Schlaf ohne Erholung – So wirkt Koffein auf das Gehirn in der Nacht

Koffein hält das Gehirn selbst im Schlaf aktiv – es stört die nächtliche Erholung und beeinträchtigt bei jungen Menschen das Gedächtnis.

Schlaf unter Koffein: Das Gehirn bleibt aktiv

Koffein verändert die Aktivität des Gehirns selbst während des Schlafs. Besonders bei jungen Menschen erholt sich das Gehirn dadurch weniger. © Pexels

Koffein steckt in Kaffee, Tee, Cola, Energydrinks und sogar in dunkler Schokolade. Viele dieser Lebensmittel begleiten Millionen Menschen durch den Tag. Doch was viele nicht wissen: Selbst Stunden nach dem letzten Schluck kann Koffein den Schlaf empfindlich stören.

Ein Forschungsteam der Université de Montréal hat in einer neuen Studie untersucht, wie sich Koffein auf die nächtliche Erholung des Gehirns auswirkt. Denn auch wenn man schläft, bleibt das Gehirn unter dem Einfluss von Koffein messbar aktiv.

Der Körper ruht, das Gehirn bleibt aktiv

Im Rahmen der Studie nahmen 40 Erwachsene zwischen 20 und 58 Jahren teil. Jeder von ihnen verbrachte zwei Nächte im Schlaflabor. Vor der einen Nacht bekamen sie Koffein, vor der anderen ein Placebo. Die Forscher zeichneten mit Elektroenzephalografie (EEG) die Hirnaktivität während des Schlafs auf.

Auffällig: Trotz geschlossener Augen und äußerer Ruhe zeigte das Gehirn unter Koffeineinfluss ein völlig anderes Verhalten. Die typische nächtliche Entspannung blieb aus. Stattdessen wirkte das Gehirn „aufgedreht“ – ein Zustand, den die Forscher als gesteigerte „Kritikalität“ bezeichnen.

„Kritikalität beschreibt einen Zustand, der zwischen Ordnung und Chaos liegt“, erklärt Studienleiter Karim Jerbi.„Wie ein Orchester: Wenn alle zu laut oder durcheinander spielen, herrscht Chaos. Aber zu leise bringt auch nichts. Die Balance ist entscheidend.“ Tagsüber kann dieser Zustand hilfreich sein – man fühlt sich konzentriert, wach, entscheidungsfreudig. Doch nachts ist genau das Gegenteil gefragt: Entspannung, Verarbeitung, Regeneration.

Besonders junge Erwachsene schalten schlechter ab

Die Forscher fanden heraus, dass junge Erwachsene zwischen 20 und 27 Jahren deutlich sensibler auf Koffein reagierten als ältere Teilnehmer. Der Grund: Ihr Gehirn besitzt mehr Adenosinrezeptoren – Andockstellen für den körpereigenen Botenstoff, der müde macht. Koffein blockiert diese Rezeptoren. Das bedeutet: Das natürliche Signal zur Ruhe wird unterdrückt. Durch die Mehrzahl der Rezeptoren passiert das jungen Menschen besonders stark. „Deshalb wirkt Koffein bei ihnen intensiver“, erklärt Schlafexpertin Julie Carrier.

REM-Schlaf leidet – Gedächtnisprozesse bleiben auf der Strecke

Die Unterschiede zeigten sich vor allem in der REM-Schlafphase, also genau dann, wenn das Gehirn normalerweise Erinnerungen sortiert, Erlebtes verarbeitet und sich für den nächsten Tag regeneriert. Koffein störte diese Abläufe sichtbar.

„Wir haben beobachtet, dass langsame, erholsame Gehirnwellen wie Theta- und Alphawellen unterdrückt wurden“, sagt Jerbi. „Stattdessen dominierte die Beta-Aktivität – ein Muster, das sonst nur im Wachzustand auftritt.“ Das Gehirn blieb also aktiver, als es sein sollte.

Schlaf ohne Erholung – ein unsichtbares Risiko

Wer unter Koffeineinfluss schläft, fühlt sich am nächsten Tag womöglich weniger erholt, ohne zu wissen warum. Denn der Schlaf war oberflächlicher. Das bedeutet nicht zwangsläufig, dass man weniger schläft – sondern dass die Qualität schlechter ist.

Philipp Thölke, Hauptautor der Studie, erklärt: „Unsere Daten zeigen, dass das Gehirn im Non-REM-Schlaf durch Koffein weniger vorhersehbar und dynamischer arbeitet – genau dann, wenn es sich eigentlich erholen soll.“

Was das für den Alltag bedeutet

Ein Espresso nach dem Abendessen, eine Cola zum Film oder ein Schokoriegel auf dem Heimweg – all das kann ausreichen, um die nächtliche Erholung zu beeinflussen.

Während Koffein tagsüber hilfreich sein kann, stört es nachts die Erholung. Das Gehirn kann sich weder entspannen noch regenerieren.

Julie Carrier

Vor allem Menschen, die auf ihre geistige Leistungsfähigkeit angewiesen sind – etwa im Studium, in Prüfungsphasen oder im Schichtdienst – sollten sich diesen Zusammenhang bewusst machen. Es geht nicht darum, Koffein zu verteufeln – sondern darum, es gezielt einzusetzen. Wer besser schlafen will, sollte ab dem Nachmittag vorsichtig mit koffeinhaltigen Getränken sein. Der Verzicht auf einen späten Kaffee nach dem Mittagsessen kann mehr bewirken als früheres Zubettgehen.

Kurz zusammengefasst:

  • Koffein beeinflusst nicht nur das Einschlafen, sondern stört auch die nächtliche Erholung des Gehirns.
  • Besonders junge Erwachsene reagieren empfindlich, da sie mehr Adenosinrezeptoren im Gehirn haben – Koffein blockiert diese und verhindert so das natürliche Müdigkeitssignal.
  • Wer abends koffeinhaltige Getränke konsumiert, schläft zwar ein, aber das Gehirn bleibt im aktiven Modus – mit möglichen Folgen für Konzentration und Gedächtnis am nächsten Tag.

Übrigens: Viele Menschen wachen regelmäßig um 3 Uhr morgens auf – ohne ersichtlichen Grund. Schlafexpertin Ana Krieger erklärt, wie neben Koffein auch Stress und falsche Abendroutinen den Schlaf unterbrechen können – mehr dazu in unserem Artikel.

Bild: © Pexels

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