Wie Erbsenprotein den Appetit zügelt – und länger satt hält
Eine neue Humanstudie belegt: Erbsenprotein kann die Sättigung auf unterschiedliche Weise fördern, je nach Geschmack und Struktur.
Der bittere Geschmack von Erbsenprotein könnte künftig gezielt genutzt werden, um das Sättigungsgefühl zu steuern und die Energieaufnahme zu senken. © Freepik
Wie satt man sich fühlt, hängt nicht nur von der Menge ab, sondern auch davon, was man isst – und sogar davon, wie es schmeckt. Wissenschaftler der TU München zeigen nun, dass der bittere Geschmack von Erbsenprotein messbar auf die Sättigung wirkt. Je nach Verarbeitung kann das pflanzliche Eiweiß den Appetit über verschiedene biologische Wege bremsen – und eröffnet so neue Perspektiven für eine natürliche Kontrolle des Essverhaltens.
Die Untersuchung stammt vom Leibniz-Institut für Lebensmittel-Systembiologie und dem ZIEL – Institute for Food & Health der Technischen Universität München. Das Forschungsteam wollte verstehen, warum verschiedene Erbsenproteine im Körper so unterschiedlich wirken. Dabei fanden die Wissenschaftler zwei voneinander unabhängige Mechanismen, über die das Gefühl der Sättigung entsteht: über die Verzögerung der Magenentleerung und über die Ausschüttung von Hormonen.
Erbsenprotein beeinflusst die Sättigung auf zwei Wegen
Für die Studie testeten die Forscher zwei Varianten von Erbsenproteinhydrolysaten – also Eiweißprodukten, die bereits teilweise in kleine Bruchstücke, sogenannte Peptide, zerlegt sind:
- H1: mild im Geschmack, stärker aufgespalten (Hydrolysegrad 35 Prozent)
- H2: bitter im Geschmack, weniger stark aufgespalten (Hydrolysegrad 23 Prozent)
Beide Varianten wurden in Wasser gelöst und von 19 leicht übergewichtigen Männern zwischen 18 und 45 Jahren getrunken. Zwei Stunden später durften die Teilnehmer bei einem Frühstück so viel essen, wie sie wollten. Das Ergebnis war eindeutig: Nach dem bitteren Protein H2 aßen die Männer im Schnitt 126 Kilokalorien weniger. Gleichzeitig entleerte sich ihr Magen 65 Prozent langsamer.
Das mildere H1 führte dagegen nicht zu weniger Kalorienaufnahme, veränderte aber messbar die Konzentration bestimmter Hormone, die Hunger und Sättigung steuern.
Hormonelle Reaktionen und Verdauung im Vergleich
In Blutproben zeigten sich klare Unterschiede: Das mildere H1 senkte das Hungerhormon Ghrelin und verringerte die Aktivität des Enzyms DPP-4, das Sättigungshormone wie GLP-1 abbaut. Damit verlängerte sich die hormonelle Wirkung, die den Körper satt hält.
Das bitterere H2 wirkte dagegen auf mechanischem Weg – über eine verlangsamte Magenentleerung. Dadurch trat das Sättigungsgefühl schneller ein, hielt aber nicht ganz so lange an.
„Unsere Ergebnisse zeigen, dass beide Hydrolysate das Sättigungsgefühl auf unterschiedliche Weise beeinflussen. Das Hydrolysat H2 machte schnell satt, sodass die Probanden weniger aßen. Das Hydrolysat H1 wirkte dagegen zeitverzögert und fördert vermutlich ein länger anhaltendes Sättigungsgefühl zwischen den Mahlzeiten,“ erklärt Studienleiterin Veronika Somoza.
Bittere Peptide im Erbsenprotein als Schlüssel zu natürlicher Sättigung
Die Ergebnisse belegen, dass nicht nur der Nährstoffgehalt, sondern auch die Verarbeitung und Bitterkeit von pflanzlichem Eiweiß entscheidend sind.
- Wenig hydrolysiert (bitter): Der Magen arbeitet länger, die Verdauung verlangsamt sich.
- Stärker hydrolysiert (mild): Hormonelle Prozesse im Darm verstärken und verlängern die Sättigung.
Bittere Peptide, die bisher oft als unerwünschter Nebeneffekt galten, könnten also gezielt genutzt werden, um das Essverhalten positiv zu beeinflussen.
„Sowohl Bitterkeit als auch Hydrolysegrad spielten dabei eine entscheidende Rolle,“ so Somoza. „Damit liefert die Studie wertvolle Ansätze für die Entwicklung funktioneller Lebensmittel, die auf natürliche Weise zur Reduktion der Energieaufnahme beitragen können.“
Warum Erbsenprotein so interessant ist
Erbsenprotein gilt als eine der nachhaltigsten pflanzlichen Eiweißquellen:
- Es benötigt weniger Wasser, Energie und Landfläche als tierisches Eiweiß.
- Es enthält alle wichtigen essentiellen Aminosäuren.
- Es lässt sich gut verarbeiten und vielseitig einsetzen – von Shakes über Riegel bis zu Fleischersatzprodukten.
Die neuen Erkenntnisse könnten helfen, Produkte zu entwickeln, die gezielt das Sättigungsgefühl fördern und beim Gewichtsmanagement unterstützen – ohne künstliche Zusätze.
Kleine Studie mit großem Potenzial
Die Pilotstudie wurde vom Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) im Rahmen des Programms zur Förderung der Industriellen Gemeinschaftsforschung unterstützt. Die Stichprobe war zwar nur klein, aber die Ergebnisse bilden eine wichtige Grundlage für weiterführende Untersuchungen.
„Proteinhydrolysate spielen in der pflanzenbasierten Ernährung eine immer größere Rolle,“ sagt Erstautorin Katrin Gradl. „Unsere Daten zeigen erstmals, dass Verarbeitung und Geschmack gezielt genutzt werden können, um die Sättigung zu beeinflussen.“
Langfristig könnten solche Erkenntnisse dazu beitragen, dass Lebensmittelhersteller Eiweißprodukte nicht nur nach Geschmack, sondern auch nach ihrer physiologischen Wirkung optimieren.
Kurz zusammengefasst:
- Die Studie zeigt, dass die Sättigung durch Erbsenprotein stark davon abhängt, wie bitter es schmeckt und wie stark es verarbeitet wurde.
- Teilnehmer, die das bitterere, weniger aufgespaltene Protein tranken, aßen im Schnitt 126 Kilokalorien weniger, weil sich ihr Magen langsamer entleerte.
- Das mildere, stärker hydrolysierte Protein senkte dagegen das Hungerhormon Ghrelin und das Enzym DPP-4, wodurch das Sättigungsgefühl länger anhielt.
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