Warum manche trotz Fast Food gesunde Blutwerte haben – und was ihre Gene damit zu tun haben

Eine groß angelegte Studie mit Beteiligung der Charité zeigt: Nicht Ernährung oder Bewegung, sondern Gene entscheiden oft darüber, wie gesund unser Blut wirklich ist.

Gesunde Blutwerte trotz Fast Food – Gene machen es möglich

Eine neue Studie der Charité legt nahe, dass vor allem genetische Faktoren – und weniger Lebensstil – die Zusammensetzung des Bluts beeinflussen. © DALL-E

Warum bleibt der Cholesterinwert bei manchen Menschen hoch, obwohl sie gesund leben – während andere trotz ungesunder Ernährung stabile Werte haben? Eine internationale Studie unter Beteiligung der Berliner Charité liefert nun eine Antwort: Unsere Gene beeinflussen Blutwerte und Stoffwechsel weit stärker als gedacht.

Das Forschungsteam hat Daten von fast einer halben Million Menschen ausgewertet und daraus eine genetische Karte des Stoffwechsels erstellt – ein umfassendes Abbild der Verbindungen zwischen Genen und Blutwerten. Sie zeigt, wie stark Gene über Cholesterin, Diabetes und Herzkrankheiten mitentscheiden – und wo sich künftig gezielt ansetzen lässt, um Risiken früh zu erkennen.

Blutwerte als Spiegel des Stoffwechsels

Im Blut kreisen Tausende kleiner Moleküle, sogenannte Metaboliten. Sie entstehen bei Verdauung, Fettabbau oder Eiweißstoffwechsel und erlauben Rückschlüsse auf viele Krankheitsrisiken – vor allem bei Herz-Kreislauf-Erkrankungen. So kann ein dauerhaft erhöhter Cholesterinspiegel Gefäße verengen und das Risiko für Herzinfarkt oder Schlaganfall erhöhen.

Ob Blutwerte im gesunden Bereich liegen, hängt nicht allein von Ernährung oder Bewegung ab. Häufig bestimmt die genetische Veranlagung mit, wie der Körper Fette, Zucker und Eiweiße verarbeitet, heißt es in der Studie.

Die größte genetische Karte des Stoffwechsels

Für ihre Analyse nutzten die Forscher Daten aus der UK Biobank mit genetischen Informationen und Blutproben von rund 450.000 Menschen. Die Auswertung ergab:

  • 29.824 Verbindungen zwischen Genvarianten und Blutwerten
  • 753 Erbgutabschnitte mit Einfluss auf den Stoffwechsel
  • Rund die Hälfte dieser Abschnitte beeinflusste mehr als zehn Blutwerte gleichzeitig

Das Gen VEGFA stach bei der Analyse besonders hervor. Es spielt eine wichtige Rolle bei der Bildung von Blutgefäßen. In der Studie fiel auf, dass bestimmte Varianten dieses Gens die Struktur der HDL-Partikel verändern – also jener Cholesterinform, die als das „gute Cholesterin“ gilt, weil sie überschüssiges Fett aus dem Blut abtransportiert. Menschen mit dieser speziellen Genvariante hatten laut Studie ein 35 Prozent geringeres Risiko, eine koronare Herzkrankheit zu entwickeln. Das bedeutet: Ihre Erbanlage schützt das Herz, weil das HDL-Cholesterin bei ihnen offenbar besonders wirksam arbeitet.

„Die genetische Kartierung des Stoffwechsels hilft, Zusammenhänge zwischen Blutwerten und Krankheiten besser zu verstehen“, sagt Martijn Zoodsma vom Berlin Institute of Health (BIH). Daraus könnten neue Medikamente entstehen, die gezielt an diesen Schaltstellen ansetzen.

Seltene Genvarianten mit großer Wirkung

Neben häufigen Varianten untersuchten die Forscher auch seltene Genveränderungen – oft mit deutlichen Effekten:

  • Varianten in SLC13A5 führten zu stark erhöhten Citratwerten
  • APOA1 beeinflusste Zusammensetzung und Größe von HDL-Partikeln
  • JAK2 stand mit über 70 Stoffwechselmerkmalen in Verbindung

Diese seltenen Veränderungen können ganze Stoffwechselwege verändern – und damit erklären, warum manche Menschen trotz gesunder Lebensweise erhöhte Werte zeigen.

Risiko für Herz und Kreislauf besser abschätzen

Insgesamt fanden die Wissenschaftler über 1.000 Verbindungen zwischen genetisch geprägten Blutmerkmalen und Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Solche Marker könnten künftig helfen, gefährdete Personen frühzeitig zu identifizieren.

Ein weiterer Befund betrifft Typ-2-Diabetes: Der Entzündungsmarker Glycoprotein Acetyl stand in engem Zusammenhang mit der Krankheit. Menschen mit genetisch bedingt hohen Werten hatten ein um 67 Prozent erhöhtes Risiko, an Diabetes zu erkranken. Solche Erkenntnisse könnten helfen, Personen mit familiärer Vorbelastung gezielter zu überwachen.

Was die Ergebnisse für Medizin und Prävention bedeuten

Die Ergebnisse gelten über Geschlechter und Herkunftsgruppen hinweg – und sind damit für die breite Bevölkerung von Bedeutung. Für die medizinische Praxis bedeutet das: Krankheitsrisiken lassen sich künftig präziser einschätzen, Therapien gezielter an genetische Schwachstellen anpassen und neue Medikamente besser entwickeln.

„Medikamente zur Senkung erhöhter Blutfettwerte haben Millionen Menschen das Leben gerettet“, sagt Maik Pietzner vom BIH. „Unsere Daten könnten helfen, neue Wege zur Prävention zu erschließen.“

Kurz zusammengefasst:

  • Gene steuern den menschlichen Stoffwechsel weit stärker, als bisher angenommen – sie beeinflussen Blutwerte wie Cholesterin oder Blutzucker ebenso wie das Risiko für Herzkrankheiten und Diabetes.
  • Eine internationale Studie mit Beteiligung der Charité hat aus Daten von 450.000 Menschen eine genetische Karte erstellt, die zeigt, welche Erbgutabschnitte welche Stoffwechselprozesse steuern.
  • Dieses Wissen könnte helfen, Krankheitsrisiken präziser einzuschätzen, Medikamente gezielter zu entwickeln und Prävention individueller zu gestalten.

Übrigens: Schon kurz nach der Befruchtung entscheidet sich, wie schnell unsere Zellen altern. Ob die Telomere vom Vater oder der Mutter stammen, kann spätere Krankheiten beeinflussen – mehr dazu in unserem Artikel.

Bild: © DALL-E

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert