Frauen haben ein stärkeres Immunsystem als Männer – und sind trotzdem von der Natur benachteiligt

Das Immunsystem von Frauen reagiert stärker auf Infektionen. Allerdings besteht ein höheres Risiko für Autoimmunerkrankungen und auch Impfstoffe wirken anders.

Frauen besitzen dank Chromosomenstruktur und Hormonen ein kräftigeres Immunsystem, sind jedoch häufiger von Autoimmunerkrankungen betroffen. © Unsplash

Frauen besitzen dank Chromosomenstruktur und Hormonen ein kräftigeres Immunsystem, sind jedoch häufiger von Autoimmunerkrankungen betroffen. © Unsplash

Frauen verfügen über ein biologisch stärkeres Immunsystem als Männer – ein Vorteil, der auf die Chromosomenstruktur zurückzuführen ist. Da viele Gene, die die Immunabwehr regulieren, auf dem X-Chromosom liegen, profitieren Frauen in der Regel durch ihre beiden X-Chromosomen von einer doppelten „Dosis“ dieser Abwehrgene. Männer hingegen haben ein X- und ein Y-Chromosom, wodurch ihnen dieser Schutz teilweise fehlt. „Frauen sind von der Infektanfälligkeit her resistenter“, erklärt Bodo Grimbacher vom Centrum für Chronische Immundefizienz am Uniklinikum Freiburg gegenüber der Tagesschau. Diese genetische Resilienz bewirkt, dass Frauen in der Regel seltener an Infektionen erkranken als Männer.

Doch diese doppelte Immunstärke hat auch eine Kehrseite: Sie erhöht bei Frauen das Risiko für Autoimmunerkrankungen. Bei Krankheiten wie Lupus, Hashimoto oder Multipler Sklerose greift das Immunsystem den eigenen Körper an, was Zellen, Nerven und Organe schädigen kann. Der systemische Lupus, eine besonders schwere Autoimmunerkrankung, tritt bei Frauen neunmal häufiger auf als bei Männern, wie Grimbacher berichtet. Dieser Zusammenhang zwischen einem stärkeren Immunsystem und der Prädisposition für Autoimmunerkrankungen unterstreicht die Komplexität des Immunsystems und die Notwendigkeit einer geschlechterspezifischen Betrachtung in der Medizin.

Hormonelle Einflüsse: Schutz für Frauen, Risiko für Männer

Auch Hormone spielen eine wesentliche Rolle für die Immunabwehr. Weibliche Geschlechtshormone wie Östrogen und Progesteron wirken stimulierend auf das Immunsystem und fördern die Antikörperbildung, was die Abwehr von Krankheitserregern unterstützt. Das männliche Hormon Testosteron dagegen schwächt die Immunantwort und kann sie in einigen Fällen sogar unterdrücken. Dieser Effekt ist ein weiterer Grund, warum Männer anfälliger für Infektionen sind. Markus Cornberg, Direktor des Zentrums für individualisierte Infektionsmedizin in Hannover, bestätigt laut Tagesschau, dass die Hormone eine klare Wirkung auf die Immunantwort zeigen.

Interessant ist zudem, wie die hormonellen Schwankungen während des Menstruationszyklus das Immunsystem von Frauen beeinflussen können. Obwohl noch nicht umfassend erforscht, lässt sich feststellen, dass sich die Immunabwehr in bestimmten Zyklusphasen verändert. Nach der Menopause, wenn die weiblichen Hormonspiegel sinken, schwächt sich die Immunabwehr von Frauen tendenziell ab. Dieser hormonelle Einfluss zeigt deutlich, dass das Immunsystem eng mit dem Geschlecht und den altersbedingten hormonellen Veränderungen verknüpft ist. Bei Männern und Frauen gleichermaßen nimmt die Immunfunktion mit dem Alter ab, was zu einer erhöhten Anfälligkeit für Infektionskrankheiten führt.

Frauen mit starker Impfreaktion und Nebenwirkungen

Die Unterschiede in der Immunreaktion zwischen Männern und Frauen werden auch bei Impfungen sichtbar. Frauen entwickeln in der Regel eine stärkere Immunantwort, was in Studien zur Covid-19-Impfung klar hervorgegangen sei. Laut Markus Cornberg zeigten Frauen dabei eine höhere Antikörper-Titer, also einen besseren Schutz, hatten jedoch gleichzeitig häufiger mit Nebenwirkungen zu kämpfen. Während der Pandemie berichteten Frauen mehr als doppelt so häufig wie Männer von Impfreaktionen. Cornberg regt deshalb an, „ob man nicht Frauen niedrigere Impfdosen verabreichen könnte, damit diese weniger Nebenwirkungen haben. Oder ob man nicht umgekehrt Männern höhere Impfdosen verabreichen kann, um deren Widerstandsfähigkeit zu steigern.“

Gendermedizin forscht zu Immunabwehr

Allerdings berücksichtigt die klinische Praxis diese Unterschiede bislang kaum, und Dosierungen werden hauptsächlich nach dem Alter der Patienten festgelegt, weniger nach dem Geschlecht. Die Gendermedizin soll hier Abhilfe schaffen. Aber auch in diesem Bereich besteht Nachholbedarf: Studien konzentrieren sich bisher meist auf das biologische Geschlecht, das die Chromosomenstruktur und die hormonellen Unterschiede beschreibt. Das soziale Geschlecht, das neben Männern und Frauen auch nicht-binäre Personen einschließt, bleibt oft unberücksichtigt.

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Trotz der Unterschiede hat sich die Natur bei der Immunabwehr aller Menschen einiges einfallen lassen. Das Immunsystem eines durchschnittlichen Mannes mit 73 Kilogramm Körpergewicht umfasst etwa 1,8 Billionen Immunzellen, die zusammen etwa 1,2 Kilogramm wiegen. Eine Frau mit 60 Kilogramm besitzt etwa 1,5 Billionen Immunzellen mit einem Gesamtgewicht von einem Kilogramm. Diese Zellen verteilen sich über den gesamten Körper und wehren Bakterien, Viren und andere Krankheitserreger ab. Insgesamt nutzt der menschliche Körper etwa fünf Prozent seiner gesamten Zellen zur Abwehr von Krankheiten – eine beeindruckende Leistung.

Was du dir merken solltest:

  • Frauen haben aufgrund der Chromosomenstruktur und Hormone ein stärkeres Immunsystem als Männer, sind jedoch anfälliger für Autoimmunerkrankungen.
  • Geschlechtsspezifische Unterschiede im Immunsystem beeinflussen die Wirkung und Nebenwirkungen von Impfstoffen, was in der Gendermedizin berücksichtigt wird.
  • Die individuelle Immunantwort wird von Faktoren wie Geschlecht, Alter und Hormonen geprägt und könnte künftig zu gezielteren Behandlungen führen.

Übrigens: Es gibt noch eine Sache, bei der Frauen im Vorteil sind: der Job der Gastrokritikerin. Diese leben nämlich länger als ihre männlichen Kollegen. Was dahintersteckt, erfährst du in unserem Artikel.

Bild: © Unsplash

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