Telefonieren gegen Einsamkeit? – So viel helfen Anrufe wirklich

Einsamkeit macht krank: Eine aktuelle Studie zeigt, wie viel Telefonieren bringt und wann nur persönliche Nähe schützt.

Telefonieren gegen Einsamkeit? – So viel helfen Anrufe wirklich

Telefonate können kurzfristig Stress senken, ersetzen aber nicht die Wirkung persönlicher Begegnungen. © Pexels

Manchmal reicht schon ein kurzes Telefonieren, um das Gefühl von Einsamkeit für einen Moment zu vertreiben. Doch wenn echte Begegnungen seltener werden und soziale Kontakte langsam wegbrechen, können Gespräche am Telefon nur noch bedingt helfen. Was hält Körper und Seele wirklich gesund? Die Langzeitstudie Harvard Study of Adult Development gibt überraschende Antworten.

Über 80 Jahre Forschung decken auf, was wirklich zählt

Seit den 1930er-Jahren begleitet die Harvard-Studie rund 2.000 Menschen aus verschiedenen sozialen Schichten. Heute gilt sie als die längste Studie der Welt, die untersucht, was ein glückliches und gesundes Leben ausmacht. Über acht Jahrzehnte hinweg zeigt sich ein klares Ergebnis: Nicht Reichtum, Ruhm oder beruflicher Erfolg machen langfristig zufrieden. Entscheidend sind stabile, enge und verlässliche soziale Beziehungen.

Robert Waldinger, einer der Studienleiter, bringt es auf den Punkt: „Wenn wir alle 84 Jahre der Harvard-Studie nehmen und sie zu einem einzigen Lebensprinzip zusammenfassen, wäre dieses: Gute Beziehungen machen uns gesünder und glücklicher.“ Menschen mit festen Bindungen bleiben geistig wacher, leiden seltener unter Depressionen und haben ein geringeres Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen.

Verlässliche Kontakte schützen vor Krankheit

Entscheidend ist nicht, wie viele Bekannte jemand hat, sondern wie eng und verlässlich die Beziehungen sind. Wer weiß, dass er sich im Ernstfall auf seine Familie, Freunde oder Partner verlassen kann, empfindet weniger Stress. Das wiederum wirkt sich direkt auf den Körper aus: Blutdruck und Stresshormone bleiben stabiler, Entzündungswerte sinken. Auch das Risiko für Demenz verringert sich.

Die Forscher der Harvard-Studie warnen, dass Einsamkeit ähnlich schädlich sein kann wie Alkoholmissbrauch oder starkes Rauchen. Wer über längere Zeit allein ist, belastet seinen Körper massiv. Das Herz-Kreislauf-System leidet, das Immunsystem wird geschwächt. Gleichzeitig steigt das Risiko für Depressionen und Angststörungen.

Aktive Pflege von Beziehungen als Selbstfürsorge

Deshalb betonen die Wissenschaftler, dass Beziehungspflege genauso wichtig ist wie Sport, gesunde Ernährung oder ausreichend Schlaf. Schon regelmäßige kurze Gespräche, gemeinsame Mahlzeiten oder ein Spaziergang mit Freunden stärken das seelische Gleichgewicht. Wer sich aktiv um seine Kontakte kümmert, schützt sich selbst vor gesundheitlichen Folgen.

Natürlich lassen sich persönliche Treffen nicht immer umsetzen. Besonders im Alter, bei Krankheit oder großen Entfernungen wird es oft schwierig. Hier helfen Telefonate, zumindest einen Teil der Nähe aufrechtzuerhalten. Doch ersetzen können sie das direkte Miteinander nicht. Das bestätigt auch eine aktuelle Untersuchung der University of Texas.

Telefonieren lindert Einsamkeit nur kurzzeitig

Shiyang Zhang, der die Studie an der University of Texas leitete, untersuchte ältere Menschen im Alter zwischen 65 und 90 Jahren. Sein Fazit: Nur persönliche Treffen reduzieren Einsamkeit auf Dauer. Telefonate und digitale Kommunikation schaffen zwar eine gewisse Verbundenheit, reichen aber emotional nicht an den direkten Kontakt heran.

Telefonate und digitale Medien bieten nicht die gleiche emotionale Nähe und Geborgenheit wie ein Besuch und ein damit verbundenes persönliches Gespräch von Angesicht zu Angesicht.

Shiyang Zhang

Trotzdem lohnen sich Anrufe. Auch kurze Telefonate können helfen, den Stresspegel zu senken. Sie vermitteln Nähe, sorgen für kleine Glücksmomente und wirken stärker als bloße Textnachrichten. Wer regelmäßig telefoniert, bleibt besser mit seinen Liebsten verbunden. Gerade an stressigen Tagen reicht manchmal ein zehnminütiges Gespräch, um sich weniger allein zu fühlen.

Warum schon kleine Gesten große Wirkung zeigen

Der menschliche Körper reagiert sehr sensibel auf soziale Signale. Ein freundliches Wort, eine vertraute Stimme am Telefon oder ein gemeinsames Lachen setzen Glückshormone frei. Das Nervensystem beruhigt sich, der Blutdruck sinkt, das Herz schlägt ruhiger. Diese Effekte spüren viele sofort. Über Monate und Jahre hinweg stärken solche positiven Erfahrungen langfristig die Gesundheit.

Gerade im höheren Lebensalter steigt das Risiko für Einsamkeit stark an. Kinder ziehen weg, der Partner verstirbt vielleicht, Freundeskreise schrumpfen. Deshalb wird es umso wichtiger, aktiv auf bestehende Kontakte zuzugehen. Angehörige, Nachbarn oder alte Freunde können helfen, das Gefühl von Verbundenheit aufrechtzuerhalten.

So gelingt es, soziale Kontakte lebendig zu halten

Schon kleine Strategien helfen, Beziehungen zu pflegen:

  • Feste Telefontermine mit Freunden oder der Familie vereinbaren
  • Geburtstage und wichtige Ereignisse bewusst zum Gespräch nutzen
  • Gemeinsame Hobbys suchen, die regelmäßige Treffen ermöglichen
  • Offene Kommunikation über eigene Gefühle und Wünsche fördern

Die Harvard-Studie liefert eine klare Botschaft: Wer in seine sozialen Beziehungen investiert, schützt sich nicht nur vor Einsamkeit, sondern stärkt auch Körper und Seele langfristig.

Kurz zusammengefasst:

  • Gute und verlässliche soziale Beziehungen sind der wichtigste Faktor für ein glückliches, gesundes und langes Leben – wichtiger als Geld oder Karriere, zeigt die Harvard Study of Adult Development.
  • Einsamkeit belastet den Körper ähnlich stark wie Rauchen oder Alkoholmissbrauch und erhöht das Risiko für Herzkrankheiten, Depressionen und Demenz.
  • Persönliche Treffen wirken am stärksten gegen Einsamkeit, aber auch regelmäßiges Telefonieren kann kurzfristig Stress reduzieren und das Gefühl von Verbundenheit stärken.

Übrigens: Nicht nur Telefonieren kann Einsamkeit lindern. Auch nostalgische Erinnerungen stärken das Wohlbefinden und helfen, Stress und soziale Isolation besser zu bewältigen. Mehr dazu in unserem Artikel.

Bild: © Pexels

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