Ärzte übersehen es oft – Wie der Menstruationszyklus Diagnosen verzerrt
Zyklusbedingte hormonelle Schwankungen steuern nicht nur die Stimmung, sondern auch das Herz. Das kann gravierende Folgen für Diagnosen und Behandlungen haben.

Ein unsichtbarer Faktor könnte Frauen das Leben kosten: Ihr Menstruationszyklus beeinflusst die Herzgesundheit stärker als bisher gedacht. © Pexels
Der weibliche Körper verändert sich ständig – nicht nur äußerlich, sondern auch innerlich. Der Menstruationszyklus beeinflusst dabei mehr als nur die Fortpflanzung: Eine neue Studie zeigt, dass hormonelle Schwankungen Auswirkungen auf das Herz-Kreislauf-System und das Gehirn haben können. Wissenschaftlerinnen des Max-Planck-Instituts für Kognitions- und Neurowissenschaften haben untersucht, wie sich der Zyklus auf die Gesundheit von Frauen auswirkt und warum diese Erkenntnisse in der Medizin eine entscheidende Rolle spielen sollten.
Der Zyklus bestimmt mehr als die Stimmung
Viele Frauen kennen die typischen Begleiterscheinungen ihrer Menstruation: Stimmungsschwankungen, Kopfschmerzen oder Energielosigkeit. Doch laut der neuen Studie verändern sich auch physiologische Prozesse im Körper – insbesondere das Herz schlägt je nach Zyklusphase anders.
„Die Herzphysiologie von Frauen ist nicht statisch, sie schwankt mit ihren natürlichen hormonellen Rhythmen“, erklärt Jellina Prinsen, Erstautorin der Studie. Diese Veränderungen können sich nicht nur auf das Stressniveau und die emotionale Stabilität auswirken, sondern auch langfristige Folgen für die Herzgesundheit haben.
Herzrhythmusstörungen treten bei Frauen häufiger auf als bei Männern – ein Fakt, der bislang kaum beachtet wurde. Diese Unterschiede können in der medizinischen Praxis zu Fehldiagnosen oder Verzögerungen in der Behandlung führen.
Bessere Diagnosen und individuellere Behandlungen
Julia Sacher, Forschungsgruppenleiterin am Max-Planck-Institut, kritisiert, dass die medizinische Forschung lange Zeit auf den männlichen Körper ausgerichtet war. „Dies hat zu kritischen Lücken in unserem Verständnis frauenspezifischer Faktoren geführt, z. B. wie sich der Menstruationszyklus auf Diagnose und Behandlung auswirken kann.“
Gerade in der Kardiologie können diese Erkenntnisse eine große Rolle spielen.
Solche Schwankungen in der Herztätigkeit können sich darauf auswirken, wie schnell eine Frau diagnostiziert wird, wenn etwas nicht stimmt.
Jellina Prinsen
Wird das individuelle Zusammenspiel von Herz und Hormonhaushalt besser verstanden, können Krankheiten früher erkannt und Behandlungen gezielter angepasst werden.
Die Forscherinnen fordern deshalb eine personalisierte Medizin, die den Menstruationszyklus in die Diagnostik und Therapie einbezieht. Hormonelle Schwankungen können nicht nur den Verlauf von Herz-Kreislauf-Erkrankungen, sondern auch die Wirksamkeit bestimmter Medikamente beeinflussen.
Warum Gendermedizin für die Frauengesundheit so wichtig ist
Die Wichtigkeit dieser Forschung wurde bereits honoriert: Jellina Prinsen erhielt das renommierte Marie-Skłodowska-Curie-Postdoktorandenstipendium, mit dem sie ihre Studien weiterführen kann. Gemeinsam mit Julia Sacher will sie frauenspezifische Faktoren in die kardiovaskuläre und neurologische Forschung integrieren – über den Menstruationszyklus hinaus.
Auch Themen wie Schwangerschaft, Perimenopause und Hormontherapien sollen intensiver untersucht werden. Die Forschung findet am Leipziger Zentrum für Frauengesundheit und Gendermedizin in Zusammenarbeit mit internationalen Partnern statt.
Langfristig hoffen die Wissenschaftlerinnen, dass sich die Medizin stärker an den biologischen Bedürfnissen von Frauen orientiert – und das Herz dabei nicht aus dem Blick verliert.
Kurz zusammengefasst:
- Hormonelle Schwankungen während des Menstruationszyklus führen zu Veränderungen in der Herz-Frequenz. Das kann sich auf das Stressniveau, die Stimmung und die Diagnose von Herzkrankheiten auswirken.
- Viele Diagnosen und Behandlungen basieren auf männlichen Referenzwerten, wodurch Krankheiten bei Frauen später erkannt oder falsch behandelt werden.
- Ärztliche Behandlungen sollten den Zyklus, hormonelle Einflüsse und individuelle Herzrhythmen berücksichtigen, um genauere Diagnosen und wirksamere Therapien zu ermöglichen.
Übrigens: Frauen dürfen erst seit 1993 an klinischen Studien teilnehmen. Jahrzehntelang basierte die medizinische Forschung fast ausschließlich auf männlichen Probanden – mit fatalen Folgen für die Schmerzbehandlung von Frauen. Mehr dazu in unserem Artikel.
Bild: © Pexels
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