Wie süchtige Eltern die Psyche ihrer Kinder prägen
Kinder süchtiger Eltern entwickeln oft selbst psychische Störungen. Besonders kritisch ist die frühe Kindheit.
Was passiert mit Kindern, die in Haushalten aufwachsen, in denen Sucht das Familienleben prägt? Eine neue schwedische Studie bringt alarmierende Erkenntnisse ans Licht: Männer, deren Eltern von Alkohol- oder Drogenproblemen betroffen sind, tragen ein bis zu 80 Prozent höheres Risiko für psychische Erkrankungen. Frauen sind ebenfalls deutlich gefährdet. Besonders die ersten Lebensjahre entscheiden darüber, wie sehr süchtige Eltern ihre Kinder belasten.
Sucht in der Familie: Der unsichtbare Schatten
Substanzgebrauchsstörungen umfassen laut PsyPost den wiederholten Missbrauch von Substanzen wie Alkohol oder Drogen, der negative Auswirkungen auf die körperliche und mentale Gesundheit, Beziehungen und die Arbeitsfähigkeit hat. Die Studie untersuchte, wie diese Erkrankungen nicht nur süchtige Eltern selbst, sondern auch deren Kinder beeinflussen.
Kinder, die mit süchtigen Eltern aufwachsen, tragen laut den Forschern um Hélio Manhica eine doppelte Bürde. Neben emotionalen Belastungen im Alltag wachsen sie mit einem höheren Risiko auf, später selbst psychische Probleme zu entwickeln. Rund 4 Prozent der untersuchten Kinder hatten mindestens einen Elternteil mit einer diagnostizierten Substanzgebrauchsstörung.
Risiken, die früh beginnen
Besonders auffällig war das Alter, in dem Kinder den Problemen der Eltern ausgesetzt waren. „Die Risiken sind deutlich höher, wenn die Kinder vor dem 12. Lebensjahr betroffen waren“, erklärten die Forscher. Diese Kinder entwickelten häufiger psychische Störungen als jene, die erst später in der Jugend mit den Süchten der Eltern konfrontiert wurden.
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Zwischen Geburt und dem 18. Lebensjahr erhielten etwa 14 Prozent der Teilnehmer eine psychiatrische Diagnose. Für Kinder süchtiger Eltern war das Risiko nahezu doppelt so hoch. Männer zeigten dabei eine stärkere Anfälligkeit als Frauen: Das Risiko lag bei ihnen 80 Prozent über dem der Vergleichsgruppe, bei Frauen betrug es 56 Prozent.
Männer tragen höhere Risiken – aber warum?
Ein zentraler Punkt der Studie waren geschlechtsspezifische Unterschiede. Männer wiesen ein deutlich höheres Risiko auf als Frauen. Nach genauerer Betrachtung und unter Berücksichtigung weiterer Faktoren wie Armut oder Migrationserfahrungen blieb dieser Unterschied bestehen. Warum das so ist, bleibt unklar.
„Es scheint, dass Männer in solchen Familiensituationen besonders verletzlich sind“, hieß es in der Analyse. Diese Anfälligkeit könne auf Unterschiede in der Stressbewältigung oder der sozialen Unterstützung zurückzuführen sein.
Ein Blick auf die Diagnosen: Doppelt so häufig selbst süchtig
Die Studie ging auch der Frage nach, welche spezifischen psychischen Störungen bei den betroffenen Nachkommen auftraten. Dabei zeigte sich ein alarmierendes Muster: Kinder süchtiger Eltern entwickelten 2,5-mal häufiger selbst eine Substanzgebrauchsstörung. Zudem waren sie etwa 2,2-mal häufiger von externalisierenden Störungen betroffen, also Verhaltensauffälligkeiten wie Aggression, Impulsivität oder Regelverletzungen.
Diese Ergebnisse verdeutlichen, dass nicht nur das Umfeld, sondern möglicherweise auch genetische Faktoren eine Rolle spielen könnten. „Die Daten legen nahe, dass sowohl das Verhalten der Eltern als auch die genetische Veranlagung erheblich zur erhöhten Anfälligkeit beitragen“, so die Autoren.
Sozialer Kontext verschärft das Problem
Die Forscher berücksichtigten in ihrer Analyse auch weitere soziale Faktoren wie Armut, Migrationserfahrung und den Wohnort. Nach diesen Anpassungen sanken die Risikoquoten zwar leicht, blieben jedoch signifikant. Besonders Kinder aus armen Verhältnissen oder mit Migrationshintergrund schienen stärker betroffen.
Die Forscher betonten, dass die Ergebnisse nicht eindeutig auf eine Ursache-Wirkung-Beziehung schließen lassen. „Es ist unklar, ob das Zusammenleben mit süchtigen Eltern direkt zu den erhöhten Risiken führt oder ob genetische oder soziale Faktoren stärker wiegen.“
Frühzeitige Unterstützung könnte helfen
Die Ergebnisse unterstreichen, wie wichtig präventive Maßnahmen sind, um die langfristigen Folgen für Kinder süchtiger Eltern zu minimieren. Frühe Unterstützung in Schulen, Zugang zu psychologischer Hilfe und gezielte Familienprogramme könnten dabei eine Schlüsselrolle spielen.
Was du dir merken solltest:
- Kinder von Eltern mit Substanzgebrauchsstörungen tragen ein deutlich höheres Risiko, selbst psychische Erkrankungen zu entwickeln – bei Männern liegt es 80 Prozent, bei Frauen 56 Prozent höher als bei Gleichaltrigen ohne betroffene Eltern.
- Besonders kritisch ist die frühe Kindheit: Wurden Kinder vor dem 12. Lebensjahr mit der Suchtproblematik ihrer Eltern konfrontiert, war ihr Risiko für psychische Störungen höher als bei späterer Exposition.
- Betroffene entwickeln besonders häufig selbst Substanzgebrauchsstörungen oder externalisierende Verhaltensauffälligkeiten wie Aggression oder Impulsivität.
Übrigens: Eltern stehen heute unter immensem Druck: Sie sollen jederzeit präsent sein, alles richtig machen und dem Bild perfekter Eltern entsprechen. Diese hohen Ansprüche zehren an den Kräften und verstärken das Gefühl, nie genug zu leisten. Wie Eltern mit emotionaler Intelligenz entspannter erziehen und dabei erfolgreicher sind, erfährst du in unserem Artikel.
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