Soziale Medien und Teenager: So gefährlich wäre ein Entzug für ihre Gesundheit
Welchen positiven Einfluss soziale Medien auf die mentale Gesundheit haben können, wird bei Diskussionen um Verbote oft ignoriert.
Soziale Medien spielen eine immer größere Rolle im Leben vieler Teenager, werden jedoch oft nur als Gefahrenquelle für die mentale Gesundheit – insbesondere bei Kindern und Jugendlichen – angesehen. Dabei können sie für viele eine wichtige Unterstützung darstellen.
Trotz noch unklarer Auswirkungen auf die psychische Gesundheit junger Menschen, besonders Teenager, hat der amerikanische Kongress gesetzliche Maßnahmen ergriffen: Bereits im Juni diesen Jahres hat der Surgeon General of the United States, Vivek Murthy, offiziell Warnhinweise für soziale Medien gefordert. Am 30. Juli verabschiedete der Senat parteiübergreifend den „Kids Online Safety Act“ und ein Begleitgesetz, den „Children and Teens’ Online Privacy Protection Act“.
Übrigens: Der US-Surgeon-General ist Leiter des öffentlichen Gesundheitsdienstes der USA. Er agiert als „Arzt der Nation“ in den USA und stellt den Bürgern topaktuelle wissenschaftliche Erkenntnisse bereit, mit denen sie ihre Gesundheit verbessern und das Risiko für Krankheiten und Verletzungen senken können.
Darüber hinaus haben laut USA Today mindestens 30 Staaten eigene Gesetzesvorlagen eingereicht, die von Altersbeschränkungen bis zu digitalen und Medienkompetenzkursen für Schüler reichen. Die Gesetze haben vor allem zum Ziel, durch Einschränkungen des Zugangs zu sozialen Medien Kinder und Jugendliche in der digitalen Welt besser zu schützen.
Die andere Seite der Medaille
Dabei können soziale Medien auch positive Effekte haben, die in solchen Diskussionen jedoch kaum zur Geltung kommen. Linda Charmaraman, Forscherin bei den Wellesley Centers for Women, betont zum Beispiel die Bedeutung sozialer Medien für Children of Color und LGBTQ+-Jugendliche: Soziale Medien können ihnen nämlich dabei helfen, Isolation zu reduzieren, anstatt sie zu verstärken. Sie bieten eine Form der Identitätsbestätigung, was besonders für Gruppen wichtig ist, die sich in der Gesellschaft nicht ausreichend repräsentiert sehen.
So nutzt etwa Arianne McCullough, eine 17-jährige Studentin an der Willamette University, Instagram, um mit anderen schwarzen Studenten in Kontakt zu bleiben. „Ich weiß, wie isolierend es sein kann, sich als einzige schwarze Person oder als Minderheit in einem Raum zu fühlen“, erklärt sie. Die sozialen Medien bieten ihr einen schnellen und einfachen Weg, um Verbindungen zu knüpfen und Unterstützung zu finden.
Warum es mehr Forschung braucht
Bestimmte Aspekte der sozialen Medien können schädlich sein: Dazu gehören algorithmisch gesteuerte Inhalte, die die Realität verzerren, unablässige Benachrichtigungen, die die Aufmerksamkeit stören und den Schlaf beeinträchtigen, sowie Anonymität, die Cybermobbing fördern kann. Trotzdem ist der Zusammenhang zwischen sozialen Medien und der psychischen Gesundheit von Jugendlichen oft komplexer, als es auf den ersten Blick erscheint, wie ein Bericht der „National Academies of Sciences, Engineering, and Medicine“ klarstellt.
Übereilte Entscheidungen von Gesetzgebern könnten laut dem Bericht sogar schädlich sein und die psychische Gesundheit junger Menschen weiter verschlechtern, indem ihnen der Zugang zur Hilfe dadurch erschwert wird. Daher fordern die Academies die National Institutes of Health (NIH) dazu auf, zunächst weitere Forschungsprojekte auf diesem Gebiet zu finanzieren. Jenny Radesky von der American Academy of Pediatrics will den Blick der Öffentlichkeit zudem vermehrt auf das lenken, was sie als „die echten Schadensmechanismen“ bezeichnet: Geschäftsmodelle, die zur exzessiven Nutzung von sozialen Medien verleiten sollen.
Was du dir merken solltest:
- Gesetzliche Initiativen wie der „Kids Online Safety Act“ sollen junge Nutzer in sozialen Medien schützen, könnten aber unbeabsichtigte Folgen haben.
- Soziale Medien bieten gerade marginalisierten Gruppen wichtige soziale Anknüpfungspunkte und Identitätsbestätigung, die ihnen ohne diese Plattformen oft fehlen.
- Die Beziehung zwischen sozialen Medien und mentaler Gesundheit ist komplex; weiterführende Forschung wird daher dringend benötigt, bevor Gesetzesgeber zu große Einschränkungen vornehmen.
Übrigens: Auch der US-Psychologe Jonathan Haidt behauptet, soziale Netzwerke verursachen psychische Probleme bei Jugendlichen. Seine Kollegen sind da jedoch skeptischer und sehen seine Thesen als übertrieben an. Was ist dran an dem Monster Social Media, wie Haidt es darstellt? Das kannst du in unserem Artikel nachlesen.
Bild: © Vecteezy
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