Besser als alle anderen: Warum Singapur die PISA-Studie dominiert

Der Stadtstaat Singapur in Südostasien führt das Ranking der aktuellen PISA-Studie an. Das Bildungssystem des Landes setzt bereits früh an – das hat auch negative Konsequenzen.

PISA Studie Singapur

Schulkinder in Singapur müssen einiges leisten: Das Bildungssystem fördert Kinder schon im Vorschulalter intensiv, mit besonderem Fokus auf Zweisprachigkeit, Kreativität und unternehmerische Fähigkeiten. © Wikimedia

Ein kleines Land in Südostasien hat laut Ranking das effizienteste Bildungssystem der Welt: An der Spitze der PISA-Studie steht nämlich Singapur. Dass der Stadtstaat im Bildungsvergleich so gut abschneidet, hat seine Gründe, um die man die Schüler im Land nicht immer beneiden kann.

Alle drei Jahre überprüft die PISA-Studie (Programme for International Student Assessment) die Fähigkeiten 15-jähriger Schüler in den Bereichen Mathematik, Lesekompetenz und Naturwissenschaften. In der letzten Ausgabe der Studie, die im Jahr 2022 erschienen ist, konnte sich der Stadtstaat Singapur an die Spitze setzen. Im internationalen Vergleich stand das Land damit deutlich besser da als Deutschland. Aber was macht Singapur anders und sollte sich Deutschland ein Beispiel daran nehmen? Journalisten der ARD haben sich mit dem Geheimnis dieses Erfolgs beschäftigt.

Unternehmergeist von klein auf

In Singapur beginnt die Bildung für zukünftige Führungskräfte bereits sehr früh: Ein Beispiel dafür ist die fünfjährige Aly, die bereits im Kindergarten Trehaus eigene unternehmerische Aktivitäten entwickelt. Sie hat ein Café eröffnet, in dem sie selbstgebackene Kekse und den von ihr erfundenen „Marshmallow-Babyccino“ verkauft. Aly ist Teil eines Programms, das Kindern beibringt, unternehmerisch zu denken und Verantwortung zu übernehmen. Dieser private Kindergarten fördert gezielt „Soft Skills“ wie Teamarbeit, Kreativität und kritisches Denken.

Die Mutter von Aly erklärt, es gehe in Trehaus nicht nur um akademische Erfolge, sondern auch darum, wie Kinder ihre Emotionen managen und sich in Gruppen verhalten. Neben dem Erwerb dieser Fähigkeiten lernen die Kinder dort auch zweisprachig zu lesen, schreiben und rechnen. In Singapur sind Englisch, Chinesisch, Malaiisch und Tamil Amtssprachen. Daher gehört das Erlernen von zwei Sprachen zur Grundausstattung im Bildungswesen.

Bildung als Schlüsselressource

Singapurs Bildungssystem legt großen Wert auf Zweisprachigkeit. Seit den 1960er Jahren ist dies ein Eckpfeiler der Bildung, erklärt Regierungschef Lawrence Wong. Laut Wong hätten die meisten Menschen in Singapur die Vorteile der Zweisprachigkeit erkannt und würden diese wertschätzen. Der Stadtstaat gilt als rohstoffarm, weshalb Bildung als entscheidende Ressource betrachtet wird. In Deutschland haben wir eigentlich eine ähnliche Situation. Wir sollten uns diesbezüglich ein Beispiel an Singapur nehmen. Dort hat die Regierung auch die Zahl der Ganztagsbetreuungsplätze in den letzten zehn Jahren verdoppelt, um frühkindliche Bildung stärker zu fördern.

Die Bedeutung von Bildung spiegelt sich auch in den internationalen Vergleichen wider. Singapur nimmt bei der Pisa-Studie der OECD (Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung) Spitzenplätze in Mathematik, Naturwissenschaften und Lesekompetenz ein. In diesen Tests geht es nicht nur um das reine Auswendiglernen, sondern auch um den Transfer von Wissen und Problemlösungsfähigkeiten.

StaatMathematikLesekompetenzNaturwissenschaften
OECD-Durchschnitt472476485
Singapur575543561
Japan536516547
Korea, Republik527515528
Schweiz508483503
Österreich487480491
Deutschland475480492
PISA-Vergleich der Schülerleistungen in verschiedenen Bereichen (durchschnittliche Punktzahl), Zahlen vom Statistischen Bundesamt.

Ganztagsbetreuung und Leistungsdruck

Das Bildungssystem in Singapur ist darauf ausgerichtet, schon früh Fähigkeiten zu fördern, die für die zukünftige Arbeitswelt relevant sind. Neben den staatlich lizenzierten privaten Einrichtungen wie Trehaus gibt es auch öffentliche Kindergärten, die von 7 Uhr morgens bis 7 Uhr abends betreuen. Diese langen Betreuungszeiten sollen es ermöglichen, dass beide Elternteile voll berufstätig bleiben können.

Zusätzlich zur regulären schulischen Bildung spielt der sogenannte „Tuition“-Sektor eine große Rolle. Hierbei handelt es sich um außerschulischen Unterricht, der dazu dient, Schüler gezielt auf Prüfungen vorzubereiten. Dieser Sektor ist ein milliardenschwerer Markt. Laut einer Erhebung der singapurischen Statistikbehörde haben Familien allein im Haushaltsjahr 2017/2018 etwa eine Milliarde Euro für private Nachhilfestunden ausgegeben.

Kritik an Leistungsdruck und Folgen für die psychische Gesundheit

Rund 70 Prozent der Kinder in Singapur nehmen diese zusätzliche Förderung in Anspruch, auch wenn sie nicht verpflichtend ist. Viele Eltern sind der Meinung, dass ihre Kinder ohne diese zusätzliche Unterstützung in der leistungsorientierten Gesellschaft nicht mithalten können. Es gibt jedoch auch Kritik an den Auswirkungen dieses Leistungsdrucks. Die PISA-Studie hat ergeben, dass viele Schüler unter mangelnder Unterstützung durch ihre Familien leiden und weniger Sport treiben als der OECD-Durchschnitt.

Übrigens: Woran man erkennen kann, ob ein Kind unter psychischen Belastung leidet, ist in unserem Artikel nachzulesen.

Professor John Wong von der National University of Singapore (NUS) hat laut Tagesschau in einer Studie die psychischen Auswirkungen dieses hohen Leistungsdrucks untersucht. Wong zufolge leidet etwa einer von zehn Jugendlichen in Singapur an einer psychischen Störung. 41 Prozent der Betroffenen hätten Angststörungen, und 15 Prozent zeigten depressive Symptome. Gerade der vorschulische Bereich steht laut Wong in der Pflicht, einen positiven Beitrag zur mentalen Gesundheit der Kinder zu leisten: „Sie legt den Grundstein für die Entwicklung eines Kindes.“

Was du dir merken solltest:

  • Singapurs Bildungssystem setzt bereits im Vorschulalter auf eine umfassende Förderung mit Schwerpunkten auf Zweisprachigkeit, Kreativität und unternehmerischem Denken.
  • Trotz der Spitzenleistungen von Singapur im Ranking der PISA-Studie führt der hohe Leistungsdruck zu psychischen Belastungen bei vielen Schülern, wie Angststörungen und Depressionen.
  • Ein großer Teil der Kinder erhält zusätzlich privaten Nachhilfeunterricht, um in der stark wettbewerbsorientierten Gesellschaft mithalten zu können.

Übrigens: Auch beim kreativen Denken hat Singapur die Nase vorn, Deutschland schneidet laut PISA-Studie in diesem Bereich ebenfalls nur mittelmäßig ab – mehr dazu in unserem Artikel.

Bild: © JinKai97 via Wikimedia unter CC BY-SA 3.0

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