Zinsen bleiben hoch: Was Fachkräftemangel und Klimawandel damit zu tun haben
Sinkende Geburtenraten und der Klimawandel führen zu langfristig höheren Zinsen. Weniger Arbeitskräfte und höhere Investitionen treiben die Inflation und beeinflussen die Finanzmärkte.
Die niedrige Geburtenrate wird nicht nur das Gesellschaftsbild verändern, sondern auch die Finanzwelt erheblich beeinflussen. Diese Veränderungen führen dazu, dass die Zinsen in Zukunft strukturell höher sein werden als in der Vergangenheit. Dies hat wichtige Konsequenzen für Anleger.
In Deutschland sind die Geburtenraten 2023 laut Statistischem Bundesamt auf rund 693.000 gesunken, der niedrigste Wert seit 2013. Diese Entwicklung betrifft mittlerweile nicht nur Deutschland, sondern auch andere bevölkerungsreiche Länder wie die USA, Mexiko, Indien, Brasilien und China. Experten vermuten, dass die Weltbevölkerung bald schrumpfen könnte. Diese demographischen Veränderungen werden erhebliche Auswirkungen auf die Finanzwelt haben.
Demographische Veränderungen und die Finanzwelt
Laut der FAZ beeinflussen die demographischen Veränderungen die Zinsen langfristig. Christian Kopf, Leiter des Portfoliomanagements für Anleihen bei der Fondsgesellschaft Union Investment, erklärt: „So gut wie alle strukturellen Faktoren deuten auf längerfristig höhere Zinsen hin.“ Wenn immer mehr Menschen in Rente gehen und weniger junge Arbeitskräfte nachrücken, steigt der Lohn. Dies führt zu höherer Inflation und somit zu höheren Zinsen für längerfristige Anleihen.
Der Fachkräftemangel, der aktuell stark diskutiert wird, ist ein erstes Zeichen dieser Entwicklung. Die sogenannten Babyboomer, die geburtenstarken Jahrgänge bis etwa 1968, treten vermehrt in den Ruhestand. Diese Menschen haben bis zu diesem Zeitpunkt das meiste Geld angespart und beginnen nun, ihre Ersparnisse aufzulösen. Wenn viele Menschen gleichzeitig ihre Anleihen verkaufen, sinken deren Kurse und die Verzinsung steigt automatisch. Da es weniger junge Sparer gibt, bleibt dieser Effekt bestehen.
Japan als Gegenbeispiel
Ein Einwand gegen diese These kommt aus Japan, dem Land mit der ältesten Bevölkerung. Dort waren die Zinsen trotz dieser demographischen Entwicklung lange Zeit sehr niedrig. Die Ökonomen Charles Goodhart und Manoj Pradhan erklären dies in ihrem Buch „The Great Demographic Reversal“ damit, dass japanische Firmen viel Produktion nach China auslagerten. Dies verhinderte einen Arbeitskräftemangel und überlagerte die zinssteigernden demographischen Effekte.
Heute jedoch sei die Situation weltweit anders. Aufgrund von Handelskonflikten zwischen den USA und China hat sich die weltweite Arbeitsteilung verschlechtert, was Inflation und Zinsen treibt. Außerdem leidet China nun selbst unter den Auswirkungen seiner demographischen Entwicklung.
Klimawandel und technische Fortschritte
Ein weiterer Faktor, der zu steigenden Zinsen führt, ist der Klimawandel. Der Wandel hin zu einer klimafreundlicheren Gesellschaft ist ökonomisch brutal, erklärt Christian Kopf. Viel Sachkapital, wie Kohlekraftwerke oder Dieselautos, wird obsolet und muss durch neue Investitionen, wie Solarparks, ersetzt werden. Dadurch steigt der Investitionsbedarf und es gibt mehr Anlagemöglichkeiten, aber weniger Geld, das angelegt werden kann. Dies führt ebenfalls zu höheren Zinsen.
Technischer Fortschritt könnte theoretisch helfen, die Kosten zu senken. Doch laut dem Ökonomen Daron Acemoğlu wird Künstliche Intelligenz in den kommenden Jahren die Produktivität nur geringfügig verbessern. Die Erwartungen seien in dieser Hinsicht übertrieben.
Die Auswirkungen auf Anleger
Höhere Zinsen sind für Sparer zunächst eine gute Nachricht. Nach Abzug der Inflation bleibt der Zinsanstieg bestehen, was die realen Erträge erhöht. Für Kreditnehmer, beispielsweise beim Hauskauf, ist diese Entwicklung jedoch nachteilig. Aktien und Anleihen müssen in diesem neuen Zinsumfeld eine neue Balance finden. Anleihen werden im Vergleich zu Aktien attraktiver, wenn die Zinsen steigen, sagt Christian Kopf.
Profis kaufen derzeit vor allem Anleihen mit kurzen und mittleren Laufzeiten von bis zu fünf Jahren. Der erwartete künftige Zinsanstieg könnte ansonsten zu einem Timing-Problem führen: Nach dem Zinsanstieg könnten die Mittel für Investitionen in Anleihen mit höheren Zinskupons fehlen.
Langfristige Perspektiven
Diese Entwicklungen zeigen, dass strukturell höhere Zinsen wohl bleiben werden. Demographische Veränderungen und der Klimawandel sind starke Treiber dieser Entwicklung. Investoren sollten diese Faktoren bei ihren Anlageentscheidungen berücksichtigen und entsprechend strategisch vorgehen.
Was du dir merken solltest:
- Die sinkenden Geburtenraten weltweit führen dazu, dass die Zinsen langfristig höher bleiben werden, da weniger Arbeitskräfte höhere Löhne und damit höhere Inflation bedeuten.
- Der Klimawandel und die notwendigen Investitionen in klimafreundliche Technologien erhöhen den Investitionsbedarf, was ebenfalls zu steigenden Zinsen beiträgt.
- Höhere Zinsen sind für Sparer vorteilhaft, führen jedoch zu höheren Kosten für Kreditnehmer und erfordern eine neue Balance zwischen Aktien und Anleihen in Anlageportfolios.
Bild: © Vecteezy
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