Weniger Weizen, weniger Protein: Qualität und Erträge sinken – Was bedeutet das für unser Brot?
Die Ernte brachte weniger Weizen mit niedrigerem Proteingehalt. Klimatische Bedingungen und Düngung beeinflussen die Qualität und Nutzung des Weizens entscheidend.
In diesem Jahr gab es nicht nur weniger Weizen, sondern die Körner enthielten auch weniger Protein, berichtet der Agrarbiologe Friedrich Longin im Gespräch mit der FAZ. Diese Entwicklung ist laut dem Experten auf verschiedene Faktoren zurückzuführen. Bereits im Herbst 2023 war die Aussaat aufgrund von zu viel Regen in vielen Teilen Deutschlands stark beeinträchtigt. Der Regen setzte sich im Mai und Juni fort, was sowohl das Pflanzenwachstum als auch die Ernteerträge stark beeinflusste. „Die klimatischen Bedingungen waren dieses Jahr besonders ungünstig“, erklärt Longin.
Klimawandel und Düngung: Die Ursachen für den Proteinmangel im Weizen
Ein zentraler Punkt in der Diskussion über die Weizenernte ist die Düngung. Longin erläutert, dass Landwirte heutzutage deutlich weniger düngen als früher. Dies liege auch daran, dass zu viel Stickstoffdüngung negative Folgen für die Umwelt habe. Zwar kann durch gezielte Düngung der Ertrag gesteigert werden, doch es ist laut Longin nach wie vor ein Streitpunkt, ob schon zu wenig oder noch zu viel gedüngt werde. Besonders problematisch ist, dass der Proteingehalt des Weizens im direkten Zusammenhang mit der Düngemenge steht:
Landwirte bekommen mehr Geld, wenn der Weizen mehr Protein enthält.
Friedrich Longin
Preis und Proteingehalt: Wie sich der Markt für Weizen verändert
Der Proteingehalt ist deshalb ein entscheidender Faktor für den Preis des Weizens, da er die Backfähigkeit beeinflusst. Je höher der Proteingehalt, desto besser sei der Weizen für hochwertige Backwaren wie Croissants oder Toastbrot geeignet, so der Agrarbiologe. Allerdings betont Longin, dass nicht allein die Proteinmenge ausschlaggebend sei, sondern auch die Zusammensetzung des Proteins. „Die Proteinzusammensetzung ist entscheidend für die Backeigenschaften, doch bisher gibt es keinen Schnelltest, um das effizient zu messen“, sagt Longin. Hier sei die Forschung weiterhin aktiv.
Herausforderung für Bäcker: Warum Weizen nicht gleich Weizen ist
Eine mögliche Lösung, um die Qualität des Weizens zu verbessern, sieht Longin in einer besseren Trennung der Weizensorten. Derzeit werde oft gemischt angeliefert, was die Qualität mindere. Um besonders proteinreichen Weizen separat zu verarbeiten, müssten sowohl Getreidehändler als auch Bäcker umdenken. Für gewöhnliches Brot ist dies weniger problematisch, da fast jeder Weizen dafür geeignet ist. Doch für spezielle Backwaren wie Croissants werde eine hohe Proteinqualität benötigt. Der Bedarf an hochwertigem Weizen ist laut Longin in den letzten Jahren gestiegen, und dies stellt die Branche vor neue Herausforderungen.
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Der Proteingehalt im Weizen hat auch Einfluss auf die Stabilität des Teiges, was besonders bei industriell hergestellten Backwaren wichtig ist. „Für tiefgekühlte oder maschinell verarbeitete Teige muss die Proteinstabilität stimmen“, erklärt Longin. Dies erfordert jedoch eine ausreichende Düngung. Landwirte könnten nicht einfach weniger düngen, ohne die Qualität des Weizens zu gefährden, erklärt der Experte. Besonders in Regionen, die als „rote Bereiche“ aufgrund hoher Nitratwerte im Grundwasser gelten, müsse die Düngung reduziert werden. Dies könnte dazu führen, dass dort Weizen nicht mehr in der benötigten Qualität angebaut wird.
Longin erklärt, dass die Qualität des Weizens auch stark von der Region abhängt. In klimatisch günstigeren Regionen wie Thüringen oder Bayern werde tendenziell Weizen mit einem höheren Proteingehalt produziert. Regionen mit hohem Ertrag, wie Schleswig-Holstein, liefern hingegen meist Weizen mit weniger Protein. Es sei jedoch riskant, ausschließlich auf die Topqualitäten zu setzen, da klimatische Bedingungen, wie das Wetter, den Erfolg gefährden könnten.
Weniger Verschwendung, mehr Effizienz: Neue Ansätze für nachhaltigen Weizenanbau
Ein weiterer Aspekt, den Longin anspricht, ist die Nachhaltigkeit im Weizenanbau. Hier ist nicht nur die Düngung ein Thema, sondern auch der Umgang mit den produzierten Weizenkörnern. Ein erheblicher Teil des Weizens wird für Viehfutter oder die Produktion von Ethanol genutzt. Nur ein knappes Drittel der deutschen Weizenernte kommt zur Herstellung von Brot zum Einsatz. „Es ist nicht nachhaltig, wenn wir die Kleie, die über 15 Prozent des Weizenkorns ausmacht, wegwerfen, nur weil wir Weißmehl bevorzugen“, kritisiert Longin. Auch die Verschwendung von Backwaren sei ein Problem, da ein Großteil der Produkte im Müll lande.
Wie neue Weizensorten den Klimawandel überstehen sollen
Angesichts der klimatischen Veränderungen sei es unerlässlich, die Weizensorten weiter zu entwickeln, betont Longin. Die Pflanzen müssten an die sich ändernden Umweltbedingungen angepasst werden, um stabile Erträge zu sichern. Gleichzeitig müssen neue Resistenzen gegen Krankheiten gezüchtet werden, da sich auch Pflanzenkrankheiten ständig weiterentwickelten. „Nur durch kontinuierliche Züchtung können wir gewährleisten, dass der Weizenanbau zukunftssicher bleibt“, so Longin abschließend.
Was du dir merken solltest:
- Die Ernte 2023 fiel aufgrund ungünstiger Klimabedingungen kleiner aus, und der Weizen enthält weniger Protein.
- Der Proteingehalt im Weizen beeinflusst die Backqualität und ist ein wichtiger Preisfaktor.
- Eine nachhaltige Weizenproduktion erfordert gezielte Düngung und die Trennung hochwertiger Weizensorten, um Qualitätsanforderungen zu erfüllen.
Übrigens: Derzeit gilt eine proteinreiche Ernährung als besonders gesund, doch es gibt auch ein Zuviel. Wann zu viel Eiweiß schlecht für den Körper ist, erfährst du in unserem Artikel.
Bild: © Pexels
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