Schlafmangel, Stress, Glück: Ist Elternsein wirklich ein Gesundheitsrisiko?

Elternsein bedeutet Dauerstress und schlaflose Nächte. Doch Kinder können langfristig die Gesundheit stärken.

Müde, ausgelaugt – und doch glücklicher: Das Leben mit Kindern ist oft gesünder, als viele denken. © Pexels

Müde, ausgelaugt – und doch glücklicher: Das Leben mit Kindern ist oft gesünder, als viele denken. © Pexels

Das Elternsein gehört zu den intensivsten Lebensphasen. Neben Freude und Glück bringen Kinder auch Schlafmangel, Stress und körperliche Belastungen mit sich. Doch wie wirkt sich das auf die Gesundheit aus? Ein Empfehlungspapier des Surgeon Generals der USA nennt die Risiken, denen Eltern heute stärker ausgesetzt sind als früher. Neben körperlichen Auswirkungen stehen vor allem psychische Belastungen im Fokus. Laut der ZEIT fehlen jedoch umfassende Studien zu dem Thema. Allerdings gibt es viele gesundheitliche Aspekte, die das Elternsein mit sich bringt – positive wie negative.

Schlafmangel als Dauerthema für Eltern

Die wohl bekannteste Begleiterscheinung des Elternseins ist Schlafmangel. Besonders Mütter leiden in den ersten Monaten nach der Geburt oft unter unregelmäßigem und wenig erholsamem Schlaf. Laut einer deutschen Längsschnittstudie von 2019 dauert es bis zu sechs Jahre, bis Eltern wieder ähnlich lange und erholsam schlafen wie vor der Geburt. Auch ältere Kinder können einem den Schlaf rauben – etwa, wenn Teenager nachts unterwegs sind.

Die Auswirkungen sind gut dokumentiert: Bereits ein bis zwei Wochen mit weniger als sieben Stunden Schlaf können die kognitive Leistungsfähigkeit stark einschränken. Menschen werden unaufmerksamer, reagieren langsamer und sind schneller gereizt. Schlafforscherin Eti Ben Simon betont: „Eltern müssen hin und wieder ein oder zwei Nächte richtig ausschlafen, um sich wieder wie sie selbst zu fühlen.“

Langfristig kann Schlafmangel jedoch auch körperliche Risiken bergen. Dazu gehören ein erhöhtes Risiko für Übergewicht, Diabetes Typ 2 und Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Hoffnung macht der Fakt, dass die meisten Eltern in Deutschland laut Studien durchschnittlich 6,9 Stunden Schlaf pro Nacht bekommen – mehr als oft vermutet. Zudem schläft etwa die Hälfte der einjährigen Kinder bereits regelmäßig sechs Stunden durch.

Rückenschmerzen und körperliche Belastungen

Das Tragen schwerer Kinder oder das Heben von Kinderwagen und Laufrädern fordert die körperliche Fitness vieler Eltern heraus. Rückenschmerzen sind dabei ein häufiges Thema. Orthopäde Bernd Kladny hält diese Sorgen jedoch für übertrieben: „Unser Körper, unsere Wirbelsäule sind für das Leben mit Kindern gebaut. Sonst hätte die Evolution das schon anders eingerichtet.“

Rückenschmerzen entstehen oft durch schwache Muskeln oder Fehlhaltungen. Regelmäßiger Sport und die Einhaltung einfacher Regeln beim Heben können helfen, Bandscheibenvorfälle zu vermeiden. „Ein Kind ist ein wertvolles Gewicht, aber wir müssen es behandeln wie jede andere Last auch“, erklärt Kladny. Das bedeutet: Aus den Knien heben, das Gewicht nah am Körper halten und einseitige Belastungen vermeiden.

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Stress spielt ebenfalls eine Rolle. Orthopädin Anna-Katharina Doepfer erklärt gegenüber der ZEIT, dass Muskelverspannungen durch hohen Stress häufiger zu Rückenschmerzen führen können. Neben gezieltem Krafttraining sei ein besseres Stressmanagement entscheidend.

Eltern in Bewegung: Sport als Lösung?

Viele Eltern kämpfen mit Bewegungsmangel. Der Alltag lässt oft kaum Zeit für gezielte sportliche Betätigung. Laut Ingo Tusk von der Deutschen Gesellschaft für Sportmedizin haben Eltern jedoch einen kleinen Vorteil: Kinder sorgen automatisch für mehr Bewegung, etwa durch spontane Laufradtouren oder Spaziergänge mit dem Babywagen. „Das sind alles Dinge, die Eltern fit halten“, betont Tusk.

Dennoch reicht diese Alltagsbewegung nicht immer aus, um die psychischen Belastungen auszugleichen. Richtiger Sport wie Joggen, Schwimmen oder Radfahren kann Endorphine freisetzen und so Stress reduzieren. Tusk empfiehlt das Joggen mit einem Sportkinderwagen als ideale Kombination von Bewegung und Kinderbetreuung.

Kleine und große Verletzungen im Alltag

Der Alltag mit Kindern birgt nicht nur Stress, sondern auch Verletzungsgefahren. Eltern stolpern über Lego-Steine, werden von Spielzeugen getroffen oder erleiden Prellungen bei der Kinderbetreuung. Michael Wünning, Leiter der Notaufnahme des Marienkrankenhauses Hamburg, erinnert sich an einen Vater, der über ein Lego-Bergdorf stürzte: „Er hatte maximale Prellungen und einen Riesenschreck.“ Ernsthafte Verletzungen seien jedoch selten.

Statistiken zu elternspezifischen Verletzungen fehlen bisher. Die meisten Vorfälle sind harmlos, erfordern aber oft schnelle Erste-Hilfe-Maßnahmen.

Lautstärke und Stress: Belastung für die Ohren?

Der Lärmpegel im Alltag von Eltern kann hoch sein. Spielzeugstaubsauger, Musikboxen und laute Kinderrufe erreichen oft über 75 Dezibel – die empfohlene Obergrenze der Weltgesundheitsorganisation. Laut HNO-Arzt Michael Deeg sind langfristige Hörschäden jedoch unwahrscheinlich, da kritische Lautstärken von 85 Dezibel über längere Zeit selten erreicht würden.

Stress durch hohe Geräuschpegel ist jedoch eine reale Belastung. Besonders Schreiattacken oder plötzliches Türknallen können Eltern nervlich stark beanspruchen. „Ein Schrei kann deutlich über hundert Dezibel erreichen und die Schmerzwelle überschreiten“, erklärt Deeg. Dauerhafte Schäden entstünden dadurch jedoch nicht.

Psychische Belastungen: Eltern-Burn-out auf dem Vormarsch

Neben körperlichen Herausforderungen kämpfen viele Eltern mit psychischen Belastungen. Laut einer aktuellen Forsa-Umfrage fühlen sich 70 Prozent der Eltern in Deutschland erschöpft oder ausgebrannt. Chronischer Stress kann langfristig Krankheiten wie Bluthochdruck, Depressionen oder Rückenschmerzen fördern. Sabine Walper vom Deutschen Jugendinstitut fordert: „Kinder müssen die Erfahrung machen, dass auch ihre Eltern Bedürfnisse haben.“

Das Empfehlungspapier des Surgeon Generals regt regelmäßige Check-ups für Eltern an, um psychische Probleme frühzeitig zu erkennen. Präventionsmaßnahmen wie Sport, Schlaf und Achtsamkeit könnten helfen, den Stresspegel zu senken.

Intensivere Elternschaft als neue Herausforderung

Die Erwartungen an Elternschaft sind in den letzten Jahren gestiegen. Laut Walper widmen Eltern heute deutlich mehr Zeit der Betreuung ihrer Kinder. Diese Entwicklung hat jedoch ihren Preis: Besonders Mütter seien vom sogenannten Mental Load betroffen, da sie neben der Erziehung oft auch im Beruf stark gefordert sind.

Experten raten, Kinder stärker in eine selbstständige Rolle zu führen und als Eltern auf eigene Entlastung zu achten. Gleichzeitig zeigen Studien, dass Eltern im Vergleich zu Kinderlosen oft gesünder leben. Weniger Alkohol, gesündere Ernährung und mehr Zeit an der frischen Luft sind nur einige Beispiele.

Müde, aber nicht ungesünder?

Trotz aller Belastungen hat das Elternsein auch gesundheitliche Vorteile. Untersuchungen zeigen, dass Eltern oft ein stärkeres Immunsystem haben und länger leben als Kinderlose, besonders wenn sie mehr als ein Kind haben. Laut Walper ist bei solchen Studien jedoch nicht ganz klar, „ob diejenigen, die weniger gesund sind, auch eher keine Kinder bekommen wollen oder können“. Die Expertin führt weiter aus: „Einige Studien zeigen, dass auch Adoptiveltern einen gesundheitlichen Vorteil gegenüber Kinderlosen haben.“

Elternsein ist somit ein Balanceakt zwischen Belastung und Bereicherung – eine intensive Lebensphase, die fordert, aber auch stärkt.

Was du dir merken solltest:

  • Schlafmangel und Stress: Eltern kämpfen oft mit Schlafentzug, der langfristig Risiken wie Übergewicht, Diabetes oder Herz-Kreislauf-Erkrankungen erhöhen kann. Regelmäßige Erholung und Schlafpausen sind entscheidend für ihre Gesundheit.
  • Körperliche Belastungen: Rückenschmerzen entstehen häufig durch schwache Muskeln oder falsches Heben. Sport und richtige Hebetechniken entlasten die Wirbelsäule und verhindern Verletzungen.
  • Psychische Herausforderungen: Chronischer Stress und Eltern-Burn-out sind weit verbreitet. Präventionsmaßnahmen wie Sport, Achtsamkeit und das Einfordern eigener Freiräume helfen, die mentale Gesundheit zu stärken.

Übrigens: Eltern stehen heute unter enormem Druck: Perfektion, Präsenz und ständig wachsende Erwartungen fordern ihren Tribut. Doch emotional intelligente Eltern setzen ein klares Zeichen gegen den Stress – mit dem simplen Mantra: „Ich bin genug.“ Mehr dazu in unserem Artikel.

Bild: © Pexels

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