Die perfekte Balance: Warum unser Gehirn Chaos braucht – aber nicht zu viel

Chaos oder Ordnung? Das Gehirn braucht beides, um optimal zu funktionieren.

Computer Screen Displaying Human Brain

Forscher haben entdeckt, unter welchen Bedingungen das Gehirn am effizientesten arbeitet. © Vecteezy

Das menschliche Gehirn ist ein echtes Multitalent: Es verarbeitet Unmengen an Informationen in kürzester Zeit, lernt aus Erfahrungen und passt sich ständig neuen Herausforderungen an. Doch wie gelingt dieser Balanceakt zwischen stabiler Ordnung, notwendigem Chaos und flexibler Anpassungsfähigkeit? Forscher der Technischen Universität Dresden haben genau das untersucht – und spannende Erkenntnisse gewonnen. Die Studie zeigt, dass unser Gehirn einen optimalen Gleichgewichtszustand anstrebt, der Effizienz und Anpassungsfähigkeit verbindet.

Wie das Gehirn Informationen verarbeitet

Unser Gehirn arbeitet nach zwei grundlegenden Prinzipien. Erstens gibt es die Kritikalität – einen Zustand, der zwischen vollständiger Ordnung und absolutem Chaos liegt. Ist das Gehirn zu geordnet, wird es starr und unflexibel. Ist es zu chaotisch, verarbeitet es Informationen ineffizient. Zweitens sorgt das Gehirn für eine effiziente Kodierung. Es filtert unwichtige Signale heraus und spart so Energie.

Bisher ging die Wissenschaft davon aus, dass diese beiden Prinzipien getrennt voneinander wirken. Doch die Studie unter der Beteiligung der Technischen Universität Dresden zeigt: Sie sind eng miteinander verknüpft. Das bedeutet, dass unser Gehirn nicht zufällig zwischen Ordnung und Chaos pendelt, sondern genau den Punkt sucht, an dem es Informationen am besten verarbeitet.

Neue Simulationen zeigen das perfekte Gleichgewicht

Um diesen Mechanismus besser zu verstehen, entwickelten Forscher aus Dresden, Tübingen, Paris und Shanghai eine Computer-Simulation. Sie bauten ein Modell, das die Arbeitsweise von echten Nervenzellen im Gehirn nachahmt. Im Gegensatz zu früheren Studien wurde das System nicht gezielt auf Kritikalität eingestellt, sondern darauf, Informationen so effizient wie möglich zu verarbeiten – so, wie das Gehirn im Alltag arbeitet.

Ein zentraler Faktor in der Simulation war das Rauschniveau. In diesem Zusammenhang bedeutet „Rauschen“ nicht Lärm, sondern zufällige Störungen in den Nervenzellen. Die Wissenschaftler variierten das Rauschen, um herauszufinden, wie sich die Leistung des Netzwerks verändert.

Weder zu viel, noch zu wenig – das Gehirn braucht die richtige Dosis

Die Ergebnisse waren eindeutig: Das beste Ergebnis erzielte das Modell bei einem mittleren Rauschniveau. In diesem Zustand zeigte das Netzwerk eine hohe Informationsverarbeitung und gleichzeitig typische Zeichen für Kritikalität. Das bedeutet, dass das Gehirn optimal arbeitet, wenn es sich genau zwischen absoluter Ordnung und völliger Unordnung befindet.

Zu wenig Rauschen führte dazu, dass sich die Nervenzellen zu stark synchronisierten. Das klingt zunächst positiv, machte das Netzwerk aber starr und unflexibel. Zu viel Rauschen dagegen brachte die Neuronen durcheinander, sodass keine klare Verarbeitung mehr möglich war. Das Gehirn braucht also eine perfekte Balance zwischen beidem, um effizient zu funktionieren.

Kritikalität und psychische Erkrankungen

Das Gleichgewicht zwischen Ordnung und Chaos spielt auch bei psychischen Erkrankungen eine Rolle. Forscher der Technischen Universität Dresden fanden Hinweise darauf, dass Schizophrenie mit einer Hyperkonnektivität verbunden ist – das bedeutet, dass zu viele Verbindungen zwischen Nervenzellen bestehen, was zu chaotischen Denkmustern führen kann. Menschen mit Depressionen oder Zwangsstörungen hingegen zeigen oft eine übermäßige Ordnung im Gehirn, wodurch Gedanken starr und wiederholend werden.

Künstliche Intelligenz könnte vom Gehirn lernen

Die Erkenntnisse aus der Forschung könnten nicht nur unser Verständnis des Gehirns verbessern, sondern auch die Entwicklung von künstlicher Intelligenz voranbringen. Laut den Forschern könnten Computersysteme, die sich an den Prinzipien der Kritikalität orientieren, effizienter und robuster werden.

Wenn Maschinen lernen, ähnlich wie das Gehirn ein Gleichgewicht zwischen Stabilität und Flexibilität zu halten, könnten sie komplexe Probleme besser lösen. Das Gehirn zeigt damit nicht nur, wie es selbst optimal arbeitet, sondern liefert auch Vorbilder für zukünftige Technologien.

Kurz zusammengefasst:

  • Das Gehirn arbeitet nach zwei Prinzipien: Kritikalität, also das Gleichgewicht zwischen Ordnung und Chaos, und effiziente Kodierung, bei der unwichtige Signale herausgefiltert werden – eine Studie unter Beteiligung der Technischen Universität Dresden zeigt, dass beide eng zusammenhängen.
  • In einer Simulation stellten Forscher fest, dass das Gehirn am besten funktioniert, wenn es sich in einem mittleren Bereich zwischen völliger Ordnung und Chaos bewegt – zu viel oder zu wenig Rauschen in den Nervenzellen kann die Verarbeitung stören.
  • Dieses Gleichgewicht beeinflusst nicht nur die Informationsverarbeitung, sondern könnte auch eine Rolle bei psychischen Erkrankungen spielen und als Vorbild für effizientere künstliche Intelligenz dienen.

Bild: © Vecteezy

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert