Karriereende? Millennial-Frauen lassen den „Girlboss“-Mythos hinter sich

Viele Frauen wenden sich zunehmend gegen den „Girlboss“-Feminismus und die aufopfernde Arbeitskultur.

Girlboss

Viele Frauen akzeptieren die aufopfernde Arbeitskultur, um eine "Girlboss"-Karriere zu verfolgen. © Vecteezy

Verena Bogner berichtet von ihren Erfahrungen in der Arbeitswelt, die sie inzwischen hinter sich gelassen hat – genauso wie den „Girlboss“-Mythos.

Laut dem Standard arbeitete sie beim Österreich-Ableger des Vice-Magazins und leitete die feministische Plattform Broadly. Bogner sagt, sie habe das Mantra „Wir sind hier eine Familie“ ernst genommen und sich sehr engagiert. Überstunden und vertagte Gehaltsverhandlungen nahm sie anfangs hin. Doch mit der Zeit wurde sie desillusioniert. Bei Stellenkürzungen erkannte sie, dass für den Arbeitgeber nur Zahlen zählen. So geht es auch zahlreichen anderen Frauen.

Lazy Girl statt Girlboss-Karriere

Bogner arbeitet weiterhin als Journalistin, jedoch selbstständig. Ihr Buch „Not Your Business, Babe“, das bei Kiepenheuer & Witsch erschien, behandelt ihre Abrechnung mit dem „Girlboss“-Feminismus und der aufopfernden Arbeitskultur. Gabrielle Judge, eine ehemalige Tech-Mitarbeiterin, prägte den Begriff „Lazy Girl Jobs“ und postet auf Tiktok als „Anti Work Girlboss“. Sie propagiert entspanntes Arbeiten für das Überleben. In Großstädten, wo selbst respektable Gehälter oft nur die Miete decken, findet diese Idee großen Anklang.

Sheryl Sandbergs Bestseller „Lean In: Frauen und der Wille zum Erfolg“ aus dem Jahr 2013 wirkt heute aus der Zeit gefallen. Darin fordert die Facebook-Managerin harte Arbeit und Durchsetzungskraft, um in der Liga der mächtigen Männer mitzuspielen. Dieser Eliten-Feminismus hat an Glanz verloren. Der „Girlboss“-Feminismus vermittelte die Botschaft, dass Frauen, die sich nach oben kämpfen, etwas für alle Frauen erreichen. Diese Erzählung ignoriert jedoch Klassenverhältnisse und rassistische Diskriminierung.

Wertewandel am Arbeitsmarkt

Ursula Löffler, Senior Partner beim Personalberatungsunternehmen Hill Woltron, sieht die Ansprüche an die Arbeitswelt im Wandel. Junge Menschen suchen stärker nach sinnstiftenden Tätigkeiten. Auf Social Media sind „Bullshit-Jobs“ ein geflügeltes Wort. Frauen sind besser denn je für den Berufseinstieg gerüstet, in Österreich haben sie bei den Bildungsabschlüssen die Männer überholt. 2021 hatten 21,9 Prozent der Frauen einen Hochschulabschluss, im Vergleich zu 17,5 Prozent der Männer. Auf dem Arbeitsmarkt konnten sie diesen Vorsprung jedoch noch nicht einlösen. Noch immer übernehmen Frauen überwiegend Care-Arbeit.

Tanja Stolz kehrte dem Büroalltag den Rücken und arbeitet heute als selbstständige Fotografin. Nach ihrem Studienabschluss arbeitete sie in zwei großen Werbeagenturen und als Pressesprecherin. Ihre erste Schwangerschaft brachte eine nachhaltige Veränderung. Stolz wollte nicht in Teilzeit arbeiten, aber auch für ihre Familie da sein. Der Weg in die Fotografie ergab sich durch einen Zufall. Stolz sagt, sie verliere sich in dieser Arbeit und fühle sich erfüllt.

Selbstbestimmtes Arbeiten ist für Stolz heute unabdingbar. Sie sagt, der Druck, jeden Tag funktionieren zu müssen, sei weg. Termine könne sie im Notfall verschieben, da ihre Kunden meist selbst Eltern seien und Verständnis zeigten. Neben Babyfotografie bietet sie auch Business- und Porträtfotografie an. Stolz möchte, dass sich ihre Arbeit ihren Lebensverhältnissen anpasst, und nicht umgekehrt.

Solidarity-Girlbosses

Verena Bogner glaubt nicht, dass Veränderungen bereits in der Arbeitswelt angekommen sind. In den Chefsesseln sitzen immer noch jene, die Selbstausbeutung von ihren Mitarbeitern fordern. Sie schreibt in ihrem Buch, dass die Zeit der Girlbosses vorbei sei und jetzt die (Girl-)Unions kämen. Radikale Solidarität sei das zukunftsweisende Konzept.

Was du dir merken solltest:

  • Verena Bogner, die früher beim Vice-Magazin und der feministischen Plattform Broadly arbeitete, beschreibt ihre desillusionierenden Erfahrungen mit der arbeitsintensiven „Girlboss“-Kultur und propagiert nun selbstständiges, entspanntes Arbeiten, wie es in ihrem Buch „Not Your Business, Babe“ thematisiert wird.
  • Der Begriff „Lazy Girl Jobs“, geprägt von Gabrielle Judge, steht für eine Arbeitsweise, die das Überleben durch entspanntes Arbeiten ermöglicht, was besonders in Großstädten mit hohen Lebenshaltungskosten Anklang findet, während der „Girlboss“-Feminismus zunehmend an Bedeutung verliert.
  • Der Arbeitsmarkt erlebt einen Wertewandel, wobei junge Menschen vermehrt nach sinnstiftenden Tätigkeiten suchen, Frauen in der Bildung vorne liegen, aber immer noch hauptsächlich Care-Arbeit leisten, und Selbstständigkeit für einige, wie die Fotografin Tanja Stolz, eine erfüllende Alternative zur traditionellen Büroarbeit darstellt.

Bild: © Vecteezy

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