Studie warnt: Antibiotika in der Kindheit kann langfristig zu Übergewicht führen
Frühe Einnahme von Antibiotika erhöht laut einer aktuellen Studie der Universität Oulu das Risiko für Übergewicht und Adipositas bei Kindern.

Kinder, die in den ersten beiden Lebensjahren Antibiotika einnehmen, haben laut Studie der Universität Oulu ein höheres Risiko für Übergewicht. © DALL-E
Der frühe Einsatz von Medikamenten kann weitreichende Folgen haben: Eine neue finnische Untersuchung zeigt, dass Kinder, die in den ersten beiden Lebensjahren Antibiotika erhalten, später ein erhöhtes Risiko für Übergewicht und Adipositas entwickeln. Besonders in dieser sensiblen Phase könnte der Einfluss auf den Körper nachhaltiger sein als bisher angenommen. Die Ergebnisse der groß angelegten Studie wurden auf der Jahrestagung der Pediatric Academic Societies (PAS) 2025 vorgestellt.
Kinder, die früh Antibiotika bekamen, wiesen im Alter von zwei Jahren einen um 0,067 höheren alters- und geschlechtsangepassten Body-Mass-Index (BMI) auf. Ihr Risiko für Übergewicht war um 9 Prozent, ihr Risiko für Adipositas um 20 Prozent höher als bei Kindern ohne frühe Antibiotikagabe.
Antibiotika im Kleinkindalter erhöhen später das Risiko für Übergewicht
Die Studie wurde von einem Forschungsteam der Universität Oulu in Finnland durchgeführt. Die Forscher analysierten Daten von mehr als 33.000 vaginal geborenen Kindern. Im Fokus standen verschiedene Zeiträume, in denen Kinder Antibiotika erhalten hatten: vor der Schwangerschaft der Mutter, während der Schwangerschaft, während der Geburt sowie in den ersten zwei Lebensjahren.
Das Ergebnis war eindeutig: Nur die Einnahme von Antibiotika in den ersten 24 Monaten nach der Geburt zeigte einen Zusammenhang mit einem später höheren BMI und mehr Übergewicht. Antibiotika während Schwangerschaft oder Geburt hatten keinen vergleichbaren Effekt.
Forscher sehen direkte Antibiotikagabe als kritisch an
„Die Antibiotikaexposition in den ersten beiden Lebensjahren steht in stärkerem Zusammenhang mit der Gewichtszunahme bei Kindern als die Exposition während der Schwangerschaft oder in anderen frühen Lebensphasen“, erklärte Dr. Sofia Ainonen von der Universität Oulu.
Laut der Studie hatten 68 Prozent der Kinder in den ersten beiden Lebensjahren mindestens einmal Antibiotika erhalten. Etwa 21 Prozent waren bereits während der Geburt Antibiotika ausgesetzt. Doch nur die direkte Einnahme im Säuglings- und Kleinkindalter zeigte Auswirkungen auf das Gewicht.
Antibiotika können die Darmflora nachhaltig stören
Die Forscher vermuten, dass die frühen Antibiotikagaben die Entwicklung der natürlichen Darmflora bei Kleinkindern stören. Diese Bakteriengemeinschaft ist wichtig für die Regulierung des Stoffwechsels. Veränderte Darmbakterien könnten dazu führen, dass Energie anders gespeichert wird und das Risiko für Übergewicht steigt.
Dr. Ainonen warnte ausdrücklich: „Ärzte müssen bei der Verschreibung von Antibiotika für Kleinkinder vorsichtig sein, insbesondere bei unnötigen Antibiotika für Infektionen der oberen Atemwege.“ Gerade bei banalen Erkältungen oder leichten Infekten sollten Antibiotika nicht vorschnell verordnet werden.
Adipositas bei Kindern: Früh handeln, Spätfolgen vermeiden
Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) schätzt, dass bereits über 159 Millionen Kinder und Jugendliche weltweit von Adipositas betroffen sind. Übergewicht im Kindesalter erhöht das Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Diabetes-Typ-2 und zahlreiche andere chronische Krankheiten erheblich.
Deshalb könnte der bewusste Verzicht auf unnötige Antibiotika in den ersten Lebensjahren ein wichtiger Beitrag sein, um späteren Gesundheitsproblemen vorzubeugen.
Sorgfältige Datenanalyse zeigt klare Zusammenhänge
Für die Studie griffen die Wissenschaftler auf nationale Register, elektronische Gesundheitsdaten und medizinische Aufzeichnungen zurück. Die Analysen wurden mithilfe statistischer Modelle durchgeführt, die Einflussfaktoren wie Geschlecht, Geburtsjahr, mütterlichen BMI, sozioökonomischen Status und Rauchen während der Schwangerschaft berücksichtigten.
Mit einem linearen Mixed-Model wurde die Veränderung des BMI nach 24 Monaten untersucht. Zudem bewerteten Cox-Regressionen das Risiko für Übergewicht und Adipositas bis zum Alter von zwölf Jahren.
Frühere Studien liefern gemischte Ergebnisse
Frühere Untersuchungen hatten teils widersprüchliche Resultate gezeigt. Eine US-Studie mit 40.000 Kindern aus dem Jahr 2016 fand keinen klaren Zusammenhang zwischen früher Antibiotikagabe und späterem Übergewicht. Eine italienische Analyse aus dem Jahr 2024 zeigte dagegen eine deutliche Dosis-Wirkungs-Beziehung: Je früher und häufiger Antibiotika verabreicht wurden, desto höher lag das Risiko für Adipositas.
Die aktuelle Studie aus Finnland stützt die Annahme, dass vor allem die ersten beiden Lebensjahre eine besonders sensible Phase für die spätere Gewichtsentwicklung darstellen.
Antibiotika für Kinder: Nur bei klarer Notwendigkeit einsetzen
„Studien, die mögliche kausale Zusammenhänge untersuchen, sollten sich auf Antibiotika in den ersten beiden Lebensjahren konzentrieren“, forderte Dr. Ainonen.
Die Forscher betonen, dass die Verschreibung von Antibiotika bei sehr kleinen Kindern sehr sorgfältig abgewogen werden sollte. Gerade bei viralen Infekten wie Erkältungen oder grippalen Infekten – bei denen Antibiotika ohnehin nicht wirken – sei Zurückhaltung angesagt.
Kurz zusammengefasst:
- Die Einnahme von Antibiotika in den ersten beiden Lebensjahren erhöht das Risiko für Übergewicht und Adipositas im Schulalter deutlich.
- Nur wenn Kleinkinder Antibiotika direkt einnahmen, führte dies zu einem höheren Body-Mass-Index. Antibiotika während Schwangerschaft oder Geburt hatten keinen Einfluss.
- Die Forscher empfehlen, Antibiotika bei kleinen Kindern nur sehr sorgfältig und wirklich nur bei klarer medizinischer Notwendigkeit einzusetzen.
Übrigens: Weil Antibiotika bei immer mehr Keimen versagen, setzen Forscher nun gezielt Viren gegen gefährliche Bakterien wie Staphylococcus aureus ein. Mehr dazu in unserem Artikel.
Bild: © DALL-E