Gleiche Mahlzeit, mehr Kalorien: Wie Mikroben im Darm still und heimlich Diäten sabotieren

Spezielle Mikroben im Darm erhöhen die Kalorienaufnahme. Schlechte Nachrichten für alle, die mithilfe von Ballaststoffen abnehmen wollen.

Methanogene im Darm erhöhen die Kalorienaufnahme

Eine ballaststoffreiche Ernährung kann beim Abnehmen helfen. Forscher haben jetzt jedoch herausgefunden, dass nicht jeder Mensch gleich viele Kalorien dadurch einspart. © DALL-E

Warum nehmen manche Menschen selbst bei identischer Ernährung mehr Kalorien auf als andere? Eine aktuelle Studie der Arizona State University (ASU) zeigt, dass das Mikrobiom – also die Gesamtheit der Darmbakterien – dabei eine entscheidende Rolle spielt. Besonders jene Mikroben im Darm, die Methan produzieren, steigern die Kalorienaufnahme, indem sie zusätzliche Energie aus ballaststoffreicher Nahrung freisetzen.

Methanogene im Darm steigern Kalorienaufnahme bei ballaststoffreicher Kost

Die Mikroorganismen produzieren Methan, indem sie Wasserstoff verbrauchen, der beim Abbau von Ballaststoffen entsteht. Die Wissenschaftler fanden heraus, dass Personen mit hoher Methanproduktion dabei mehr Energie aus ballaststoffreicher Ernährung gewinnen. 

Das heißt nicht, dass ballaststoffreiche Diäten an sich problematisch sind. Im Vergleich zur typischen westlichen Ernährung mit vielen verarbeiteten Produkten bleibt die Kalorienaufnahme laut den Forschern insgesamt geringer. Der Unterschied liegt jedoch darin, wie effizient das Mikrobiom die verbleibenden Kalorien verwertet.

Probanden lebten in einem Ganzraum-Kalorienzähler

Für die Untersuchung nutzte das Team eine besondere Technik. Statt eines einfachen Atemtests lebten die Probanden jeweils sechs Tage lang in einem abgeschlossenen Messraum, einem sogenannten „whole-room calorimeter“ (zu dt. etwa: „Ganzraum-Kalorienzähler“). 

Dieser Raum ähnelt einem Hotelzimmer, zeichnet aber fortlaufend die Methanproduktion und den Energieverbrauch der Teilnehmer auf. Die exakten Messungen ermöglichten es, Methan nicht nur im Atem, sondern auch in anderen Ausscheidungen kontinuierlich zu erfassen.

Unterschiedliche Diäten mit identischem Nährstoffprofil

Im Experiment erhielten die Probanden zwei verschiedene Diäten. Eine bestand aus vielen verarbeiteten Lebensmitteln mit wenig Ballaststoffen, die andere aus Vollwertkost mit hohem Ballaststoffanteil. Der Anteil an Kohlenhydraten, Proteinen und Fetten blieb jedoch in beiden Varianten gleich.

Die Forscher analysierten anschließend Blut- und Stuhlproben, um zu ermitteln, wie viel Energie die Teilnehmer tatsächlich aus der Nahrung aufnahmen. So konnten sie die Aktivität des Mikrobioms genau verfolgen und die Unterschiede zwischen Menschen mit hoher und niedriger Methanproduktion vergleichen.

Höhere Kalorienaufnahme trotz Ballaststoffen – Methan im Darm macht den Unterschied

Die Ergebnisse zeigten deutlich: Mit der ballaststoffreichen Ernährung nahmen fast alle Teilnehmer weniger Kalorien auf als bei der verarbeiteten Kost. Doch unter den Ballaststoffessern absorbierten jene mit hoher Methanproduktion mehr Energie als diejenigen mit geringer Methanproduktion.

Blake Dirks, Hauptautor der Studie und Doktorand am Biodesign Center for Health Through Microbiomes der Arizona State University, erklärt: 

Dieser Unterschied hat wichtige Auswirkungen für Ernährungstherapien. Er zeigt, dass Menschen mit derselben Diät unterschiedlich darauf reagieren können. Ein Teil davon hängt mit der Zusammensetzung ihres Mikrobioms zusammen.

Methan als möglicher Biomarker für Effizienz der Verdauung

Das Mikrobiom übernimmt im Körper eine entscheidende Aufgabe:

  • Es zersetzt Ballaststoffe in kurzkettige Fettsäuren, die als Energiequelle dienen.
  • Dabei entsteht auch Wasserstoff, der diesen Prozess hemmen kann.
  • Hier greifen Methanogene ein: Sie nutzen den Wasserstoff und produzieren Methan, wodurch der Abbau der Ballaststoffe weiterläuft.

Laut Dr. Rosa Krajmalnik-Brown, korrespondierende Autorin und Leiterin des Biodesign Center for Health Through Microbiomes an der ASU, stellt der menschliche Körper selbst stellt kein Methan her: „Das machen nur die Mikroben. Deshalb schlagen wir vor, Methan als Biomarker zu nutzen, der auf eine effiziente mikrobielle Produktion kurzkettiger Fettsäuren hinweist.“

Methanogene – ein uralter Verbündeter?

Die Forscher vermuten, dass Methanogene möglicherweise schon bei den frühen Menschen eine wichtige Rolle spielten. In Zeiten knapper Nahrungsressourcen könnten ihnen diese Mikroben dabei geholfen haben, möglichst viel Energie aus einer ballaststoffreichen Ernährung zu gewinnen. 

„Wenn man bedenkt, was unsere Vorfahren gegessen haben, dann waren das mehr natürliche, unverarbeitete Lebensmittel“, sagt Dirks. Er vermutet, dass Methanogene ein sehr wichtiger Bestandteil ihres Mikrobioms waren, um mit begrenzten Ressourcen zu überleben. Diese stellten nämlich sicher, dass der Darm möglichst viel Energie aus der Nahrung herauszieht.

Weitere Forschung soll Krankheitsbilder einbeziehen

Die Teilnehmer der aktuellen Untersuchung waren allesamt gesunde Erwachsene. Nun wollen die Forscher prüfen, wie sich diese Zusammenhänge bei Menschen mit Fettleibigkeit, Diabetes oder anderen Erkrankungen auswirken.

Unsere Teilnehmer sollten während des Experiments nicht abnehmen, trotzdem haben einige mit der ballaststoffreichen Kost etwas Gewicht verloren.

Blake Dirks

Krajmalnik-Brown zufolge ist der Blick auf jeden Einzelnen entscheidend: „Man sieht, wie wichtig eine personalisierte Betrachtung des Mikrobioms ist.“ Denn Methanogene könnten am Ende mitentscheiden, ob eine Diät beim Abnehmen wirklich wirkt oder nicht.

Kurz zusammengefasst:

  • Methanogene im Darm beeinflussen, wie viel Energie der Körper aus ballaststoffreicher Nahrung gewinnt.
  • Bei Menschen mit hoher Methanproduktion im Darm ist die Kalorienaufnahme aus identischer Nahrung höher als bei anderen.
  • Die Arizona State University nutzte einen „whole-room calorimeter“, um diese Unterschiede präzise zu messen.

Übrigens: Im Darm könnten winzige Mikroben auch mitentscheiden, ob ein Mensch kriminell handelt – oder nicht. Neue Forschungsergebnisse deuten darauf hin, dass bestimmte Darmbakterien unser Verhalten, unsere Impulse und sogar unser Strafmaß beeinflussen können. Mehr dazu in unserem Artikel.

Bild: © DALL-E

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