Salat mit Plastikfüllung? Blattgemüse atmet Mikroplastik aus der Luft ein – und es lässt sich nicht abwaschen
Eine neue Studie zeigt: Mikroplastik belastet Gemüse wie Salat direkt über die Blattporen – selbst gründliches Waschen hilft nicht.

Blattgemüse wie Salat kann Mikroplastik aus der Luft über winzige Poren aufnehmen und speichert die Partikel tief im Gewebe – auch gründliches Waschen hilft nicht dagegen. © Pexels
Was eigentlich gesund sein soll, wird zur versteckten Quelle für Schadstoffe: Mikroplastik gelangt aus der Luft direkt in Lebensmittel wie Salat oder Mais – und reichert sich dort im Blattgewebe an. Bis zu 2.500 Partikel pro Kubikmeter wurden in Städten wie Paris, London oder Shanghai gemessen. Eine neue Studie zeigt nun erstmals, dass diese Partikel nicht nur auf den Blättern haften bleiben, sondern tief in das Innere der Pflanze eindringen.
Das Forschungsteam der Nankai University fand heraus: Pflanzen atmen Mikroplastik regelrecht ein. Über winzige Poren auf der Blattunterseite – sogenannte Stomata – nehmen sie die Partikel auf. „Die aktuelle Studie liefert erstmals Nachweise dafür, dass Pflanzen aktiv Mikroplastik aus der Atmosphäre aufnehmen“, schreiben die Studienautoren.
Mikroplastik dringt durch Blattporen ein
Schon nach einem einzigen Tag in plastikbeladener Luft entdeckten die Forscher PET-Partikel – beispielsweise aus Plastikflaschen – im Blattgewebe von Mais. Die Partikel bahnten sich ihren Weg entlang der Zellzwischenräume bis tief ins Innere der Pflanze. Vor allem ältere Blätter wiesen besonders hohe Konzentrationen auf. „Ältere oder äußere Blätter enthielten mehr Plastik als junge – ein Hinweis auf eine schleichende Anreicherung über die Zeit“, heißt es in der Studie.
Das Forschungsteam analysierte unter anderem Mais und neun Blattgemüsearten an vier Standorten in Tianjin. An belasteten Orten fanden sie bis zu 10.000 Nanogramm PET pro Gramm Trockenblatt. Vor der Untersuchung wurden alle Proben gründlich gereinigt, um äußere Verschmutzungen auszuschließen. Es geht also tatsächlich um Partikel, die in das Pflanzeninnere gelangt sind.
Belastete Salatblätter – trotz gründlichem Waschen
Damit ließen sich bisherige Vermutungen erstmals eindeutig belegen. Zum Einsatz kamen bildgebende Verfahren mit hoher Auflösung, darunter Infrarot-Bildgebung, konfokale Mikroskopie und laserbasierte Massenspektrometrie. Die Kunststoffpartikel wurden mit fluoreszierenden und europiumhaltigen Markierungen sichtbar gemacht – so konnte genau nachvollzogen werden, wie das Plastik durch die Poren wanderte.
In einem zusätzlichen Versuch setzten die Forscher das Pflanzenhormon Abscisinsäure ein. Es schloss die Blattporen – und reduzierte so messbar die Aufnahme von Mikroplastik.
Mikroplastik gefährdet Lebensmittel-Ernte weltweit
Die Studie bleibt nicht bei Nachweisen stehen – sie nennt auch klare Folgen. Denn die Kunststoffpartikel verändern die Pflanzenphysiologie. Der Chlorophyll-a-Gehalt sinkt, wodurch die Photosyntheseleistung um sieben bis zwölf Prozent abnimmt. Das wiederum schmälert die Ernteerträge. Betroffen sind nicht nur Gemüse, sondern auch Lebensmittel wie Mais, Reis und Weizen – sowie Algen in Gewässern.
Die Ertragseinbußen könnten erheblich sein: Laut Modellrechnungen könnten durch Mikroplastik jedes Jahr weltweit zwischen 110 und 361 Millionen Tonnen Ernte verloren gehen. Das entspricht etwa neun Prozent der globalen Produktion im Jahr 2022.
Belastung betrifft auch Babys und Trinkwasser
Was die Studie im Gemüse sichtbar macht, zeigt sich längst auch beim Menschen: Laut Berechnungen der University of Newcastle nimmt jeder Mensch im Schnitt rund 5 Gramm Mikroplastik pro Woche auf – das entspricht etwa der Menge einer Kreditkarte. Besonders belastet sind Meeresfrüchte wie Muscheln, Shrimps oder panierte Fischprodukte. Eine Portion kann dabei mehr als 300 Partikel enthalten.
Auch Trinkwasser ist betroffen. Verschiedene Studien fanden zwischen 5 und 200 Mikroplastikteilchen pro Liter. Selbst in Muttermilch wurde Mikroplastik nachgewiesen – in 75 Prozent der Proben einer Untersuchung in Rom. „Nicht immer werden verschluckte Plastikteilchen ausgeschieden. Die fettlöslichen Zusatzstoffe könnten sich im Fettgewebe anreichern“, warnen Forscher.
Mikroplastik gelangt über Alltagsprodukte in Umwelt und Lebensmittel
Das Problem endet nicht auf dem Teller. Kläranlagen leiten jährlich Milliarden Partikel in Flüsse – trotz moderner Filtertechnik. Mikroplastik steckt zudem in Alltagsprodukten wie Peelings, Flüssigwaschmitteln, Fleece-Kleidung und Kaugummis. Laut Umweltbundesamt gelangen allein durch Kosmetik jedes Jahr rund 1.000 Tonnen Polyethylen in deutsche Haushalte.
Kurz zusammengefasst:
- Pflanzen wie Salat oder Mais können Mikroplastik direkt aus der Luft über Blattporen aufnehmen – selbst gründliches Waschen entfernt es nicht.
- Die aufgenommenen Partikel beeinträchtigen die Photosynthese und könnten jährlich bis zu 361 Millionen Tonnen Ernteverluste verursachen.
- Mikroplastik findet sich auch in Trinkwasser, Meeresfrüchten und Muttermilch – jeder Mensch nimmt im Schnitt rund 5 Gramm pro Woche auf.
Übrigens: Während Mikroplastik inzwischen sogar im Inneren von Salat steckt, gibt es nun eine vielversprechende Alternative zu herkömmlichem Plastik: Ein neues Zellulose-Material löst sich im Salzwasser komplett auf – ohne Rückstände. Mehr dazu in unserem Artikel.
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