Fitness-Apps machen Frust statt fit – Studie zeigt, wann sie uns eher schaden als helfen
Ein Forschungsteam aus London zeigt, dass Fitness-Apps bei vielen Menschen nicht Motivation, sondern Frust und Scham auslösen können.
Die Analyse des University College London belegt, dass strenge Algorithmen und ständige App-Erinnerungen bei vielen Nutzern Stress statt Ansporn erzeugen. © Unsplash
Viele Menschen wollen mit Fitness-Apps gesünder leben. Doch anstatt zu motivieren, führen sie bei vielen zu Stress und Schuldgefühlen. Eine Analyse des University College London zeigt, wie digitale Selbstkontrolle durch Fitness-Apps kippen kann und warum sich Motivation und Leistungsdruck oft vermischen.
Die Wissenschaftler werteten fast 60.000 Beiträge auf der Plattform X aus. Sie bezogen sich auf fünf bekannte Apps: MyFitnessPal, Strava, WW (Weight Watchers), Muscle Booster und FitCoach. Rund 14.000 Posts waren eindeutig negativ. Viele Nutzer beschrieben Frust über zu hohe Ziele und ständige Erinnerungen, die sie eher entmutigten als anspornten.
Wenn Fitness-Apps die Motivation rauben
Die Untersuchung zeigt, dass viele Programme zu starr rechnen. Ihre Algorithmen passen sich kaum an den Alltag an. Eine Frau wollte etwa ihre verbrannten Kalorien beim Stillen eintragen – die App erkannte den Energieverbrauch aber nicht. Andere berichteten von Warnungen, die medizinisch fragwürdig klangen. Eine Nutzerin schrieb: „MyFitnessPal sagt, ich soll minus 700 Kalorien pro Tag essen, um mein Ziel zu erreichen.“
Viele fühlten sich von den ständigen Benachrichtigungen unter Druck gesetzt. Jede Mahlzeit, jeder Snack, jede Bewegung wird bewertet. „Ich habe keine Lust, mein Abendessen zu loggen, weil ich mich schäme, dass ich Pizza gegessen habe“, hieß es in einem Beitrag. Die Kontrolle erzeugt genau das Gegenteil von Motivation: Stress und schlechtes Gewissen.
Wenn Kontrolle zur Last wird
Vor allem MyFitnessPal wurde häufig als übergriffig empfunden. Humorvolle Posts machten den Ärger sichtbar. Ein Nutzer schrieb: „MyFitnessPal: ‚Warum hast du dein Abendessen nicht eingetragen?‘ Ich: ‚Weil ich gerade Eis gegessen habe.‘“
Wer seine Ziele verfehlt, fühlt sich oft schlecht. Besonders frustrierend: Wenn eine „Streak“, also eine Serie erfolgreicher Tage, durch einen einzigen verpassten Eintrag gelöscht wird. Das mindert den Spaß und senkt die Motivation weiter. So bewerten Nutzer ihre schlechten Erfahrungen:
- 13.799 ausgewertete Beiträge zeigten Frust über Apps
- Häufige Emotionen: Ärger, Scham, Enttäuschung
- Hauptursachen: unrealistische Ziele, technische Fehler, Druck durch Benachrichtigungen
Technikprobleme verschärfen den Frust
Neben psychischem Druck spielten auch technische Probleme eine Rolle. Viele Nutzer klagten über verlorene Daten, Abstürze oder fehlerhafte Synchronisation. „Ich habe einen persönlichen Rekord geschafft – aber mein Handy ist abgestürzt. Jetzt steht davon nichts in Strava“, schrieb ein Läufer.
Wenn Trainingserfolge verschwinden, verlieren sie an Bedeutung. Die Freude über Bewegung wird kleiner, das Vertrauen in die App schwindet.
Wie Fitness-Apps die Motivation stärken können
Der Kölner Sportpsychologe Jens Kleinert erklärt: „Fitness-Apps sind Orte, wo ich mich ständig mit anderen im Vergleich sehe. Dann laufe ich schnell einem Ideal hinterher, das ich nie erreichen kann.“ Sein Rat: den eigenen Fortschritt wichtiger nehmen als externe Bewertungen.
Auch die Forscher des University College London fordern ein Umdenken. Statt starrer Zahlen sollten Fitness-Apps das Wohlbefinden stärken: Positive Rückmeldungen, kleine Etappenziele und Pausen seien entscheidend, um die Motivation zu erhalten.
Wann Abschalten hilft
Wer merkt, dass eine App eher stresst als hilft, sollte sie zeitweise ruhen lassen. Pausen erleichtern es, wieder auf das eigene Körpergefühl zu achten. „Kommerzielle Fitness-Apps sind darauf ausgelegt, Nutzer zu binden, nicht unbedingt, ihre Gesundheit zu verbessern“, heißt es in der Studie kritisch.
Tipps für Nutzer:
- Bei Stress oder Überforderung App-Pause einlegen
- Kleine, erreichbare Ziele setzen
- Fortschritt nicht nur an Zahlen messen
Tipps für Entwickler:
- Realistische Empfehlungen und einfache Rückmeldungen anbieten
- Psychologische Faktoren stärker berücksichtigen
Zusammenfassend lässt sich sagen: Fitness-Apps können helfen – wenn sie nicht überfordern, sondern zu einem realistischen und gesunden Umgang mit Bewegung führen.
Kurz zusammengefasst:
- Fitness-Apps sollen zu mehr Bewegung anregen, führen laut einer neuen Studie aber oft zu Stress und Frust, wenn Ziele unrealistisch sind oder Vergleiche mit anderen Druck erzeugen.
- Viele Nutzer verlieren durch Fitness-Apps die Motivation, weil sie sich durch ständige Bewertungen, Benachrichtigungen und technische Fehler überfordert fühlen.
- Fachleute empfehlen, Fitness-Apps bewusster zu nutzen, kleine erreichbare Ziele zu setzen und das eigene Wohlbefinden wichtiger zu nehmen als Zahlen und Rankings.
Übrigens: Wer früher schlafen geht, bewegt sich am nächsten Tag messbar mehr – ganz ohne Extra-Training oder neue Routine. Mehr dazu in unserem Artikel.
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