Waffenwechsel im Darm: Wie Bakterien ihre Gegner austricksen
Darmbakterien stehen in ständigem Wettstreit und entwickeln raffinierte Strategien, um ihre Konkurrenten zu kontrollieren und ihre eigene Position zu stärken.
Darmbakterien entwickeln im ständigen Überlebenskampf überraschende Strategien: Sie tauschen gezielt Gene aus, um sich gegenseitig zu entwaffnen und ihre eigenen Waffen zu stärken. Eine neue Studie enthüllt, wie dieser genetische Austausch im menschlichen Körper Mikroben vor feindlichen Angriffen schützt und sie so zu den eigentlichen Herrschern der Darmflora macht.
Forscher der University of Chicago haben herausgefunden, wie bestimmte Bakterien im menschlichen Darm mit ihren Nachbarn konkurrieren und dabei ihre Waffen austauschen. Diese Bakterien, die zur Gruppe der Bacteroides gehören, nutzen dabei einen Trick: Sie übertragen spezielle Gene, um ihre eigenen Waffensysteme anzupassen oder sogar abzuschalten. In der dichten Umgebung des Darms hilft das den Bakterien, sich gegen ihre Konkurrenten durchzusetzen und ihren Platz zu verteidigen.
Die Forscher fanden heraus, dass ein bestimmtes genetisches Element in Bacteroides fragilis – einem häufigen Darmbakterium – die Angriffsmethoden dieses Bakteriums verändert. Wenn B. fragilis dieses Element aufnimmt, schaltet es eine seiner Waffen aus und ersetzt sie durch eine neue, gegen die das Bakterium, das das Gen übertragen hat, resistent ist. Diese Waffenverschiebung schafft es, dass sich das Bakterium in seiner Umgebung besser behaupten kann.
Gen-Transfer als Überlebensstrategie
Laurie Comstock, Professorin für Mikrobiologie und Hauptautorin der Studie, erforscht die Verteidigungsstrategien dieser Bakterien seit über zehn Jahren. Sie erklärt, dass sich Bacteroides rasch an neue Bedingungen anpasst, indem es DNA mit anderen Bakterien austauscht.
Diese Organismen entwickeln sich durch DNA-Transfers extrem schnell weiter. Es ist faszinierend.
Laurie Comstock
Durch die Übertragung bestimmter Gene deaktiviert B. fragilis seine ursprüngliche Waffe und rüstet eine neue Waffe auf, die es im Konkurrenzkampf im Darm stärkt.
Ein typisches Waffensystem dieser Bakterien ist das Typ-VI-Sekretionssystem (T6SS), das wie eine winzige „Gift-Speer“-Maschine funktioniert. Bei diesem System handelt es sich um eine Art Stachel, der giftige Substanzen direkt in benachbarte Zellen injizieren kann. Es gibt verschiedene Typen dieses Waffensystems, die sich je nach genetischer Ausstattung der Bakterien unterscheiden.
Konkurrenz im Darm: Bakterien passen ihre Waffen an
Die Forscher fanden heraus, dass die T6SS-Waffen, die durch den neuen Gen-Transfer aktiviert werden, nicht so tödlich sind wie das ursprüngliche System. Doch mit dieser neuen Strategie können sich die Bakterien vor feindlichen Angriffen schützen und gleichzeitig anderen Bakterien eine Art „Verteidigungswaffe“ übertragen, die ihnen hilft, in ihrem Lebensraum zu überleben.
In Versuchen mit Mäusen zeigte sich, dass Bakterien mit dieser neuen genetischen Anpassung erfolgreicher waren als ihre herkömmlichen Verwandten. Die Bakterien, die das neue Gen erhalten hatten, konnten sich im Darm der Mäuse besser durchsetzen und ihre Umgebung dominieren.
Die Ergebnisse der Studie deuten darauf hin, dass die Fähigkeit der Bakterien, ihre Waffen durch Gen-Transfers zu verändern, tiefgreifende Auswirkungen auf die Zusammensetzung der Darmflora haben könnte.
Was du dir merken solltest:
- Darmbakterien können durch Gen-Transfers ihre Waffen anpassen und so ihre Konkurrenz im Darm ausschalten.
- Das Bakterium Bacteroides fragilis nutzt ein genetisches Element, um sein Angriffssystem abzuschalten und durch ein neues zu ersetzen, das es vor seinen Gegnern schützt.
- Dieser Gen-Austausch ermöglicht es dem Bakterium, sich im Darm durchzusetzen und sich erfolgreich gegen andere Bakterienarten zu behaupten.
Übrigens: Selbst einfachste Bakterien wie Cyanobakterien können Jahreszeiten vorhersagen: Sie erkennen den nahenden Winter, indem sie auf das wechselnde Licht reagieren und sich anpassen. Mehr dazu erfährst du in unserem Artikel.
Bild: © Vecteezy
2 thoughts on “Waffenwechsel im Darm: Wie Bakterien ihre Gegner austricksen”