Viertagewoche im Großversuch: Was neue Daten aus 6 Ländern über Gesundheit und Leistung verraten
Beschäftigte, die vier statt fünf Tage arbeiten, fühlen sich erholter, zufriedener und seltener erschöpft – das zeigen neue Daten aus sechs Ländern.

Eine Viertagewoche kann sowohl die Gesundheit als auch die Leistungsfähigkeit im Job stärken. © Pexels
Während in Deutschland über die Viertagewoche vor allem ideologisch gestritten wird, kommen aus dem Ausland nun konkrete Daten. Eine internationale Studie mit fast 3.000 Beschäftigten zeigt: Wer nur vier Tage pro Woche arbeitet, fühlt sich gesünder, weniger gestresst und zufriedener im Job.
Trotz solcher Befunde bleibt die politische Stimmung hierzulande skeptisch. In Bayern etwa warnt CSU-Chef Markus Söder in der Bayerischen Staatszeitung vor einem gesellschaftlichen Trend „zu immer weniger Arbeit, mehr Teilzeit und Work-Life-Balance“. Seine Botschaft: „Nur mit Halbtagsjob, mit Viertagewoche funktioniert das nicht.“
Auch innerhalb der bayerischen Landesverwaltung stehen flexible Arbeitsmodelle inzwischen auf dem Prüfstand. Wie der Münchner Merkur berichtet, kündigte Söder nach einer Kabinettssitzung an, Homeoffice und Teilzeit künftig stärker einzuschränken: „Das wird sicherlich in der Größenordnung so nicht bleiben können.“ Man wolle zwar familienfreundlich bleiben, müsse aber auch „bestimmte Effizienzpotenziale heben“.
Doch die aktuellen Studienergebnisse widerlegen solche Einwände erstmals mit belastbaren Gesundheitsdaten.
Viertagewoche – Stress sinkt, Gesundheit steigt
Knapp 3.000 Beschäftigte aus 141 Unternehmen in Australien, Kanada, Neuseeland, Großbritannien, Irland und den USA machten bei dem Großversuch mit. Sie arbeiteten rund fünf Stunden pro Woche weniger – der Lohn blieb gleich. In einer Kontrollgruppe mit regulärer Fünftagewoche blieb alles wie bisher.
Schon nach sechs Monaten zeigte sich:
- Weniger Erschöpfung: Das Gefühl, ausgebrannt zu sein, nahm deutlich ab
- Mehr Zufriedenheit im Job: Die Freude an der Arbeit stieg spürbar
- Psychisch stabiler: Viele fühlten sich mental ausgeglichener und belastbarer
- Körperlich fitter: Auch die körperliche Verfassung verbesserte sich leicht
Die Unterschiede waren statistisch eindeutig – in den Firmen mit unveränderter Arbeitszeit zeigte sich kein Effekt.
Mehr Selbstvertrauen und Motivation
Wer weniger arbeitet, ist nicht nur weniger müde – sondern oft auch motivierter. Ein zentrales Ergebnis der Studie: Beschäftigte fühlten sich mit der Viertagewoche produktiver und zugleich weniger ausgelaugt. Drei Dinge waren besonders entscheidend:
- Mehr Selbstvertrauen bei der Arbeit
- Weniger Schlafprobleme
- Deutlich geringere Müdigkeit
Die Unternehmen hatten vor Beginn ihre Arbeitsprozesse gestrafft: weniger Meetings, klarere Zuständigkeiten, mehr Eigenverantwortung. So ließ sich die gleiche Arbeit in kürzerer Zeit erledigen – und der zusätzliche freie Tag wurde nicht etwa „verarbeitet“, sondern sinnvoll genutzt.
Viertagewoche wirkt auch nach einem Jahr
Besonders bemerkenswert: Die positiven Effekte hielten langfristig an. Ein Jahr nach Einführung lag die durchschnittliche Arbeitszeit weiterhin deutlich unter dem Ausgangswert – das Wohlbefinden blieb hoch. Die Burnout-Werte sanken dauerhaft, die Zufriedenheit blieb stabil. Nur in einem Punkt gab es leichte Abstriche: Die Jobzufriedenheit ging nach einem Jahr minimal zurück, lag aber immer noch über dem Wert zu Beginn.
Auch körperliche Aktivität und Schlafqualität verbesserten sich – gerade bei jenen, die mindestens acht Stunden weniger pro Woche arbeiteten.
Nicht alle konnten im gleichen Maß reduzieren
Einheitlich war das Ergebnis nicht. Beschäftigte in großen Firmen, Eltern schulpflichtiger Kinder sowie Frauen und Nicht-Weiße reduzierten ihre Stunden im Schnitt etwas weniger. Trotzdem zeigte sich: Auch wer nur ein paar Stunden einsparte, profitierte spürbar.
- Der größte Gewinn lag in der psychischen Gesundheit und Zufriedenheit.
- Der Effekt trat besonders stark ein, wenn Beschäftigte selbstbestimmt kürzer treten konnten.
- Auch die Unternehmen profitierten: Viele berichteten von gleichbleibender oder besserer Produktivität.
Eine Arbeitszeitverkürzung ohne Lohnkürzung ist eine äußerst effektive Maßnahme zur Förderung des Wohlbefindens.
Studie
Viertagewoche bleibt freiwillig – aber erste Länder machen Druck
In den meisten europäischen Ländern ist die Viertagewoche bislang keine gesetzlich geregelte Arbeitsform, sondern bleibt den Unternehmen überlassen. In Deutschland etwa bieten laut einer aktuellen Umfrage rund elf Prozent der Betriebe diese Möglichkeit an – meist auf freiwilliger Basis, in Pilotprojekten oder im Rahmen flexibler Modelle. Besonders kleinere und mittlere Unternehmen testen das Konzept, häufig in Branchen wie IT, Gesundheitswesen, Dienstleistungen oder auch im Handwerk.
Anders sieht es in Island aus: Dort wurde die Viertagewoche in mehreren groß angelegten Studien im öffentlichen Dienst erprobt – mit so positiven Ergebnissen, dass sie mittlerweile flächendeckend möglich ist. In Belgien erlaubt das Arbeitsrecht inzwischen, die reguläre Wochenarbeitszeit auf vier Tage zu verdichten – allerdings bleibt die Stundenzahl gleich, was bedeutet: längere Arbeitstage statt kürzerer Wochen. Auch Großbritannien setzt mit zahlreichen Pilotprojekten Impulse.
Deutsche Studie: Zufriedenheit steigt, Krankmeldungen bleiben stabil
In Deutschland gibt es ebenfalls erste umfassende Erkenntnisse zur Viertagewoche. Die Universität Münster begleitete ein halbjähriges Pilotprojekt mit 45 Unternehmen und Organisationen, bei dem Beschäftigte vier Tage pro Woche arbeiteten – bei vollem Gehalt. Das Ergebnis: Die Lebenszufriedenheit der Teilnehmer stieg deutlich, das Stressniveau sank. Auffällig war jedoch: Die Zahl der Krankmeldungen blieb im Vergleich zum Vorjahr nahezu gleich.
Die beteiligten Unternehmen steigerten ihre Effizienz nicht etwa durch Mehrarbeit, sondern durch schlankere Prozesse und den bewussten Verzicht auf überflüssige Meetings. Auch neue digitale Werkzeuge kamen zum Einsatz. Die körperliche und mentale Gesundheit der Beschäftigten verbesserte sich messbar: Sie bewegten sich mehr, schliefen länger und fühlten sich im Alltag ausgeglichener. Studienleiterin Julia Backmann zieht ein klares Zwischenfazit: „Die Vier-Tage-Woche zeigt Wirkung – vor allem dort, wo Abläufe entschlackt und Teams eigenverantwortlicher arbeiten können.“
Kurz zusammengefasst:
- Eine internationale Studie mit knapp 3.000 Beschäftigten zeigt: Die Viertagewoche verbessert das Wohlbefinden messbar – besonders bei Burnout, Zufriedenheit und mentaler Gesundheit.
- Je stärker die individuelle Arbeitszeit reduziert wurde, desto größer waren die gesundheitlichen Vorteile – vor allem bei weniger Müdigkeit, besserem Schlaf und höherer Leistungsfähigkeit.
- In Deutschland bleibt die Viertagewoche bislang freiwillig und selten – doch Pilotprojekte und internationale Erfolge machen das Modell zunehmend relevant.
Übrigens: Eine andere These stellt der Schweizer Historiker Joachim Voth auf: Nicht Freizeit, sondern sinnvolle Arbeit macht langfristig glücklich. Mehr dazu in unserem Artikel.
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