Psychische Krankheiten durch ausgelaugte Böden? Wie der Verlust von Mikroorganismen uns krank macht
Der Verlust von Mikroorganismen in Böden senkt die Nährstoffqualität unserer Nahrung – mit gravierenden Folgen für die mentale Gesundheit.

Der weltweit angesehene indische Mystiker und Umweltschützer Sadhguru warnt: Ohne gesunde Böden ist auch unsere eigene Gesundheit in Gefahr. © Wikimedia
Der Boden unter unseren Füßen stirbt – und mit ihm verschwinden die Mikroorganismen, die unser gesamtes Ökosystem stützen. Für viele mag das wie ein abstraktes Umweltproblem klingen. Doch Sadhguru, der indische Mystiker und Umweltaktivist, schlägt Alarm: Wenn dieser Prozess nicht gestoppt wird und Böden weiter ausgelaugt werden, wird unsere Nahrung immer weniger Nährstoffe enthalten – mit verheerenden Folgen für unsere Gesundheit, insbesondere für unsere mentale Verfassung.
In die gleiche Kerbe schlägt im Standard die Professorin für Umwelttechnologie an der Uni Graz Gabriele Berg: „Unsere Böden sind chronisch krank. Und diese Situation wird sich früher oder später auch zum Menschen fortpflanzen, bekommen wir doch einen nicht unwesentlichen Teil unseres Mikrobioms durch die Ernährung.“
Warum Mikroorganismen unser Überleben sichern
Jährlich sterben laut Sadhguru etwa 27.000 Mikroorganismen-Arten aus. Was zunächst unsichtbar und harmlos erscheint, ist in Wahrheit eine ernste Bedrohung für unser Leben. Mikroorganismen spielen eine entscheidende Rolle in der Nährstoffversorgung von Pflanzen. Sie sorgen dafür, dass Böden fruchtbar bleiben und unser Essen die Vitamine und Mineralstoffe enthält, die wir zum Überleben brauchen. Doch diese winzigen Lebewesen verschwinden – und das bleibt nicht ohne Folgen.
Diese verborgenen Gemeinschaften fristen überall ihr heimliches Dasein: auf unserer Haut, in unseren Därmen, in und auf Pflanzen – und eben auch im Boden. Dort spielen Mikroben eine zentrale Rolle in verschiedenen Stoffkreisläufen und gehen vielfältige Symbiosen ein. Auch mit Pflanzen ist diese Zusammenarbeit intensiv, wie Berg betont: „Manche Pflanzen können ohne bestimmte Mikroben nicht keimen.“ Ihr Verlust gefährdet damit nicht nur die Nährstoffversorgung, sondern auch das gesamte pflanzliche Wachstum – ein Teufelskreis für die Landwirtschaft.
Wissenschaftler befürchten, dass in 15 bis 25 Jahren entscheidende Mikroorganismen in kritischer Zahl fehlen könnten. Sollte das passieren, könnte das biologische Gleichgewicht zusammenbrechen.
Boden ohne Leben – Nahrung ohne Nährstoffe
Doch was bedeutet das konkret für uns Menschen? Ein Blick in die Vergangenheit zeigt, wie dramatisch der Verlust an Nährstoffen bereits ist. Noch vor einigen Jahren reichte es, eine Orange zu essen, um eine bestimmte Menge an Vitaminen aufzunehmen. Heute müsste man dafür acht Orangen essen, wie der Scientific American berichtet. Der Grund: Der Boden, auf dem unsere Nahrung wächst, ist ausgelaugt.
Die industrielle Landwirtschaft hat Böden über Jahrzehnte hinweg mit chemischen Düngemitteln behandelt, ohne organische Materie zurückzugeben. Die Folge: Die für das Bodenleben essenziellen Mikroorganismen sterben, die Fruchtbarkeit schwindet. Und wenn Pflanzen keine Nährstoffe mehr aus dem Boden aufnehmen können, fehlen sie auch uns Menschen.

Schwache Böden, schwache Psyche: Wie unsere mentale Gesundheit leidet
Sadhguru warnt, dass die Auswirkungen dieser Entwicklung weit über körperliche Mangelerscheinungen hinausgehen. Der Zusammenhang zwischen Ernährung und psychischer Gesundheit wird oft unterschätzt. Studien zeigen jedoch, dass Nährstoffmängel eine direkte Rolle bei Depressionen, Angstzuständen und kognitiven Beeinträchtigungen spielen. Ein Mangel an Magnesium und Omega-3-Fettsäuren kann die Produktion von Neurotransmittern wie Serotonin und Dopamin stören – Stoffe, die für unser Wohlbefinden entscheidend sind.
Der weltweit angesehen indische Umweltaktivist geht davon aus, dass in den kommenden Jahren etwa jeder zweite Mensch psychologische Behandlung benötigen könnte. Laut dem „Our Epidemic of Loneliness and Isolation“ betitelten Report des ehemaligen obersten US-Mediziners Vivek Murthy fühlen sich bereits heute 50 Prozent der Menschen in den USA einsam – und Einsamkeit ist seiner Meinung nach „die Inkubationszeit für mentale Erkrankungen“. Wer sich dauerhaft isoliert fühlt, erhöht sein Risiko für Depressionen, Angststörungen und sogar Herzkrankheiten.
Emotionale Verstimmungen können ein erstes Warnsignal für ein Mikronährstoff-Ungleichgewicht sein. Wie der renommierte medizinische Fachverlag Thieme berichtet, reagiert das Nerven- und Hormonsystem sensibel auf eine unzureichende Versorgung, doch diese frühen Symptome werden oft übersehen oder als psychische Probleme fehldiagnostiziert. Statt die Mangelzustände gezielt auszugleichen, werden sie häufig mit Genussmitteln oder Medikamenten überdeckt, was das Defizit weiter verschärft. Auf lange Sicht kann dies nicht nur zu Depressionen und Angststörungen führen, sondern auch neurologische Erkrankungen wie Demenz oder Multiple Sklerose begünstigen.
Der Boden muss wieder leben
Laut Sadhguru müssen Böden wieder mit organischer Materie angereichert werden, um ihre Fruchtbarkeit zurückzugewinnen. Dazu zählt:
- Förderung regenerativer Landwirtschaft: Mehr organischer Dünger, vielfältige Fruchtfolgen und weniger Chemieeinsatz.
- Wiederaufforstung und Schutz natürlicher Ökosysteme: Bäume spielen eine zentrale Rolle bei der Erhaltung gesunder Böden.
- Reduzierung des Fleischkonsums: Ein geringerer Bedarf an Futtermittelanbau würde Ackerflächen für nachhaltige Landwirtschaft freisetzen.
- Bewusstseinsbildung in der Bevölkerung: Konsumenten müssen verstehen, wie ihre Kaufentscheidungen die Bodengesundheit beeinflussen.
Was können wir tun?
Sadhguru fordert ein Umdenken: Wir müssen die Gesundheit unserer Böden schützen, wenn wir unsere eigene Gesundheit erhalten wollen. Mit der Initiative Save Soil setzt er sich weltweit für nachhaltige Landwirtschaft ein. Sein Ziel: Böden wieder mit organischer Materie anreichern, Monokulturen reduzieren und natürliche Kreisläufe wiederherstellen.
Auch Gabriele Berg sieht die Notwendigkeit eines tiefgreifenden Wandels: „Wir haben jahrelang Raubbau an der Natur betrieben. Jetzt müssen wir zur regenerativen Landwirtschaft übergehen.“
Kurz zusammengefasst:
- Ausgelaugte Böden bedeuten weniger Nährstoffe in unserer Nahrung – das schwächt nicht nur den Körper, sondern erhöht auch das Risiko für Depressionen und Angststörungen.
- Wissenschaftler warnen: Fehlen Mikroorganismen in Böden, leidet unser Mikrobiom – ein entscheidender Faktor für mentale Gesundheit und neurologische Erkrankungen.
- Experten wie Sadhguru und Gabriele Berg fordern eine Kehrtwende: Nur eine regenerative Landwirtschaft kann Böden retten – und damit auch unsere psychische Gesundheit.
Übrigens: Save Soil ist mehr als eine Kampagne – es ist eine weltweite Bewegung, die von Sadhguru ins Leben gerufen wurde, um Böden zu retten und damit unsere Zukunft zu sichern. Warum fruchtbare Erde über unsere Ernährung, unsere Umwelt und sogar unsere mentale Gesundheit entscheidet, mehr dazu in unserem Artikel.
Bild: © World Economic Forum via Wikimedia unter CC BY 3.0