Erziehungsfehler mit Folgen: „Du steigerst dein Selbstwertgefühl, indem du das deines Kindes stiehlst“

Eltern, die ihren Kindern zu viel abnehmen und sie vor Herausforderungen bewahren, ziehen mental schwache Kinder groß, warnt ein Psychiater.

Weniger Bildschirmzeit, besonders abends, stärkt das Gehirn und die Resilienz – so Dr. Daniel Amen.

Weniger Bildschirmzeit, besonders abends, stärkt das Gehirn und die Resilienz – so Dr. Daniel Amen. © Pexels

Manchmal reicht ein einziger Fehler aus, um die Entwicklung eines Kindes nachhaltig zu beeinflussen – und mental schwache Kinder heranwachsen zu lassen. Laut dem renommierten Psychiater und Bestsellerautor Dr. Daniel Amen passiert das täglich in vielen Familien. Sein klares Urteil: „Wenn du zu viel für deine Kinder tust, steigerst du dein Selbstwertgefühl, indem du das deines Kindes stiehlst.“ Dieser Satz trifft mitten ins Herz elterlicher Fürsorge. Doch was bedeutet das genau?

Eltern, die ihre Kinder ständig vor Problemen bewahren, schwächen sie langfristig, erklärt Amen. Dabei geht es um ganz alltägliche Situationen: Das vergessene Pausenbrot wird zur Schule gebracht, die Jacke hinterhergetragen, obwohl das Kind sie absichtlich liegen ließ. Was fürsorglich wirkt, hat fatale Folgen. Kinder, die nicht lernen, mit den Konsequenzen ihrer Handlungen umzugehen, entwickeln weniger mentale Stärke.

Warum mentale Stärke so wichtig ist

Dr. Amen definiert „mental schwache Kinder“ als jene, denen es an Resilienz und Unabhängigkeit fehlt. Diese Kinder haben Schwierigkeiten, Herausforderungen zu meistern, Entscheidungen zu treffen und Verantwortung zu übernehmen. Das wirkt sich oft bis ins Erwachsenenalter aus – in Form von Unsicherheit, Angst vor Fehlern und geringem Selbstwertgefühl. „Menschen entwickeln mentale Stärke, indem sie Probleme lösen“, betont Amen.

„Wenn meine Tochter zu Hause ihre Hausaufgaben vergisst, bringt sie niemand mit zur Schule. Wenn sie an einem kalten Tag keine Jacke mitgebracht hat, obwohl ihre Mutter es ihr gesagt hat, bringt ihr niemand die Jacke“, erklärte Amen im Podcast „Built Different“.

Die Rolle des Gehirns in der Entwicklung mentaler Stärke

Ein oft übersehener Aspekt in der Diskussion um mentale Stärke ist die Gesundheit des Gehirns. Amen betont, dass viele psychische Herausforderungen eigentlich auf Probleme mit der Gehirngesundheit zurückzuführen sind – nicht auf eine angeborene mentale Schwäche oder einen Mangel an Resilienz. „Ein gesundes Gehirn ist die Grundlage für ein gesundes Leben“, erklärt er. Eltern können viel dazu beitragen, die Gehirngesundheit ihrer Kinder zu fördern, und so deren mentale Stärke aufbauen.

Das beginnt bei scheinbar einfachen, aber entscheidenden Faktoren wie ausreichend Schlaf, einer ausgewogenen Ernährung und dem Vermeiden von übermäßigem Medienkonsum. „Zu viel Bildschirmzeit, besonders vor dem Schlafengehen, beeinträchtigt die Entwicklung des Gehirns erheblich“, warnt Amen. Auch der Umgang mit Substanzen wie Koffein oder sogar vermeintlich harmlosen Dingen wie zuckerreichen Snacks spielt eine Rolle. „Wenn Eltern sicherstellen, dass die Grundbedürfnisse des Gehirns erfüllt werden, legen sie den Grundstein für Resilienz und die Fähigkeit, Herausforderungen zu bewältigen.“

Gehirngesundheit als Schlüssel zur Resilienz

Die Perspektive auf mentale Stärke verändert sich grundlegend, wenn man sie nicht nur als Erziehungs- oder Verhaltensfrage sieht, sondern als Ergebnis eines gesunden Gehirns. „Die Gesundheit des Gehirns beeinflusst, wie Kinder denken, fühlen und Entscheidungen treffen“, sagt Amen. Ein gesundes Gehirn ermöglicht es Kindern, sich besser zu konzentrieren, kreative Lösungen zu finden und in schwierigen Situationen ruhig zu bleiben.

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Lösungen beginnen zu Hause

Wie können Eltern mentale Stärke fördern? Eine einfache Methode ist, Kinder selbst nach Antworten suchen zu lassen. Wenn ein Kind sagt, ihm sei langweilig, sollte die Antwort nicht eine Lösung sein, sondern eine Frage: „Ich frage mich, was du dagegen tun wirst.“ So lernen Kinder, kreativ zu denken und eigenständig Lösungen zu finden.

Dr. Daniel G. Amen ist Neurowissenschaftler, Kinder- und Jugendpsychiater sowie Leiter der Amen Clinic for Behavioral Medicine. Der mehrfach ausgezeichnete Experte für Gehirn- und Verhaltensforschung genießt internationales Ansehen und hat zahlreiche Bestseller veröffentlicht, wie sein Buch „Gesundes Gehirn – gesunde Psyche“. © Razorface914 via Wikimedia unter CC BY-SA 4.0
Dr. Daniel G. Amen ist Neurowissenschaftler, Kinder- und Jugendpsychiater sowie Leiter der Amen Clinic for Behavioral Medicine. Der mehrfach ausgezeichnete Experte für Gehirn- und Verhaltensforschung genießt internationales Ansehen und hat zahlreiche Bestseller veröffentlicht, wie sein Buch „Gesundes Gehirn – gesunde Psyche“. © Razorface914 via Wikimedia unter CC BY-SA 4.0

Laut der American Psychological Association hilft es außerdem, Kindern kleine Verantwortlichkeiten zu übertragen. Ob im Haushalt oder in der Schule – durch solche Aufgaben entwickeln sie das Gefühl, etwas bewirken zu können. Das stärkt ihr Selbstbewusstsein und bereitet sie auf größere Herausforderungen vor.

Der Schlüssel: Weniger tun, mehr zutrauen

Dr. Amen appelliert an Eltern, weniger einzugreifen: „Lass deine Kinder die Lösungen für ihre Probleme selbst herausfinden, anstatt dich übermäßig einzumischen.“ Es mag schwerfallen, loszulassen, doch genau das ist der Schlüssel zu einer gesunden Entwicklung.

Wer Kinder zu eigenständigen Denkern und Problemlösern erzieht, gibt ihnen ein unverzichtbares Werkzeug für die Zukunft. Die Botschaft ist klar: Eltern, die ihren Kindern Raum für Eigenverantwortung geben, ziehen nicht nur mental starke Kinder groß – sie schenken ihnen die Fähigkeit, Herausforderungen zu meistern und ein erfülltes Leben zu führen.

Was du dir merken solltest:

  • Mental schwache Kinder durch Überbehütung: Eltern, die ständig Probleme lösen und Verantwortung abnehmen, verhindern die Entwicklung von Resilienz.
  • Empathie statt Kontrolle: Kinder brauchen Fehler und Rückschläge, um zu lernen. Wer sie dabei unterstützt, stärkt ihr Selbstvertrauen nachhaltig.
  • Loslassen fördert Stärke: Verantwortung und eigene Lösungen helfen Kindern, Herausforderungen zu meistern und nicht mental schwach zu bleiben.

Übrigens: Beim Erziehungsprinzip der Leuchtturm-Eltern verzichten diese auf Kontrolle, um ihren Kindern eine freie und unabhängige Entwicklung zu ermöglichen. Das stimmt auch mit den Empfehlungen von Dr. Amen überein. Wie das am besten gelingt, erfährst du in unserem Artikel.

Bild: © Pexels

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