Die Wahrheit über Langlebigkeit: Warum unsere Angst vor dem Altern ausgenutzt wird

Nobelpreisträger Venkatraman Ramakrishnan erklärt, warum Altern in den Zellen beginnt, welche Grenzen die Anti-Aging-Forschung hat und wie Ängste ausgenutzt werden.

Die Angst vor dem Altern treibt die Forschung an – doch Nobelpreisträger Ramakrishnan warnt vor übertriebenen Erwartungen und Risiken der Anti-Aging-Industrie. © Pexels

Die Angst vor dem Altern treibt die Forschung an – doch Nobelpreisträger Ramakrishnan warnt vor übertriebenen Erwartungen und Risiken der Anti-Aging-Industrie. © Pexels

Venkatraman Ramakrishnan, Nobelpreisträger für Chemie, hat sich in einem Interview mit der FAZ zur Angst vor dem Altern und den aktuellen Erkenntnissen der Alternsforschung geäußert. Der britische Strukturbiologe, bekannt für seine Arbeiten zur Proteinsynthese, erläuterte, wie eng unser Altern mit Prozessen in den Zellen verbunden ist und welche Hoffnungen sowie Herausforderungen in der Anti-Aging-Forschung liegen.

Langlebigkeit ist kein Geheimnis, sondern Gewohnheit

Ramakrishnan erklärte, dass es keine universellen Geheimnisse für ein langes Leben gebe, doch drei Dinge sind entscheidend: „Eine gesunde Ernährung, viel Bewegung und ausreichend Schlaf.“ Auch soziale Kontakte spielen eine wesentliche Rolle. Isolation, so Ramakrishnan, beschleunige den Alterungsprozess und schade sowohl der körperlichen als auch der geistigen Gesundheit. Trotz seines Fachwissens hat er jedoch keine revolutionären Methoden entdeckt, die ihn dazu bewegen würden, seinen Lebensstil drastisch zu ändern: „Ich habe eine Schwäche für Desserts und bin nicht immer erfolgreich, was gesunde Ernährung betrifft.“

Laut Ramakrishnan liegt das maximale Alter des Menschen vermutlich bei etwa 120 Jahren. Dies hätten Beobachtungen gezeigt, da seit dem Tod der Französin Jeanne Calment im Jahr 1997 niemand mehr die 120 Jahre überschritten hat. Gleichzeitig stagniert die durchschnittliche Lebenserwartung, trotz Fortschritten in der Medizin. Dies sei ein deutlicher Hinweis darauf, dass auch moderne Technologien natürliche Grenzen hätten.

Ribosomen: Die Fabriken, die uns altern lassen

Der Nobelpreisträger erklärt, dass der Alterungsprozess tief in den Zellen beginnt. „Altern ist im Wesentlichen eine Ansammlung von Veränderungen und Schäden in unseren Körperzellen.“ Dabei spielt das Ribosom, die „Protein-Fabrik“ der Zellen, eine zentrale Rolle. Dieses organische System sist für die Herstellung neuer Proteine zuständig, doch im Alter versagen die zelleigenen Qualitätskontrollen zunehmend. Fehlerhafte Proteine können nicht mehr ausreichend repariert oder entsorgt werden, was schließlich zu Funktionsverlusten führt.

Venkatraman Ramakrishnan (* 1952) ist ein britisch-amerikanischer Strukturbiologe. Er teilte sich 2009 den Nobelpreis für Chemie mit Thomas A. Steitz und Ada Yonath für die Forschung zur Struktur und Funktion von Ribosomen. © The Royal Society via Wikimedia unter CC BY-SA 4.0

Ramakrishnan verglich den menschlichen Körper mit einer komplexen Maschine, deren Teile nach und nach verschleißen. Er erklärt: „Im Laufe unseres Lebens verlieren wir ständig Zellen, ohne es zu merken.“ Doch selbst beim Tod bleiben viele Zellen noch aktiv, was beispielsweise Organspenden ermöglicht. Der schleichende Verlust setzt sich fort, bis ein lebenswichtiges Organ wie das Gehirn oder das Herz ausfällt.

Rapamycin: Wundermittel oder Risiko?

Ein vielversprechender Ansatz in der Forschung sei laut Ramakrishnan das Medikament Rapamycin, auf das er auch in seinem neuen Buch „Warum wir sterben“ eingeht. Dieses wurde ursprünglich entdeckt, als Forscher auf der Osterinsel nach Antibiotika suchten. Rapamycin beeinflusst einen bestimmten Signalweg im Körper, der bei Kalorienrestriktion aktiviert wird. Der Nobelpreisträger erläutert, dass diese Mechanismen die Neubildung von Proteinen verlangsamen, während beschädigte Zellbestandteile effizienter abgebaut werden. Dies kann den Alterungsprozess verlangsamen.

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Dennoch wies er auf die Risiken hin. „Rapamycin hat viele Nebenwirkungen“, sagte er, da es als Immunsuppressivum das Abwehrsystem des Körpers schwächt. Zwar sind niedrigere Dosen ein potenzieller Weg, um positive Effekte zu erzielen, doch bisher fehlt der wissenschaftliche Beweis dafür. Die Balance sei entscheidend: „Zu wenig Nährstoffe kann genauso schädlich sein wie zu viel.“ Ist es also ein Weg, das Altern zu bekämpfen, indem man immer wenig isst? Der Wissenschaftler verneint dies. Auch eine dauerhafte Kalorienrestriktion bringe Nebenwirkungen mit sich, wie erhöhte Infektanfälligkeit oder Libidoverlust – und wer will das schon?

Warum die Anti-Aging-Industrie von unserer Angst lebt

Die Angst vor dem Altern, so Ramakrishnan, sei ein tief verwurzeltes Gefühl in der Menschheit. „Manche Wissenschaftler nutzen diese Ängste aus, um fragwürdige Methoden zu propagieren.“ Er kritisierte die Kryokonservierung, bei der Verstorbene eingefroren werden, als „Humbug“. Ebenso warnte er davor, dass Medikamente oder Verfahren beworben würden, deren Wirksamkeit nicht ausreichend erforscht sei.

Viele Anti-Aging-Forscher würden zudem die Risiken von Langzeittherapien unterschätzen. „Wer über Jahre Medikamente einnimmt, muss sich bewusst sein, dass jede Therapie Nebenwirkungen haben kann“, so Ramakrishnan. Dies gilt insbesondere für gesunde Menschen, die ein höheres Risiko eingehen, um einige Jahre Lebenszeit zu gewinnen.

Mehr Lebenszeit, weniger soziale Gerechtigkeit?

Die Verlängerung des Lebens könnte weitreichende gesellschaftliche Folgen haben, gab der Forscher zu bedenken. Eine deutliche Ungleichheit zwischen den Generationen sei möglich, wenn ältere Menschen länger Vermögen und Macht anhäufen könnten. Darüber hinaus bestünde die Gefahr, dass solche Therapien nur Wohlhabenden zugänglich sind, was die soziale Kluft weiter vertiefen könnte. „Die Wohlhabenden leben ja schon jetzt länger als die Armen“, erklärte er. Solche Entwicklungen müssten durch politische Regelungen begleitet werden, um eine gerechte Verteilung der Technologien zu gewährleisten.

Keine Pille für die Ewigkeit

Ramakrishnan glaubt nicht an die eine „Pille gegen das Altern“. Dennoch sei es möglich, einzelne Mechanismen des Alterns zu beeinflussen und so spezifische Gesundheitsaspekte zu verbessern. Er zeigte sich optimistisch, dass in den nächsten Jahrzehnten neue Wirkstoffe entwickelt würden, die das Altern zumindest verlangsamen könnten.

Doch für Ramakrishnan bleibt das Ziel, nicht das Leben um jeden Preis zu verlängern, sondern gesunde Jahre zu gewinnen. Die Angst vor dem Altern dürfe nicht die treibende Kraft hinter fragwürdigen Therapien und unrealistischen Versprechen sein.

Wir sollten uns darauf konzentrieren, die Lebensqualität zu verbessern – und nicht auf ein illusorisches ewiges Leben.

Venkatraman Ramakrishnan

Was du dir merken solltest:

  • Altern beginnt auf Zellebene: Der Funktionsverlust in Zellen, insbesondere bei Ribosomen, verursacht körperliches Altern durch fehlerhafte Proteinsynthese. 
  • Drei Säulen gegen das Altern: Gesunde Ernährung, regelmäßige Bewegung und sozialer Kontakt sind laut Ramakrishnan die effektivsten Maßnahmen, um länger gesund zu bleiben. 
  • Grenzen der Anti-Aging-Forschung: Medikamente wie Rapamycin bieten Potenzial, bergen aber erhebliche Risiken. Die Anti-Aging-Industrie nutzt oft die Angst vor dem Altern aus. 

Übrigens: Viele Frauen haben Angst vor dem Altern, doch es gibt ein Geheimnis, wie sie dies wirklich gesund tun. Was das ist, erfährst du in unserem Artikel.

Bild: © Pexels

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