Kampf um jedes Nest: Weibliche Vögel reagieren besonders aggressiv

Vögel, die keine eigenen Nester bauen können, verteidigen ihren Brutplatz besonders aggressiv. Forscher erklären: Weibchen kämpfen härter.

Nestkampf bei Vögeln: Weibchen reagieren auffallend energisch.

Eine angriffslustige Kohlmeise: Der kleine Höhlenbrüter verteidigt den Brutplatz energisch. © Pexels

Wenn ein Vogel plötzlich aggressiv wird, steckt oft mehr dahinter als reine Revierverteidigung. Besonders Arten, die zwingend auf Baumhöhlen zum Brüten angewiesen sind, zeigen erstaunlich heftiges Verhalten. Ein internationales Forschungsteam um Sara Lipshutz von der Duke University hat untersucht, warum gerade diese Vögel so erbittert um ihr Nest kämpfen – und warum Weibchen dabei oft noch entschlossener vorgehen als Männchen. Veröffentlicht wurden die Ergebnisse im Fachmagazin Nature.

Diese Vögel, sogenannte sekundäre Höhlenbrüter, können keine eigenen Höhlen bauen. Sie müssen auf bereits existierende Baumhöhlen, Zaunpfosten oder Felsen ausweichen. „Sie müssen ein Loch in einem Baum finden, und nur so können sie sich fortpflanzen“, erklärte Lipshutz. Dadurch wird ein geeigneter Brutplatz zu einem extrem knappen Gut. Wer einmal ein solches Nest gefunden hat, verteidigt es mit aller Kraft – mit Schnabel, Krallen und lauten Drohrufen.

Besonders weibliche Vögel verteidigen energisch

Um die Zusammenhänge besser zu verstehen, untersuchte das Team fünf Vogelgruppen: Schwalben, Waldsänger, Spatzen, Drosseln und Zaunkönige. Für jede Familie wurde je eine Art ausgewählt, die Höhlen zwingend benötigt, und eine, die flexibler nistet. In einem Feldversuch platzierten die Forscher präparierte Artgenossen und Lautsprecher mit Gesängen in der Nähe von Nestern und beobachteten die Reaktionen.

Das Ergebnis fiel eindeutig aus: Vögel, die auf Höhlen angewiesen waren, verteidigten ihr Revier deutlich aggressiver als ihre freier nistenden Verwandten. Besonders die Weibchen griffen energischer an. Lipshutz sprach von einem „wirklich auffälligen Verhaltensmuster“. Offenbar tragen Weibchen ein besonders hohes Risiko, wenn ihr Nest verloren geht – sie investieren deshalb besonders viel in die Verteidigung.

Wettbewerb entscheidet über Nachwuchs

Kimberly Rosvall von der Indiana University, die ebenfalls an der Studie beteiligt war, sagte: „Der starke Wettbewerb führte zu höherer Aggressivität.“ Besonders bei Weibchen wirkte sich der Druck deutlich aus.

Interessant: Die Aggressivität hing nicht etwa mit der Verwandtschaft der Arten zusammen. Selbst innerhalb einer Familie konnte das Verhalten stark schwanken – abhängig davon, ob die Art auf Höhlen angewiesen war oder nicht. Das Neststrategiemodell erklärte das Verhalten besser als die Abstammung.

Unter sogenannte obligate Sekundärhöhlenbrüter fallen u.a. der Buntspecht (hier abgebildet), Blaumeise, Kohlmeise, Kleiber, Trauerschnäpper, Haussperling, Star und Zaunkönig. © Pexels
Unter sogenannte obligate Sekundärhöhlenbrüter fallen u.a. der Buntspecht (hier abgebildet), Blaumeise, Kohlmeise, Kleiber, Trauerschnäpper, Haussperling, Star und Zaunkönig. © Pexels

Hormone spielen kaum eine Rolle

Das Team untersuchte auch, ob Hormone wie Testosteron das aggressive Verhalten beeinflussen könnten. Dafür nahmen sie Blutproben von Vögeln unter unterschiedlichen Bedingungen. Das Ergebnis überraschte: Es gab keine klaren Zusammenhänge zwischen Testosteronspiegel und Aggressivität. Auch die Neststrategie hatte keinen Einfluss auf die Hormonwerte. Lediglich Männchen hatten, wie erwartet, generell höhere Testosteronwerte als Weibchen.

Gibt es ein Aggressions-Gen?

Weil Hormone keine eindeutigen Antworten lieferten, analysierten die Forscher die Genaktivität im Gehirn der Tiere. Dabei zeigte sich: Bestimmte Gene waren bei aggressiven Vögeln ähnlich aktiv. Allerdings fand das Team keine universellen „Aggressions-Gene“, die in allen Arten gleich wirkten.

„Wir hoffen immer auf ein paar bekannte Gene, die leicht Sinn ergeben“, erklärte Lipshutz. „Aber wir haben keine der üblichen Verdächtigen gefunden.“ Stattdessen deuten die Daten darauf hin, dass viele verschiedene Gene subtil zusammenwirken – bei jeder Art auf eigene Weise. „Es gibt wahrscheinlich mehrere hundert Gene, die gemeinsam das Verhalten beeinflussen“, so Lipshutz weiter. Besonders spannend: Trotz unterschiedlicher genetischer Wege entwickeln viele Höhlenbrüter ein sehr ähnliches, hochaggressives Verhalten.

Kurz zusammengefasst:

  • Vögel, die zwingend in Baumhöhlen nisten müssen, verteidigen ihr Nest besonders aggressiv, da geeignete Brutplätze extrem knapp sind.
  • Weibchen zeigen oft ein stärkeres Verteidigungsverhalten als Männchen, unabhängig von der Verwandtschaft der Vogelarten oder dem Testosteronspiegel.
  • Statt einzelner Gene wirken viele verschiedene Gene subtil zusammen und führen bei Höhlenbrütern trotz unterschiedlicher Wege zu ähnlich aggressivem Verhalten.

Übrigens: Während manche Vögel ihr Nest aggressiv verteidigen, kann ihr Gesang beim Menschen Angst und Stress spürbar reduzieren. Mehr dazu in unserem Artikel.

Bild: © Pexels

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert