Gibt es bald eine Yoga-Pille gegen Angst? Forscher entdecken, wie das Gehirn das Atmen verlangsamt

Forscher haben einen Gehirn-Kreislauf entdeckt, der bewusstes Atmen steuert und Ängste lindert. Eine Yoga-Pille könnte folgen.

Ein neu entdeckter Gehirnkreislauf zeigt, wie bewusstes Atmen Stress und Angst reduzieren kann – mit ähnlichem Effekt wie Yoga. © Pexels

Ein neu entdeckter Gehirnkreislauf zeigt, wie bewusstes Atmen Stress und Angst reduzieren kann – mit ähnlichem Effekt wie Yoga. © Pexels

Die Atmung wird flach, der Puls rast, und die Gedanken überschlagen sich – eine Panikattacke, und das mitten im Alltag. Atemübungen könnten helfen, doch manchmal ist dafür keine Zeit oder Gelegenheit. Was wäre, wenn es eine Pille gäbe, die den Körper sofort beruhigen könnte, ohne dass man sich auf langwierige Techniken konzentrieren müsste? Genau das könnte in Zukunft möglich sein – dank einer bahnbrechenden Entdeckung von Neurowissenschaftlern am Salk Institute for Biological Studies. Die Forscher haben einen Gehirn-Kreislauf identifiziert, der es ermöglicht, bewusstes Atmen zu verlangsamen und dadurch Stress sowie Ängste zu mindern.

Gehirn-Schaltkreis für bewusstes Atmen entdeckt

Seit Jahrhunderten nutzen Menschen Techniken wie Yoga, Meditation oder Atemübungen, um ihre Emotionen zu kontrollieren. Doch was bislang fehlte, war ein klares Verständnis, warum diese Methoden wirken. Die Wissenschaftler des Salk Institute in San Diego sind dieser Frage nun auf den Grund gegangen – und haben einen neuronalen Schaltkreis entdeckt, der genau diese beruhigende Wirkung auslöst.

Im Fokus steht dabei die Verbindung zwischen der Großhirnrinde, dem Sitz bewusster Entscheidungen, und dem Hirnstamm, wo lebenswichtige Funktionen wie die Atmung gesteuert werden. Dieser Schaltkreis erlaubt es, bewusst die Atemfrequenz zu reduzieren und so die Aktivität in Gehirnbereichen zu drosseln, die Angst und Stress fördern.

„Unsere Entdeckung zeigt, wie eng die Kontrolle der Atmung mit unseren Gefühlen verbunden ist“, erklärt Sung Han, leitender Forscher der Studie. „Dieser Mechanismus könnte die Basis für neue Therapien sein, die direkt auf den Ursprung von Angst einwirken.“

Neuer Atemkreislauf im Gehirn lindert Stress bei Mäusen

Die Grundlage der Forschung war eine gezielte Untersuchung an Mäusen. Mithilfe modernster Technologie, darunter sogenannte Optogenetik, konnten die Wissenschaftler spezifische Bereiche des Gehirns aktivieren oder deaktivieren. Besonders interessant: Wurde der neu entdeckte Kreislauf stimuliert, beruhigten sich die Mäuse sichtbar und atmeten langsamer. Wurde er hingegen blockiert, stieg die Atemfrequenz, und die Tiere zeigten Anzeichen von Stress.

Dieser Kreislauf funktioniert über eine Verbindung zwischen dem anterioren cingulären Cortex und dem Pons, einer Region im Hirnstamm. Der Pons wiederum reguliert die Medulla, die das Atmungszentrum steuert. Diese komplexe Kommunikation erklärt, warum langsames Atmen nicht nur körperlich, sondern auch emotional eine beruhigende Wirkung entfaltet.

Eine Yoga-Pille: Hoffnung für Angstpatienten?

Die Ergebnisse des Salk-Teams eröffnen spannende Perspektiven. Während Atemübungen wie die bekannte Box-Atmung zwar hilfreich sind, stoßen sie in akuten Situationen oft an ihre Grenzen. Ein Medikament, das den gleichen Effekt auf Knopfdruck auslöst, könnte hier eine entscheidende Lücke füllen. Han selbst spricht von der Idee einer „Yoga-Pille“, die langfristig Patienten mit Angststörungen oder Panikattacken helfen könnte.

„Wenn wir die Nervenzellen gezielt aktivieren können, ließe sich die Atmung manuell verlangsamen – und das ohne aktive Anstrengung der Betroffenen“, erklärt der Forscher. Dabei soll ein solches Medikament präziser wirken als bisherige Mittel wie Benzodiazepine, die oft Nebenwirkungen haben und auch andere Hirnregionen beeinflussen.

Übrigens: Box-Atmung ist eine einfache Technik, um Stress abzubauen. Sie folgt einem festen Rhythmus: tief durch die Nase einatmen, vier Sekunden die Luft anhalten, langsam durch den Mund ausatmen und erneut vier Sekunden warten. Dieser gleichmäßige Ablauf beruhigt den Körper und wirkt direkt auf die Atemkontrolle im Gehirn – ein Ansatz, den auch die neue Forschung unterstützt.

Atemtechniken im Alltag gegen Stress

Neben der Entwicklung neuer Medikamente bestätigen die Ergebnisse auch die Wirksamkeit traditioneller Praktiken wie Yoga und Meditation. Wer regelmäßig Atemübungen macht, nutzt genau diesen Gehirnmechanismus, um Stress zu lindern.

Für Patienten mit Angststörungen oder posttraumatischen Belastungsstörungen könnten die Entdeckungen bahnbrechend sein. Das Team plant bereits weitere Untersuchungen, um den Kreislauf besser zu verstehen und die Grundlagen für Therapien zu legen.

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Ein langer Weg, aber große Chancen

Obwohl die Ergebnisse vielversprechend sind, ist die Entwicklung eines marktfähigen Medikaments noch ein weiter Weg. Das Team arbeitet parallel daran, auch den Mechanismus hinter schnellerem Atmen und stressbedingter Unruhe zu entschlüsseln. Ziel ist es, gezielt den beruhigenden Kreislauf zu aktivieren, ohne andere Prozesse zu stören.

Han erklärt dazu: „Ich möchte diese Erkenntnisse nutzen, um eine Yoga-Pille zu entwickeln. Es mag albern klingen, und die Umsetzung unserer Arbeit in ein marktfähiges Medikament wird Jahre dauern, aber wir verfügen jetzt über einen potenziell zielgerichteten Gehirnkreislauf für die Entwicklung von Therapeutika, die die Atmung sofort verlangsamen und einen friedlichen, meditativen Zustand einleiten könnten.“

Was du dir merken solltest:

  • Neurowissenschaftler haben einen Gehirn-Kreislauf entdeckt, der das bewusste Atmen reguliert und dadurch Stress sowie Angst effektiv lindern kann.
  • Dieser Schaltkreis verbindet die Großhirnrinde mit dem Hirnstamm und ermöglicht es, die Atemfrequenz gezielt zu reduzieren, was sowohl körperlich als auch emotional beruhigend wirkt.
  • Die Entdeckung könnte langfristig den Weg für eine „Yoga-Pille“ ebnen, die auf diesen Mechanismus abzielt, um Angststörungen effizient und präzise zu behandeln.

Bild: © Pexels

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