungsfähigkeit verbessern.
  • Die Wirkung tritt nach etwa drei Stunden ein, erreicht nach viereinhalb Stunden ihren Höhepunkt und hält bis zu neun Stunden an.
  • Kreatin wirkt nur unter speziellen Bedingungen im Gehirn und ist in hoher Dosierung nicht für den regelmäßigen Gebrauch geeignet.

Übrigens: Kreatin muss künftig vielleicht nicht mehr aus tierischen Quellen stammen – Forscher züchten bereits Pflanzen, die den Stoff selbst herstellen. Mehr dazu in unserem Artikel.

Bild: © Pexels

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