Geruch macht satt: Kölner Forscher entdecken Nervenzellen, die Appetit bremsen

Der Appetit von Mäusen setzt aus, noch bevor der erste Bissen im Mund landet. Die Wissenschaft kennt jetzt den Grund: ein direkter Draht von der Nase ins Hirn.

Geruch macht satt: Nervenzellen können Appetit bremsen

Beim Riechen an einem Apfel kann im Gehirn ein Schalter umspringen – und der Appetit lässt spürbar nach. © Pexels

Der Duft von frischem Brot oder gebratenem Fleisch steigt in die Nase – und plötzlich ist der Hunger wie weggeblasen. Ein Forschungsteam am Max-Planck-Institut für Stoffwechselforschung in Köln hat eine erstaunliche Entdeckung gemacht: Geruch kann den Appetit zügeln, noch bevor gegessen wird. Dahinter steckt ein bislang unbekannter Nervenkreis im Gehirn.

Direkter Draht zwischen Nase und Gehirn

Die Forscher untersuchten in ihrer der Studie Mäuse mithilfe bildgebender Verfahren, Verhaltensanalysen und gezielter neuronaler Stimulation. Ziel war es, die Wirkung von Nahrungsgerüchen auf das Sättigungsgefühl im Gehirn genau zu entschlüsseln. Im Zentrum der Untersuchung steht dabei eine neu identifizierte Gruppe von Nervenzellen im medialen Septum, einem Bereich des Vorderhirns. Diese Nervenzellen reagieren empfindlich auf den Geruch von Nahrung: Sobald ein Essensduft wahrgenommen wird, werden die Zellen innerhalb von nur vier Sekunden aktiviert und lösen ein Sättigungsgefühl aus.

Besonders überraschend: Die Nervenverbindung, die den Geruch ins Zentrum der Appetitkontrolle weiterleitet, verläuft direkt vom Riechkolben ins mediale Septum. Frühere Studien hatten vermutet, dass Geruchssignale über den Hypothalamus gesteuert würden.

Der simple Duft von Essen reicht aus

Nach dem ersten Bissen bricht die Aktivität dieser Zellen abrupt ab. Das deutet darauf hin, dass sie nicht auf die Kalorien, sondern ausschließlich auf den Duft reagieren – noch dazu nur auf ganz bestimmte: etwa auf den Geruch normaler oder fettreicher Diäten. Eine Reaktion blieb aus, wenn nicht essbare Objekte oder appetitliche Düfte ohne Nährwert präsentiert wurden. Auch bekannte Hungersignale im Körper wie das Hormon Ghrelin hatten keinen Einfluss auf die Reaktion dieser Nervenzellen. Die Sättigung begann allein durch den Geruch von echtem Essen.

In weiteren Experimenten stimulierten die Wissenschaftler den Geruch-Schaltkreis künstlich. Schon eine 10-minütige Aktivierung vor Beginn der aktiven Nachtphase der Mäuse führte dazu, dass die Tiere rund 24 Prozent weniger Futter aufnahmen als sonst. Wurde derselbe Nervenkreis hingegen über drei Stunden hinweg aktiviert, ließ die Wirkung nach – offenbar gewöhnt sich das System an die dauerhafte Stimulation.

Dicke Mäuse reagieren nicht – die olfaktorische Bremse fehlt

In der Studie wurden auch Mäuse untersucht, die durch fettreiches Futter fettleibig geworden waren. Diese Tiere reagierten weder im olfaktorischen Bulbus (dem Teil des Gehirns, der Gerüche verarbeitet) noch im medialen Septum auf den Geruch von Nahrung. Selbst wenn der Schaltkreis künstlich stimuliert wurde, sank ihre Nahrungsaufnahme nicht. Zudem hatten diese Tiere in Verhaltenstests einen nachweislich schlechtere Geruchswahrnehmung.

Doch warum besitzen Mäuse überhaupt diesen Mechanismus? Janice Bulk, Erstautorin der Studie, erklärt: 

Wir glauben, dass dieser Mechanismus den Mäusen in freier Wildbahn dabei hilft, sich vor Raubtieren zu schützen. Indem sie kürzer fressen, verringern sie die Wahrscheinlichkeit, gefangen zu werden.

Und was bedeutet das für den Menschen?

Die Entdeckung wurde zwar an Mäusen gemacht, die gleiche Zellgruppe existiert allerdings auch beim Menschen. Als Nächstes wird untersucht, ob sie beim Menschen auch die gleiche Funktion erfüllt. Wenn dem tatsächlich so ist, dann könnten neue Ansätze zur Behandlung von Adipositas den Umgang mit Essensgerüchen miteinbeziehen.

Kurz zusammengefasst:

  • Ein Forschungsteam entdeckte einen Nervenkreis im Gehirn, der beim Riechen von Nahrung sofort ein Sättigungsgefühl auslöst – noch bevor gegessen wird.
  • Die Nervenzellen reagieren nur auf echte Essensgerüche und lassen sich gezielt aktivieren, wodurch die Nahrungsaufnahme deutlich sinkt.
  • Fettleibige Mäuse zeigen diese Reaktion nicht mehr, was auf eine gestörte Verbindung zwischen Geruchssinn und Appetitkontrolle hinweist.

Übrigens: Der Appetit lässt sich durch den Geruch von Essen zügeln – ein Nervenkreis im Gehirn macht’s möglich. Doch beim Einkaufen mit leerem Magen setzt genau dieser Mechanismus aus – mehr dazu in unserem Artikel.

Bild: © Pexels

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