Viele Proteine landen unverdaut im Darm – und stören die Verdauung
Nicht jedes Protein wird vollständig verdaut – manche Eiweiße landen im Dickdarm und beeinflussen die Darmflora auf unerwünschte Weise.

Eiklar wird vom Körper schlechter verdaut, als viele bisher dachten. © Pexels
Eiweiß gilt als gesund – es stärkt Muskeln, macht satt und bringt den Stoffwechsel in Schwung. Kein Wunder also, dass Proteinshakes, vegane Riegel und „High Protein“-Produkte boomen. Ob Sportler, Menschen mit Abnehmziel oder gesundheitsbewusste Esser – viele achten auf eine eiweißreiche Ernährung.
Doch eine neue Studie aus den USA stellt einen weit verbreiteten Irrtum infrage: Nicht jedes Eiweiß unterstützt die Verdauung gleichermaßen. Es macht einen großen Unterschied, aus welcher Quelle das Protein stammt – denn nicht alle werden vom Körper gleich gut aufgenommen. Selbst hochwertige Eiweiße wie Eiklar oder Milchprotein passieren zum Teil unverdaut den Darm. Manche Proteine gelangen bis in den Dickdarm – und können dort überraschende Wirkungen entfalten.
Nicht jedes Protein unterstützt die Verdauung richtig
Forscher der North Carolina State University haben untersucht, wie unterschiedlich einzelne Eiweißquellen im Körper verarbeitet werden. Dafür kamen sechs Varianten zum Einsatz: Soja, Kasein (Milch), brauner Reis, Hefe, Erbse und Eiklar.
Getestet wurde an zwei Gruppen von Mäusen – eine ohne Darmflora, die andere mit gesunder Mikrobiota. So ließ sich erkennen, welche Proteine im Dünndarm vollständig verarbeitet wurden und welche bis in den Dickdarm gelangten.
Einige Eiweiße gelangen komplett in den Dickdarm
Das überraschende Ergebnis: Alle Eiweißquellen – selbst die als „hochwertig“ geltenden – wurden teilweise nicht verdaut. Sie wanderten in den Dickdarm und standen dort der Darmflora als Nahrung zur Verfügung.
Besonders auffällig war das Eiweiß aus braunem Reis. In dieser Gruppe fanden die Forscher fast die Hälfte der aufgenommenen Proteine unverdaut im Stuhl wieder. Aber auch Eiklar schnitt schlechter ab als gedacht. Obwohl es beim international genutzten PDCAAS-Index als sehr hochwertig gilt, war der Anteil an Restprotein hoch.
Gelangen bestimmte Eiweiße regelmäßig unverdaut in den Dickdarm, kann das langfristig negative Effekte haben:
- Entzündungen im Darm
- Veränderung der Darmflora
- Einschränkungen bei der Nährstoffaufnahme
- Reaktionen auf Allergene oder antinutritive Stoffe
Protein-Verdauung wirkt sich direkt auf die Darmflora aus
Sobald Proteine im Dickdarm ankommen, können sie mit den dort lebenden Bakterien reagieren. Diese Darmbakterien nutzen das Eiweiß als Energiequelle – und verändern dabei ihre Aktivität. Die Studie zeigt: Je nach Proteinart entstehen unterschiedliche Stoffwechselprodukte.
Manche sind erwünscht – wie kurzkettige Fettsäuren, die entzündungshemmend wirken können. Andere Stoffe gelten dagegen als problematisch. Dazu gehören:
- Ammoniak
- Amine
- Schwefelverbindungen wie Schwefelwasserstoff
Diese Stoffe stehen im Verdacht, bei empfindlichen Personen Reizdarm-Symptome oder Entzündungen zu verstärken.
Einige Proteine blockieren sogar die Verdauung selbst
Nicht nur die Gesamtmenge zählt. Entscheidend ist, welche einzelnen Eiweiße in den Darm gelangen – und welche Wirkung sie dort entfalten. In Soja fanden die Forscher zum Beispiel den sogenannten Kunitz-Trypsin-Inhibitor. Dieser Stoff hemmt Verdauungsenzyme und kann somit die weitere Aufnahme von Nährstoffen behindern.
Auch in Erbsen wurden problematische Substanzen entdeckt: Lectine, die an Darmzellen binden und deren Funktion beeinträchtigen können. Im Eiklar trat Avidin auf – ein Protein, das das Vitamin Biotin bindet und damit dem Körper entzieht.
Das steckt in den getesteten Eiweißquellen
Die Forscher untersuchten nicht nur die Verdaulichkeit, sondern auch die Zusammensetzung der einzelnen Eiweißquellen. Das sind die Eiweißquellen im Vergleich:
Eiweißquelle | Besonderheiten | Verdaulichkeit |
---|---|---|
Brauner Reis | Enthält schwer verdauliche Prolamine | Sehr gering – höchste Rückstände im Stuhl |
Eiklar | Nur 44 Proteine, darunter Avidin und Lysozym – oft verdauungsresistent | Gering – viele Proteine bleiben erhalten |
Kasein (Milch) | Gut verdaulich, aber bakterielle Rückstände (Lactococcus lactis) enthalten | Hoch – Mikrobeneiweiße unverwertet |
Hefe | Über 1.400 Proteine, einige Zellwandbestandteile besonders stabil | Mittel – teils widerstandsfähige Proteine |
Soja & Erbse | Einige unverdauliche Bestandteile vorhanden | Gut – insgesamt hohe Verwertbarkeit |
Worauf es beim Einkauf ankommt
Die Studie zeigt: Es reicht nicht aus, zwischen pflanzlichem und tierischem Eiweiß zu unterscheiden. Wer gezielt auf seine Ernährung achtet, sollte genauer hinschauen. Auf diese Hinweise kann man im Alltag achten:
- Nicht jedes Eiweiß wird gleich gut verwertet
- Brauner Reis und Eiklar können schwer verdaulich sein
- Pflanzliche Proteine wie Soja oder Erbse schneiden besser ab als erwartet
- Kasein aus Milch bleibt gut verdaulich, enthält aber mikrobielle Reste
Für die Forscher ist klar: Die Proteinquelle zählt mehr als der tierische oder pflanzliche Ursprung. „Was im Dickdarm ankommt, hat großen Einfluss auf die Gesundheit“, warnt Studienleiterin Ayesha Awan. „Diese Effekte sind nicht immer im Sinne der Ernährungsziele.“
Kurz zusammengefasst:
- Nicht jedes Protein wird vollständig verdaut – einige gelangen in den Dickdarm und beeinflussen dort die Aktivität der Darmflora.
- Die Verdauung hängt stark von der Eiweißquelle ab, entscheidend ist nicht, ob das Protein pflanzlich oder tierisch ist, sondern wie es zusammengesetzt ist.
- Unverdaute Eiweiße können Entzündungen fördern, die Nährstoffaufnahme stören oder allergene Wirkungen entfalten – daher lohnt sich ein genauer Blick auf die Herkunft.
Übrigens: Viele Proteinriegel und Shakes klingen nach Fitness und Gesundheit – doch sie sättigen kaum und kosten mehr als sie bringen. Warum „High Protein“ oft nur ein teures Marketingversprechen ist, mehr dazu in unserem Artikel.
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