Renaissance der Atomkraft: Warum Microsoft in den Neustart von Three Mile Island investiert

Microsoft setzt auf Atomkraft, um den Energiehunger seiner KI zu stillen. In Three Mile Island soll der alte Reaktor wieder ans Netz gehen.

Kernkraftwerk Three Mile Island

Das Kernkraftwerk Three Mile Island soll wieder in Betrieb genommen werden. © Wikimedia

Der steigende Energiehunger durch künstliche Intelligenz treibt Microsoft dazu, auf Atomkraft zu setzen – und das ausgerechnet an einem der historisch brisantesten Orte der USA. In Three Mile Island, wo es 1979 zum schwersten Atomunfall der US-Geschichte mit einer teilweisen Kernschmelze kam, sollen die Reaktoren bald wieder hochgefahren werden, um den enormen Strombedarf der Zukunft zu sichern.

Die Entscheidung mag auf den ersten Blick überraschen, doch Microsoft und Constellation Energy, die das Kraftwerk betreiben, sehen darin eine pragmatische Lösung. Wie Nature berichtet, benötigen KI-Rechenzentren enorme Mengen Strom, und erneuerbare Energien allein können diesen Bedarf nicht decken. In den USA erleben Atomkraftwerke daher eine Renaissance – auch, weil sie CO2-arm sind und so die Klimaziele unterstützen.

Atomkraft voraus – ein zweites AKW soll reaktiviert werden

Nicht nur Microsoft setzt wegen seiner energiehungrigen KI auf Atomkraft. Die US-Regierung und der Bundesstaat Michigan haben kürzlich fast zwei Milliarden Dollar zugesagt, um das Palisades-Kernkraftwerk am Ufer des Michigansees wieder in Betrieb zu nehmen. Das AKW wurde 2022 abgeschaltet und soll nun bis 2025 wieder Strom liefern. „Es ist das erste Mal weltweit, dass so etwas versucht wird“, erklärt Jason Kozal, Direktor der Reaktorsicherheitsabteilung bei der US-Atomaufsichtsbehörde, gegenüber Nature.

Die Wiederinbetriebnahme von Reaktoren stellt allerdings besondere Anforderungen an Technik und Sicherheit. Die Anlagen wurden eingemottet, Brennstäbe entfernt und strenge Sicherheitsprüfungen pausiert. Jetzt müssen die Betreiber nicht nur neue Brennelemente einsetzen, sondern auch die gesamte Infrastruktur auf den neuesten Stand bringen. Korrosion in den Turbinen, beschädigte Leitungen und veraltete Steuerungssysteme müssen repariert oder ersetzt werden.

Sicherheit als oberstes Gebot

Wie Nature berichtet, wird bei der Wiederinbetriebnahme nichts dem Zufall überlassen. Bei Palisades zeigte eine Inspektion der Dampfgeneratoren, dass umfangreiche Reparaturen nötig sind, bevor die Anlage wieder sicher Strom produzieren kann. Jamie Pelton, stellvertretender Direktor bei der Atomaufsichtsbehörde, betont, dass jedes Detail überprüft werden müsse, um die strengen Sicherheitsstandards zu erfüllen.

Führung im Simulator des Kernkraftwerks Three Mile Island, einer Nachbildung des tatsächlichen Kontrollraums. © Nuclear Regulatory Commission via Wikimedia unter CC BY 2.0
Führung im Simulator des Kernkraftwerks Three Mile Island, einer Nachbildung des tatsächlichen Kontrollraums. © Nuclear Regulatory Commission via Wikimedia unter CC BY 2.0

Die USA sehen in der Atomkraft eine wichtige Säule ihrer Energieversorgung. Aktuell liefert sie etwa neun Prozent des weltweiten Stroms, doch der Wettbewerb mit erneuerbaren Energien bleibt hart.

Atomkraft gewinnt weltweit wieder an Bedeutung

Die Haltung zur Atomkraft hat sich weltweit verändert, vor allem im Zuge des Klimawandels und der Energiekrise, die durch die russische Invasion in der Ukraine verschärft wurde. Länder wie Japan, das nach der Fukushima-Katastrophe 2011 seine Reaktoren abgeschaltet hatte, haben sie wieder in Betrieb genommen. Gleichzeitig setzen Staaten wie China, Indien und Russland auf den Bau neuer Anlagen, während Polen, Rumänien und Südkorea ähnliche Projekte in Erwägung ziehen. Frankreich, Belgien und Finnland planen sogar, ihre Kapazitäten weiter auszubauen, wie Swissinfo berichtet.

Auch auf der COP28 in Dubai gab es deutliche Signale zugunsten der Atomkraft: Über 20 Länder, darunter die USA, Großbritannien, Frankreich, Ghana und Schweden, haben sich verpflichtet, die Kapazitäten der Atomkraft bis 2050 zu verdreifachen. Laut der Internationalen Energieagentur (IEA) ist dies notwendig, um die im Pariser Klimaabkommen festgelegten Klimaziele zu erreichen. Doch Kritiker warnen, dass diese Pläne angesichts hoher Kosten, Bauverzögerungen und ungelöster Fragen zur Atommüllentsorgung schwer umsetzbar seien.

Schweiz prüft Zukunftsszenarien für neue Atomkraft

Auch in der Schweiz hat der Wind mittlerweile gedreht. Wie Swissinfo berichtet, mehren sich Stimmen, insbesondere aus dem Mitte-Rechts-Lager, die glauben, dass die Energiewende ohne Atomkraft nicht machbar ist. Der Schweizer Bundesrat stellt nun den bisherigen Kurs einer atomfreien Zukunft infrage. Die vorhandenen Kernkraftwerke könnten nach Vorstellungen des Bundesrats neue Reaktoren bekommen.

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Neuer Brennstoff für alte Reaktoren

Eine der größten Herausforderungen für die Wiederinbetriebnahme von Reaktoren ist die Beschaffung von frischem Uran. Bisher haben die USA viel von ihrem Brennstoff aus Russland bezogen. Doch seit dem Ukraine-Krieg forcieren die USA den Aufbau einer eigenen Lieferkette. Das US-Energieministerium hat daher 3,4 Milliarden Dollar bereitgestellt, um inländisch angereichertes Uran zu kaufen.

Was du dir merken solltest:

  • Microsoft setzt auf Atomkraft, um den steigenden Strombedarf seiner KI-Rechenzentren zu decken und beteiligt sich an der Wiederinbetriebnahme von Three Mile Island.
  • Die weltweite Haltung zur Atomkraft hat sich durch den Klimawandel und Energiekrisen verändert, Länder wie Japan und Frankreich bauen ihre Kapazitäten wieder aus.
  • Eine große Herausforderung bleibt die Sicherstellung neuer Uranquellen, insbesondere seit der Ukraine-Krise, was in den USA verstärkte Bemühungen zur eigenen Uranversorgung auslöst.

Übrigens: Das kalifornische Start-up Deep Fission will Atomreaktoren 1.600 Meter unter der Erde installieren – sicherer und günstiger als je zuvor. Wie diese innovative Technologie funktionieren soll, erfährst du in unserem Artikel.

Bild: © Constellation Energy via Wikimedia unter CC BY-SA 4.0

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