Neue Erkenntnisse: Warum das Gehirn soziale Interaktionen braucht

Unser Gehirn profitiert von sozialen Interaktionen. Studien zeigen, dass soziale Unterstützung kognitive Fähigkeiten stark verbessert.

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Wenn uns andere unterstützen, steigert dies unsere geistige Leistungsfähigkeit. © Midjourney

Unser Gehirn ist ein erstaunliches Organ. Es hat etwa so viele neuronale Verbindungen wie die Milchstraße Sterne. Doch das allein erklärt nicht, wie wir denken und handeln. Moderne Neuroimaging-Methoden zeigen, dass bestimmte Hirnregionen für bestimmte Funktionen verantwortlich sind. So verliert ein Mensch, der einen Schlaganfall im Okzipitallappen erleidet, die Fähigkeit, visuelle Informationen richtig zu verarbeiten.

Soziales Umfeld unterstützt effektiv kognitive Fähigkeiten

Doch das ist nur die halbe Wahrheit, sagt der klinische Psychologe Huw Green im Guardian. Kognitive Fähigkeiten hängen stark von unserem sozialen Umfeld ab. Ein Beispiel dafür ist Emily, eine ältere Frau mit Gedächtnisproblemen. Trotz ihrer Einschränkungen lebte sie glücklich in ihrer Gemeinschaft. Sie erkannte ihre Nachbarn oft nicht wieder, aber ihre fröhliche Art und die Unterstützung ihres Umfelds halfen ihr, ein erfülltes Leben zu führen.

Vygotsky zeigt klar die Bedeutung des sozialen Lernens

Der sowjetische Psychologe Lev Vygotsky erkannte laut Green schon vor fast hundert Jahren die Bedeutung des sozialen Kontexts für die Entwicklung des Denkens. Kinder übernehmen beim Spielen oft die Anweisungen, die sie von Erwachsenen gehört haben. Vygotsky sagte: „Die Entstehung des individuellen Denkens kann als Internalisierung des interpersonellen Dialogs verstanden werden.“

Das Gehirn als soziales Organ

Unsere kognitiven Fähigkeiten können laut Green nicht isoliert betrachtet werden. Ein Mann mit Gedächtnisverlust nach einem Sauerstoffmangel im Gehirn zeigte erst in einem klinischen Umfeld seine Defizite. In seinem Alltag fielen sie seiner Frau kaum auf. Dies zeigt, wie sehr unsere kognitiven Fähigkeiten von den Anforderungen und Unterstützungen unseres sozialen Umfelds abhängen.

Soziales Umfeld stärkt das Denken

Diese Erkenntnisse haben praktische Auswirkungen. Menschen mit kognitiven Einschränkungen profitieren stark von einem unterstützenden sozialen Umfeld. Auch in der Demokratie zeigt sich, wie wichtig soziale Interaktionen sind: Wichtige Entscheidungen werden gemeinsam in Diskussionen und Debatten getroffen, nicht allein.

Gehirnschäden verursachen zwar kognitive Beeinträchtigungen, doch deren Ausmaß hängt stark vom sozialen Umfeld ab. Der Guardian-Autor betont:

Kognition existiert nicht nur im Kopf, sondern auch in den Beziehungen zu anderen Menschen.

Soziales Modell der Behinderung

Laut People with Disability Australia steht das soziale Modell der Behinderung steht im Gegensatz zum sogenannten medizinischen Modell der Behinderung. Dem sozialen Modell zufolge ist „Behinderung“ sozial konstruiert.

Das medizinische Modell betrachtet „Behinderung“ als einen Gesundheitszustand, mit dem sich medizinische Fachkräfte befassen. Menschen mit Behinderungen werden als anders angesehen, also nicht als „normal“. „Behinderung“ wird als „Problem des Einzelnen“ betrachtet. Eine Person mit Behinderung muss also geheilt werden. Aus dieser Sicht ist Behinderung eine Tragödie und Menschen mit Behinderung sind zu bemitleiden. Das medizinische Modell der Behinderung dreht sich ausschließlich darum, was eine Person nicht tun und nicht sein kann.

Das soziale Modell betrachtet „Behinderung“ als das Ergebnis der Interaktion zwischen Menschen mit Behinderungen und einer Umgebung voller physischer, einstellungsbezogener, kommunikativer und sozialer Barrieren. Es impliziert daher, dass sich diese Umgebung ändern muss, damit Menschen mit Behinderungen gleichberechtigt mit anderen an der Gesellschaft teilnehmen können.

Das soziale Modell leugnet weder die Realität der Beeinträchtigung noch deren Auswirkungen auf den Einzelnen. Sie stellt jedoch die Rahmenbedingungen in Frage.

Gesundes Gehirn – Use it or lose it

Um starke Muskeln zu bekommen, muss man viel körperlich aktiv sein. Regelmäßiges Training, Kraftübungen und Gewichtheben sind wichtige Aktivitäten dafür. Der Ausdruck „Use it or lose it“ beschreibt treffend, wie man Muskeln aufbaut und erhält. Das Gehirn ist keine Muskelmasse, sondern besteht aus vielen kleinen Nervenzellen, den sogenannten Neuronen. Diese Neuronen senden Signale zueinander und kommunizieren durch chemische Stoffe, die Neurotransmitter genannt werden. Auch wenn Gehirnzellen keine Muskelfasern sind, gilt für sie dasselbe Prinzip: „Use it or lose it“, heißt es etwa in einem Bericht der Utah State University. Wenn eine Gehirnzelle nicht genutzt wird oder nicht mit benachbarten Zellen kommuniziert, verliert sie ihre Funktion.

Gehirnleistung steigern: Zehn Tipps für mehr mentale Power

Die folgenden Tipps, die Braineffect empfiehlt, können die geistige Leistungsfähigkeit deutlich steigern.

Regelmäßiger Sport verbessert nicht nur die körperliche Fitness, sondern auch die Gehirnleistung. Bewegung erhöht die Sauerstoffzufuhr zum Gehirn. Ein ruhiges Umfeld ohne Ablenkungen hilft, die Konzentration zu fördern. Eine ausgewogene Ernährung, besonders ein reichhaltiges Frühstück, liefert die notwendigen Nährstoffe für das Gehirn. Ausreichendes Trinken, mindestens zwei Liter täglich, ist ebenso wichtig.

Notizen helfen, wichtige Informationen festzuhalten und das Gehirn zu entlasten. Eine positive Einstellung und realistische Ziele unterstützen die mentale Gesundheit. Guter Schlaf, etwa sieben bis acht Stunden pro Nacht, ist unerlässlich für die kognitive Erholung. Visuelle Hilfen wie Diagramme oder Post-Its machen komplexe Informationen verständlicher. Kreative Tätigkeiten und regelmäßige Pausen bieten einen Ausgleich und fördern das Denken. Eine strukturierte Tagesplanung hilft, das Gehirn nicht mit unnötigen Informationen zu überlasten.

Was du dir merken solltest:

  • Gehirnschäden können das Denken beeinträchtigen, aber das soziale Umfeld spielt eine große Rolle dabei.
  • Unterstützung und Kontakte mit anderen Menschen fördern unsere geistige Leistungsfähigkeit.
  • Denken passiert nicht nur im Gehirn, sondern auch durch unsere Beziehungen zu anderen Menschen.

Bild: © Midjourney

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