Das Gehirn entscheidet, wann Schluss ist: Forscher entdecken neue Sattmacher-Zellen

Forscher haben Gehirnzellen entdeckt, die steuern, wann wir mit dem Essen aufhören. Das ermöglicht neue Ansätze gegen Fettleibigkeit.

Forscher haben Neuronen im Hirnstamm entdeckt, die steuern, wann wir mit dem Essen aufhören – sie beeinflussen unser Sättigungsgefühl. © Pexels

Forscher haben Neuronen im Hirnstamm entdeckt, die steuern, wann wir mit dem Essen aufhören – sie beeinflussen unser Sättigungsgefühl. © Pexels

Forscher der Columbia University haben eine Gruppe spezieller Gehirnzellen entdeckt, die darüber entscheiden, wann wir mit dem Essen aufhören und satt sind. Diese speziellen Neuronen sitzen im Hirnstamm und reagieren auf verschiedene Signale – vom Geruch und Geschmack der Nahrung bis zu hormonellen Botschaften aus dem Darm. Sie könnten eine Schlüsselrolle im Sättigungsprozess spielen und neue Ansätze zur Behandlung von Fettleibigkeit ermöglichen.

Wann sind wir satt? Gehirnzellen bestimmen, wann wir mit dem Essen aufhören

Wann ist genug? Jeder kennt das Gefühl, nach einer Mahlzeit satt zu sein. Doch wie trifft das Gehirn diese Entscheidung? Lange war unklar, welche Zellen tatsächlich das Signal geben, die Gabel hinzulegen.

Ein Forscherteam um Alexander Nectow von der Columbia University ist dieser Frage nachgegangen. Sie entdeckten eine bisher unbekannte Gruppe von Neuronen, die genau in dem Moment aktiv werden, wenn Nahrung aufgenommen wird. Diese Neuronen befinden sich im Hirnstamm, der tief im Gehirn sitzt und für grundlegende Körperfunktionen wie Atmung und Stoffwechsel zuständig ist.

„Diese Neuronen sind anders als alle anderen Neuronen, die an der Regulierung der Sättigung beteiligt sind“, erklärt Nectow. Andere Hirnregionen registrieren nur einzelne Faktoren, etwa ob der Magen gedehnt wird oder ob Kalorien aufgenommen wurden. Doch die neu entdeckten Zellen kombinieren alle diese Informationen und steuern damit direkt das Essverhalten.

Neue Technologie ermöglicht den Durchbruch

Um diese Neuronen zu identifizieren, nutzten die Wissenschaftler eine moderne Einzelzell-Analyse namens „spatially resolved molecular profiling“. Mit dieser Technik lassen sich Zelltypen im Gehirn präzise bestimmen. Die Forscher fanden dabei Neuronen, die das Hormon Cholecystokinin (CCK) produzieren, das eine entscheidende Rolle bei der Regulierung des Appetits spielt.

Als sie das Verhalten dieser Neuronen untersuchten, entdeckten sie ein klares Muster: Immer wenn eine Maus Nahrung aufnahm, stieg die Aktivität der Neuronen an und ebbte dann langsam wieder ab. Das Gehirn registrierte also nicht nur, dass gegessen wurde, sondern auch wie viel.

Mäuse hören mit Lichtsignal auf zu essen

Um herauszufinden, wie stark diese Neuronen das Essverhalten beeinflussen, griffen die Forscher zu einer besonderen Methode: Sie manipulierten die Neuronen so, dass sie sich mit Licht aktivieren ließen.

Das Ergebnis war erstaunlich: Sobald das Licht eingeschaltet wurde, fraßen die Mäuse nur noch kleine Portionen. Je intensiver das Lichtsignal, desto schneller hörten sie auf zu essen. „Interessanterweise signalisieren diese Neuronen nicht nur einen sofortigen Stopp; sie helfen den Mäusen, ihr Essen allmählich zu verlangsamen“, erklärt Mitautor Srikanta Chowdhury.

Medikamente könnten gezielt diese Neuronen ansprechen

Ein weiterer entscheidender Fund: Diese Neuronen reagieren direkt auf hormonelle Signale, die den Appetit beeinflussen. Besonders wichtig ist dabei ein Medikamenten-Typ, der bereits zur Behandlung von Diabetes und Übergewicht genutzt wird: die sogenannten GLP-1-Agonisten.

Die Forscher stellten fest, dass diese Medikamente genau diese Neuronen aktivieren – während appetitanregende Hormone sie blockieren. Das deutet darauf hin, dass bestehende Medikamente zur Gewichtsreduktion möglicherweise über diese Neuronen wirken. Wenn sich das bestätigt, könnte es in Zukunft möglich sein, das Sättigungsgefühl viel gezielter zu beeinflussen.

Haben Menschen die gleichen Neuronen?

Obwohl die Studie an Mäusen durchgeführt wurde, gehen die Forscher davon aus, dass auch Menschen diese Neuronen besitzen. Der Hirnstamm ist bei allen Wirbeltieren ähnlich aufgebaut, was darauf hindeutet, dass dieser Mechanismus universell ist.

„Wir denken, es ist ein bedeutender neuer Ansatzpunkt, um zu verstehen, was es bedeutet, satt zu sein, wie das zustande kommt und wie das genutzt wird, um eine Mahlzeit zu beenden“, so Nectow. In zukünftigen Studien wollen die Forscher untersuchen, ob diese Zellen beim Menschen genauso funktionieren – und ob sie sich gezielt beeinflussen lassen.

Ein neuer Ansatz gegen Übergewicht

Die Entdeckung stellt einen bedeutenden Fortschritt im Verständnis des Sättigungsgefühls dar. Bislang beruhen viele Therapien gegen Übergewicht auf der Manipulation von Hormonen oder der Begrenzung der Nahrungsaufnahme durch chirurgische Eingriffe. Wenn sich diese Neuronen beim Menschen gezielt steuern lassen, könnte es in Zukunft sanftere und individuellere Therapien gegen Übergewicht und Essstörungen geben.

Das Forschungsteam plant nun weitere Untersuchungen. Falls die Neuronen beim Menschen ähnlich arbeiten, könnte es bald Medikamente geben, die das Sättigungsgefühl genau dann aktivieren, wenn es gebraucht wird – ohne Nebenwirkungen oder radikale Eingriffe.

Kurz zusammengefasst:

  • Forscher der Columbia University haben Gehirnzellen im Hirnstamm entdeckt, die das Sättigungsgefühl steuern und bestimmen, wann wir mit dem Essen aufhören.
  • Diese Neuronen reagieren auf Geruch, Geschmack, Hormone und Signale aus dem Darm und lassen sich durch Licht oder Medikamente gezielt aktivieren.
  • Die Erkenntnis könnte neue Therapien gegen Fettleibigkeit ermöglichen, da bestehende Medikamente wie GLP-1-Agonisten genau diese Neuronen beeinflussen.

Bild: © Pexels

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