Vertrauenskrise: Nur 40 Prozent der Menschen glauben den Nachrichten
Laut dem Digital News Report 2024 des Reuters Institute vertrauen lediglich 40 Prozent der Befragten aus 47 Ländern den meisten Nachrichten.
Das Reuters Institute der Universität Oxford hat diese Woche den Digital News Report 2024 veröffentlicht. Der Bericht beleuchtet die Herausforderungen, denen sich Medienorganisationen in 47 Ländern stellen müssen. 100.000 Personen haben an der Umfrage teilgenommen.
Laut dem Bericht vertrauen nur 40 Prozent der Befragten in allen 47 Märkten den meisten Nachrichten. Dieses Misstrauen variiert stark zwischen den Ländern und Marken. Die Autoren des Berichts weisen darauf hin, dass Vertrauen der Öffentlichkeit nicht gleichbedeutend mit Vertrauenswürdigkeit ist. Menschen vertrauen manchmal Institutionen, die es nicht verdienen, und umgekehrt. Dieses Misstrauen beeinflusst die Rolle der Nachrichten in der Gesellschaft.
Vertrauen in Nachrichten variiert nach demographischen Merkmalen
Jüngere Menschen, Personen mit niedrigem Einkommen und geringerer Bildung vertrauen den Nachrichten weniger. Diese Gruppen fühlen sich oft schlechter von den Medien bedient und ungerecht behandelt. Unabhängig von der politischen Orientierung gibt es insgesamt wenig Unterschiede im Vertrauen in Nachrichten.
Der diesjährige Bericht untersucht acht Faktoren, die das Vertrauen in Nachrichten beeinflussen. Dazu gehören journalistische Standards, Transparenz und Unvoreingenommenheit. Faktoren wie eine lange Historie oder das Teilen derselben Werte wie der Befragte sind ebenfalls wichtig, aber weniger entscheidend. Weitere Punkte sind Negativität der Berichterstattung sowie Übertreibung bzw. Dramatisierung und Fairness des Dargestellten.
Bedeutung von Transparenz und Standards
Viele Faktoren spielen eine Rolle dabei, Vertrauen zu schaffen, was die Komplexität dieses Themas zeigt. Einige der häufig genannten Faktoren sind Transparenz, hohe journalistische Standards und Unabhängigkeit von Vorurteilen. Diese Faktoren werden sowohl von den Befragten als auch von vielen Journalisten als besonders wichtig für Vertrauenswürdigkeit angesehen.
Fairness ist ein weiterer wichtiger Faktor, der oft mit vertrauenswürdiger Berichterstattung verbunden wird. In der Umfrage bezieht sich Fairness darauf, ob die Befragten das Gefühl haben, dass Menschen wie sie selbst fair dargestellt werden. Auch dies wird von den Befragten als besonders wichtig hervorgehoben.
Eine bedeutende Minderheit der Öffentlichkeit pflegt ein distanziertes Verhältnis zur Politik. Diese Gruppe vertraut den Nachrichten weniger und bleibt unsicher, welche Faktoren für Vertrauen wichtig sind. Sie hat oft auch eine schwächere Verbindung zu den Nachrichten insgesamt.
Vertrauen in Nachrichten zurückgewinnen
Medien stehen vor der Herausforderung, das Vertrauen dieser distanzierten Gruppe zu gewinnen. Nachrichten müssen als interessant und wertvoll wahrgenommen werden. In Ländern, in denen die Politik das Vertrauen stark beeinflusst, hängt das Vertrauen in einzelne Nachrichtenmarken oft davon ab, ob sie als politisch neutral wahrgenommen werden.
Künstliche Intelligenz revolutioniert deutsche Redaktionen
Ein Großteil der Presse operiert noch auf regionaler oder lokaler Ebene und kämpft mit der Anpassung an digitale Geschäftsmodelle. Nun trifft die nächste Welle der Disruption die Redaktionen: Künstliche Intelligenz (KI) steht im Fokus. Laut dem Digital News Report 2024 bleibt die öffentliche Wahrnehmung gegenüber KI skeptisch. Laut einer Umfrage sind nur 14 Prozent der Befragten damit einverstanden, wenn Nachrichten hauptsächlich von KI produziert werden. Wenn Nachrichten jedoch hauptsächlich von Journalisten mit Unterstützung durch KI erstellt werden, steigt die Zustimmung auf 36 Prozent.
Deutsche Redaktionen nutzen zunehmend KI, um die Nachrichtenproduktion zu unterstützen. Der öffentliche Sender ZDF setzt KI beispielsweise für die Live-Untertitelung von Fernsehsendungen ein. Die Wochenzeitung Die ZEIT experimentiert mit einer KI-basierten Anwendung, die Leserfragen zu aktuellen Ereignissen aus ihrem Archiv beantwortet. Für digitale Abonnenten mit wenig Zeit bietet die Frankfurter Allgemeine Zeitung (FAZ) eine KI-generierte Zusammenfassung ausgewählter Nachrichtenartikel in ihrer Nachrichten-App an.
Ein bedeutender Deal zwischen dem Medienunternehmen Axel Springer und OpenAI hatte in der Vergangenheit für Aufsehen gesorgt. Axel Springer liefert ausgewählte Inhalte seiner Marken Bild, Die WELT, Politico und Business Insider an ChatGPT, um diese für die Bereitstellung von Informationen zu aktuellen Ereignissen zu nutzen. Axel Springer erhält im Gegenzug erhebliche finanzielle Mittel.
Digitale Strategien und wirtschaftliche Entwicklungen
Die Werbeeinnahmen stiegen im Januar und Februar 2024 um 11 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Dennoch bleibt der Anteil der Befragten, die für Online-Nachrichten zahlen, mit 13 Prozent niedrig. Zu den am häufigsten genannten Titeln in diesem Kontext gehören regionale oder lokale Tageszeitungen, Bild und Die WELT. Die paywall-geschützte Seite Bildplus habe nun über 700.000 Abonnenten, die größte Abonnentenzahl im deutschsprachigen Raum. Die Auflage von Bild sei zwar Ende 2023 unter die Millionengrenze gefallen, aber die wachsenden digitalen Einnahmen kompensierten die sinkenden Druckerlöse.
Die digitale Transformation der Zeitungsindustrie beschleunigt sich durch die stark gestiegenen Kosten für Druckproduktion und Lieferung. Bild und Die WELT kündigten Mitte 2023 an, die Hauszustellung ihrer Sonntagsausgaben einzustellen. Andere Marken wie der Tagesspiegel, die Berliner Morgenpost oder die Hamburger Morgenpost ersetzten einige ihrer gedruckten Ausgaben.
Vertrauen in Nachrichten und Angriffe auf Journalisten
Das Vertrauen in Nachrichten hat sich nach einem Rückgang um sieben Prozentpunkte im letzten Jahr stabilisiert, bleibt jedoch unter dem Niveau vor dem Anstieg durch COVID. Regionale oder lokale Zeitungen und öffentlich-rechtliche Nachrichtensender sind die vertrauenswürdigsten Marken in der Umfrage. Trotz seiner großen Reichweite hat das nationale Boulevardblatt Bild immer noch die niedrigsten Bewertungen. Jedoch nehmen Angriffe und Feindseligkeiten gegenüber Journalisten zu, oft im Zusammenhang mit Recherchen zu rechtsextremistischen Themen. Bei einigen sogenannten Bauernprotesten, die sich hauptsächlich gegen die Grünen richteten, blockierten Demonstranten ganze Medienhäuser und verhinderten die Auslieferung von Zeitungen.
Was du dir merken solltest:
- Der Digital News Report 2024 des Reuters Institute zeigt, dass nur 40 Prozent der Befragten in 47 Ländern den meisten Nachrichten vertrauen, wobei das Vertrauen stark zwischen den Ländern und Marken variiert.
- Faktoren wie Transparenz, hohe journalistische Standards und Unvoreingenommenheit sind entscheidend für das Vertrauen in Nachrichten, während jüngere Menschen, Personen mit niedrigem Einkommen und geringerer Bildung den Medien generell weniger vertrauen.
- Künstliche Intelligenz wird zunehmend in deutschen Redaktionen eingesetzt, wobei die öffentliche Zustimmung höher ist, wenn KI zur Unterstützung und nicht zur vollständigen Erstellung von Nachrichten genutzt wird; wirtschaftlich profitiert die Branche durch steigende digitale Abonnements trotz sinkender Druckauflagen.
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