Englischsprachiges Phänomen: Wie Amerika Angst in die Welt exportiert

Die Darstellung psychischer Erkrankungen und Negativität in den Medien lassen Angst in Amerika boomen. Auch andere Länder leiden drunter.

Amerika Angst

Das Smartphone ist zwar weltweit im Einsatz, doch die Angst unter Jugendlichen nimmt vor allem in englischsprachigen Ländern zu. © Midjourney

In den letzten Jahren hat sich ein alarmierendes Muster gezeigt: Während der Einsatz von Smartphones weltweit zunimmt, steigt die Angst unter Jugendlichen hauptsächlich in englischsprachigen Ländern. Dies veranschaulicht eine Studie, die im „World Happiness Report“ veröffentlicht wurde. In dem Bericht wurden Glückszustände in über 140 Ländern analysiert. Von 2006 bis 2023 hat das Glück von Personen unter 30 Jahren in Ländern wie den USA, Kanada, Australien und Neuseeland signifikant abgenommen. Dieser Trend zeigt sich auch im englischsprachigen Europa. Amerika, so scheint es, exportiert Angst. Im Gegensatz dazu berichten Zentral- und Osteuropa sowie Teile Asiens über einen Anstieg des allgemeinen Wohlbefindens, heißt es in einem Bericht vom „Atlantic“.

Sprachliche Barrieren der Angst?

Die Unterschiede in der psychischen Gesundheit junger Menschen sind besonders auffällig, wenn man die Sprachregionen innerhalb von Ländern wie Kanada betrachtet. In Quebec, wo über 80 Prozent der Bevölkerung Französisch sprechen, ist der Rückgang der Lebenszufriedenheit unter den unter 30-Jährigen nur halb so stark wie im restlichen Kanada. Diese Beobachtung führt zu der Frage, warum die Angst vor allem in englischsprachigen Ländern zunimmt.

Diagnostische Inflation und ihre Folgen

Ein Kernproblem ist laut der Analyse vom „Atlantic“ die „diagnostische Inflation“. Dieser Begriff beschreibt die zunehmende Tendenz, normale menschliche Erfahrungen als psychische Störungen zu etikettieren. Ein Beispiel hierfür ist das DSM, das diagnostische Manual der American Psychiatric Association, das als Standardwerk für die Klassifizierung psychischer Störungen dient. Seit seiner Einführung wurden die Kriterien für bestimmte Diagnosen erweitert, was laut Kritikern wie Allen Frances dazu führt, dass normale Verhaltensweisen und Emotionen pathologisiert werden. Der Autor der Werke „Amerika auf der Couch“ und „Normal“ warnte, dass „DSM-5 die Möglichkeit eröffnet, dass Millionen von Menschen, die derzeit als normal gelten, als psychisch krank diagnostiziert werden“.

Die Rolle der Medien und Prävalenzinflation

Die mediale Darstellung von psychischen Erkrankungen hat ebenfalls zugenommen. Die Inhalte, die junge Menschen auf Plattformen wie TikTok konsumieren, könnten laut dem „Atlantic“ zu einer „Prävalenzinflation“ beitragen, bei der die ständige Konfrontation mit Begriffen wie Trauma und Angst zu einer höheren Diagnoserate führt. Tatsächlich hat der TikTok-Hashtag #Trauma über 6 Milliarden Ansichten erlangt.

Die Rolle der Negativitätsinflation

Die Nachrichten in den USA sind nach Forschungen der University of Pennsylvania und anderen Institutionen zunehmend negativ geprägt. Diese „Negativitätsinflation“ könnte ebenfalls zur wachsenden Unzufriedenheit beitragen. „Die Berichterstattung ist in den letzten 50 Jahren immer negativer geworden,“ teilte J. H. van Binsbergen von der University of Pennsylvania dem „Atlantic“ mit. Diese Entwicklung könnte das allgemeine Empfinden von Pessimismus und Angst verstärken.

Export des amerikanischen Angstgefühls?

Die Globalisierung und der kulturelle Austausch führen dazu, dass sich auch die Wahrnehmung von psychischen Krankheiten verändert. Ethan Watters, Autor des Buches „Crazy Like Us„, beschreibt, wie amerikanische Vorstellungen von psychischer Gesundheit weltweit verbreitet werden. Diese „Amerikanisierung“ der psychischen Gesundheit könnte eine Rolle spielen bei der Verbreitung von Diagnosemustern. Diese sind bekanntlich stark von der amerikanischen Kultur beeinflusst. Während Smartphones und soziale Medien weltweit verbreitet sind, scheint die damit verbundene Angst hauptsächlich ein englischsprachiges Phänomen zu sein.

Was du dir merken solltest:

  • Während in englischsprachigen Ländern das Glücksniveau junger Menschen sinkt, nimmt in Zentral- und Osteuropa und Asien das allgemeine Wohlbefinden zu.
  • In den USA wird die Neigung, normale emotionale und verhaltensmäßige Reaktionen als psychische Störungen zu diagnostizieren, zunehmend kritisiert. Diese Tendenz kann dazu führen, dass gesunde Menschen fälschlicherweise als psychisch krank eingestuft werden.
  • Die mediale Darstellung von psychischen Krankheiten und der konstante Negativitätsstrom in den Nachrichten tragen zur „Prävalenzinflation“ bei. Immer mehr Menschen glauben, von psychischen Problemen betroffen zu sein, und dieses Phänomen verstärkt sich gegenseitig.

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