Mehr Ertrag, weniger Klimarisiko: Die Zukunft des Brotes heißt Chaosweizen

Chaosweizen ist eine resistente Alternative zur Monokultur. Er soll Ernteausfälle reduzieren und den Chemikalien-Einsatz verringern können.

Ein Mähdrescher bei der Weizenernte – Chaosweizen könnte mit seiner genetischen Vielfalt die Landwirtschaft widerstandsfähiger gegen Klimaschocks machen.

Ein Mähdrescher bei der Weizenernte – Chaosweizen könnte mit seiner genetischen Vielfalt die Landwirtschaft widerstandsfähiger gegen Klimaschocks machen. © Wikimedia

Die Umstellung auf Monokulturen in der Landwirtschaft führte dazu, dass sich die Weizenerträge in den USA in den letzten Jahrzehnten vervierfacht haben. Gleichzeitig machte dieser Wandel das weltweite Nahrungsmittelsystem anfällig für Klimaveränderungen und führte zu einer verstärkten Nutzung von Agrochemikalien. Forscher in der Zeitschrift Nature schätzen, dass die Weizenerträge in Nordamerika ohne Anpassung bei jedem Grad Erwärmung um 1 bis 10 Prozent sinken könnten. Zudem übersteigen die Treibhausgasemissionen der globalen Getreideproduktion mittlerweile die von Russland, Brasilien und Deutschland zusammen. Chaosweizen könnte eine vielversprechende Antwort auf die Probleme sein, die durch Monokulturen entstanden sind, berichtet die Washington Post.

Vielfalt statt Monokultur

In den vergangenen Jahrhunderten war Vielfalt auf Feldern gang und gäbe. Ein einziges Feld konnte mehrere Sorten von Getreide wie Hafer, Gerste oder Roggen beherbergen, was den Bauern ein gewisses Maß an Sicherheit bot. Diese Vielfalt half, besser auf wechselnde Wetterbedingungen zu reagieren.

Die Industrialisierung der Landwirtschaft veränderte diese Tradition grundlegend. Mit der Einführung von industriellen Walzenmühlen konzentrierte sich die Produktion zunehmend auf weißen Weizen, der in großen Mengen und zu niedrigen Kosten hergestellt werden konnte. Dies führte dazu, dass der Nährstoffgehalt von Weizen verarmte, da insbesondere die nährstoffreiche Keimschicht entfernt wurde.

Ein neuer Weg mit Chaosweizen

Eine mögliche Lösung für die durch Monokulturen entstandenen Probleme bietet der sogenannte Chaosweizen. Stephen Jones von der Washington State University gründete das Breadlab mit dem Ziel, eine nachhaltigere Weizensorte zu entwickeln. Der Ansatz basiert auf genetischer Vielfalt, um widerstandsfähigere Pflanzen zu züchten, die den Herausforderungen des Klimawandels besser standhalten können. Jones beschreibt diesen Prozess als „genetisches Chaos im Feld“, das den Pflanzen erlaubt, auf unvorhersehbare Umweltbedingungen zu reagieren.

Die Ergebnisse dieser Arbeit zeigen, dass Chaosweizen eine gute Balance zwischen Ertrag, Geschmack und Widerstandsfähigkeit bietet. Zwar liefert diese Sorte nicht so viel Weißmehl wie herkömmliche Weizenarten, doch die Pflanzen zeigen eine höhere Widerstandsfähigkeit gegenüber Trockenheit, Schädlingen und extremen Wetterbedingungen.

Großbetriebe zögern bei Chaosweizen und setzen weiter auf schnelle Erträge

Dennoch bleibt die Umstellung auf Chaosweizen für große Betriebe eine Herausforderung. Von den 47 Millionen Hektar Weizen, die in den USA angebaut werden, verwenden nur wenige die Sorten des Breadlab. Trotz seines Erfolgs bei kleineren Bauern und in der regenerativen Landwirtschaft bleibt der großflächige Einsatz problematisch. Experten aus der Landwirtschaft, die mit der Washington Post sprachen, betonen, dass das derzeitige System auf schnellen und kontinuierlichen Ertragssteigerungen basiert.

Der Markt muss das neue Produkt noch annehmen

Wichtige Unternehmen wie King Arthur Baking Company, Amerikas älteste Bäckerei, haben den Chaosweizen bereits in ihr Sortiment aufgenommen. Die Firma veröffentlichte eine Mehlmischung, die aus einer mehrjährigen Weizensorte besteht und über mehrere Jahre ohne Neuanpflanzung gedeihen kann. Diese Mischung ist Teil des Ziels des Unternehmens, bis 2030 vollständig auf „regenerativ angebauten Weizen“ umzustellen.

Das Problem liegt jedoch nicht nur in der Produktion, sondern auch in der Marktakzeptanz. Die Preise für Chaosweizen und Produkte wie das Climate-Blend-Mehl liegen derzeit deutlich über dem Marktpreis für herkömmliches Mehl. Eine 500-Gramm-Packung der neuen Mehlmischung kostet beispielsweise 2,98 US-Dollar, während normales Vollkornmehl für 1,12 US-Dollar verkauft wird. Die Washington Post zitierte Janis Abbingsole, Geschäftsführerin von King Arthur. Sie erklärte, dass es Zeit brauche, um die Landwirte zu unterstützen und die langfristigen Vorteile der klimafreundlichen Produktion sichtbar zu machen.

Das zertifizierte, regenerativ angebaute Climate-Blend-Mehl verbessert die Bodengesundheit und unterstützt die nachhaltigen Ziele des Unternehmens. © King Arthur Baking Company

Geschmack und Nachhaltigkeit als Motivation

Der Chaosweizen basiert auf alten landwirtschaftlichen Praktiken, die in vielen Teilen der Welt seit Jahrhunderten angewendet werden. Forschungen haben gezeigt, dass diese Mischungen in schwierigen Zeiten nicht nur höhere Erträge liefern, sondern auch besser schmecken. Dies könnte in Zukunft ein entscheidender Faktor sein, wenn sich die Nachfrage aufgrund des Klimawandels ändert.

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Maslins, eine alte Mischkultur aus verschiedenen Getreidesorten, bieten gegenüber Monokulturen eine bessere Anpassung an extreme Wetterbedingungen und eine höhere Ertragssicherheit. In Regionen wie Äthiopien und Osteuropa zeigt sich, dass Mischkulturen zuverlässiger sind und während schwieriger Jahre bessere Ergebnisse liefern.

Nachhaltige Anbaumethoden müssen schnell und großflächig umgesetzt werden

Obwohl Chaosweizen und andere nachhaltige Anbaumethoden vielversprechend erscheinen, bleibt die Frage, ob sie schnell genug skaliert werden können, um den globalen Bedarf zu decken und die Emissionen in der Landwirtschaft zu reduzieren. Experten betonen laut Washington Post, dass jede Lösung innerhalb der nächsten zwei bis drei Jahrzehnte auf Millionen Quadratkilometern landwirtschaftlicher Nutzfläche angewendet werden muss. Chaosweizen könnte ein Teil dieser Lösung sein, doch der Weg dahin ist noch lang.

Was du dir merken solltest:

  • Chaosweizen ist eine genetisch vielfältige Weizensorte, die widerstandsfähiger gegen Klimaschocks ist und den Einsatz von Chemikalien reduziert.
  • Diese nachhaltige Anbaumethode könnte durch Anpassung an extreme Wetterbedingungen die globale Getreideproduktion zukunftssicherer machen.
  • Trotz vielversprechender Ansätze bleibt die großflächige Umsetzung von Chaosweizen aufgrund hoher Kosten und der Marktakzeptanz eine Herausforderung.

Übrigens: Wusstest du, dass nicht nur Chaosweizen, sondern auch das westafrikanische Urgetreide Fonio als Lösung für globale Ernährungsprobleme gilt? Mehr dazu in unserem Artikel.

Bild: © Larsz/Lars Plougmann via Wikimedia unter CC BY-SA 2.0

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