Trotz vollem Bauch: Warum wir nach dem Essen noch Lust auf Süßes haben
Satt, aber trotzdem Appetit auf Süßes? Eine neue Studie zeigt, wie das Gehirn uns austrickst.
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Das Verlangen nach einem Dessert ist kein Zufall. Wissenschaftler haben herausgefunden, dass das Gehirn den Körper austrickst. © Pexels
Ein reichhaltiges Essen liegt hinter uns, der Magen ist voll – und doch meldet sich die Lust auf etwas Süßes. Forscher am Max-Planck-Institut für Stoffwechselforschung haben nun herausgefunden, dass dieses Phänomen, bekannt als „Dessertmagen“, im Gehirn verankert ist. Dieselben Nervenzellen, die das Sättigungsgefühl auslösen, sorgen auch für das Verlangen nach Zucker.
Belohnung durch Zucker im Gehirn
Die Studie zeigt, dass bestimmte Nervenzellen im Hypothalamus, sogenannte POMC-Neuronen, eine doppelte Funktion haben. Sobald der Körper Nahrung aufgenommen hat, setzen sie Botenstoffe frei, die Sättigung signalisieren. Gleichzeitig produzieren sie das körpereigene Opiat ß-Endorphin, das ein Belohnungsgefühl auslöst.
Dieser Mechanismus wurde zunächst an Mäusen untersucht. Selbst wenn die Tiere gesättigt waren, nahmen sie Zucker weiterhin auf. Sobald sie Zucker fraßen, aktivierten die POMC-Neuronen das Belohnungssystem. War der Zucker jedoch nicht verfügbar, blieben die Tiere beim normalen Futter. Blockierten die Forscher die Opiatrezeptoren, verschwand das Verlangen nach Süßem – allerdings nur bei satten Mäusen.
Zucker wirkt bereits durch Wahrnehmung
Bemerkenswert war, dass der Zucker-Schaltkreis schon durch bloße Wahrnehmung aktiviert wurde. Auch Mäuse, die zuvor keinen Zucker gekostet hatten, reagierten sofort auf das süße Geschmackserlebnis. „Sobald die erste Zuckerlösung in den Mund der Mäuse gelangte, wurde der Schaltkreis aktiviert und durch weitere Zuckergaben deutlich verstärkt“, berichten die Forscher.
Diese Ergebnisse ließen sich auch auf den Menschen übertragen. In Hirnscans beobachteten die Wissenschaftler, dass dieselben Gehirnregionen reagierten, wenn Versuchspersonen über einen Schlauch Zuckerlösung aufnahmen. „Aus evolutionärer Sicht macht das Sinn: Zucker ist in der Natur selten, liefert aber schnell Energie“, erklärt Henning Fenselau, der Leiter der Studie. „Das Gehirn ist so programmiert, dass es die Aufnahme von Zucker immer dann steuert, wenn er verfügbar ist.“
Relevanz für Übergewichtstherapien
Die Ergebnisse könnten auch für die Behandlung von Übergewicht von Bedeutung sein. Fenselau erklärt: „Es gibt bereits Medikamente, die die Opiatrezeptoren im Gehirn blockieren, aber der Gewichtsverlust ist geringer als bei den sogenannten Diät-Spritzen. Wir glauben, dass eine Kombination mit ihnen oder auch mit anderen Therapien sinnvoll sein könnte. Das müssen wir aber noch untersuchen.“
Die Studie des Max-Planck-Instituts für Stoffwechselforschung zeigt, dass der „Dessertmagen“ mehr als nur eine Redensart ist – er ist eine direkte Reaktion des Gehirns auf Zucker, selbst wenn der Körper bereits satt ist.
Kurz zusammengefasst:
- Der sogenannte „Dessertmagen“ entsteht durch spezielle Nervenzellen im Gehirn, die nach einer Mahlzeit nicht nur Sättigung signalisieren, sondern auch das Belohnungssystem durch Zucker aktivieren.
- Diese Nervenzellen schütten das Opiat ß-Endorphin aus, das Lust auf Süßes macht – selbst dann, wenn der Körper eigentlich satt ist.
- Der Mechanismus wurde sowohl bei Mäusen als auch beim Menschen nachgewiesen und könnte eine Rolle bei der Entwicklung neuer Therapien gegen Übergewicht spielen.
Bild: © Pexels
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