Strom gegen Krebs? Sanfte Elektrotherapie bringt Tumore ins Wanken
Eine sanfte Stromtherapie verändert gezielt das Tumorumfeld und hilft dem Immunsystem, Krebszellen effizienter zu erkennen und zu bekämpfen.

Die sanfte Stromtherapie H-FIRE verändert gezielt das Tumorumfeld und erleichtert es dem Immunsystem, Krebszellen anzugreifen. © Wikimedia
Bei der Therapie von Krebs zählt jeder Schritt. Während hochintensive Stromstöße längst als bewährte Methode zur direkten Zerstörung von Tumoren gelten, bringt eine sanftere Stromtherapie jetzt neue Hoffnung – sie unterstützt gezielt die körpereigene Abwehr im Kampf gegen Krebs.
Die Methode trägt den Namen H-FIRE – kurz für Hochfrequenz-Irreversible Elektroporation. In ihrer abgeschwächten Form greift sie Krebszellen nicht direkt an. Stattdessen verändert sie das Umfeld des Tumors so, dass das Immunsystem besser arbeiten kann. Die Erkenntnisse stammen von einem Forschungsteam des Fralin Biomedical Research Institute der Virginia Tech.
Impulse wirken schnell und präzise
Die Forscher haben Mäuse mit Brustkrebs mit der Stromtherapie behandelt und dann zu verschiedenen Zeitpunkten nach der Behandlung untersucht, wie sich die Blut- und Lymphgefäße im Tumor, im umliegenden Fettgewebe und in den Lymphknoten verändert haben. Denn hier entscheidet sich, wie schnell und gezielt Immunzellen zum Tumor finden.
Das Team konnte beobachten, dass die sanften Strom-Impulse wie ein Signal wirken: Sie verändern die Gewebestruktur so, dass Immunzellen leichter einwandern können. Der Tumor wird dadurch angreifbarer – ohne dass umliegendes gesundes Gewebe geschädigt wird.
Stromtherapie bei Krebs verändert gezielt das Tumorgewebe
Schon einen Tag nach der Behandlung zeigten sich Veränderungen. Die Blutgefäße im Tumorgewebe vermehrten sich. Drei Tage später wuchs auch das Netzwerk der Lymphgefäße – das ist der Teil des Körpers, über den Immunzellen wie durch eine Pipeline an den Ort des Geschehens gelangen.
Gerade diese Wirkung macht die Behandlung so besonders. Die Impulse zerstören nicht, sie ebnen Wege. Jennifer Munson, die Leiterin der Studie, erklärt: „Diese Veränderungen zeigen, dass die Blut- und Lymphgefäße des Tumors sich so verändern, dass sie die Immunantwort effektiver unterstützen können.“

Stromimpulse lenken Immunzellen gezielt zum Tumor
Statt das Immunsystem zu überfordern, hilft die Behandlung ihm, effizienter zu arbeiten. Die Impulse wirken wie ein Verstärker, der gezielt die Kommunikation zwischen Tumor und Abwehrzellen beeinflusst – vergleichbar mit einem Navi, das die Zellen schneller ans Ziel führt.
Dieses Zusammenspiel eröffnet neue Möglichkeiten. Die Methode zielt nicht auf kurzfristige Zerstörung, sondern auf langfristige Unterstützung. So kann der Körper selbst zum aktiven Teil der Krebstherapie werden.
Kombination mit anderen Therapien im Blick
Das nächste Ziel ist klar: Die Forscher wollen H-FIRE mit anderen Behandlungen kombinieren – zum Beispiel mit Immuntherapien oder Medikamenten, die gezielt Tumorzellen angreifen.
Die Hoffnung dahinter: Wenn die Stromimpulse den Weg frei machen, könnten andere Therapien deutlich besser wirken. Denn wo Immunzellen schneller ankommen, können sie gezielter eingreifen – ohne Umwege, ohne Zeitverlust.
Präzise Technik, weniger Nebenwirkungen
Ein großer Vorteil der Methode: Sie ist äußerst präzise. Die Impulse wirken lokal, dringen nicht in den gesamten Körper ein und greifen nur dort ein, wo sie gebraucht werden. Das senkt das Risiko von Nebenwirkungen und schont gesundes Gewebe.
Besonders bei sensiblen Körperregionen – wie bei Brustkrebs – ist das ein entscheidender Punkt. Denn je schonender die Behandlung, desto besser die Lebensqualität während der Krebstherapie.
Kurz zusammengefasst:
- Die H-FIRE-Methode setzt auf Stromtherapie mit schwachen Impulsen, die das Tumorumfeld so verändern, dass Immunzellen besser zum Krebs vordringen.
- Bereits einen Tag nach der Behandlung nimmt die Zahl der Blutgefäße im Tumor zu, nach drei Tagen wachsen auch Lymphgefäße – das unterstützt die körpereigene Abwehr.
- Die Impulse verbessern die Kommunikation zwischen Tumor und Immunsystem und könnten in Zukunft mit anderen Therapien kombiniert werden.
Übrigens: Nicht nur gezielte Stromimpulse können das Immunsystem im Kampf gegen Krebs unterstützen – auch ein altbekanntes Schmerzmittel zeigt überraschende Wirkung. Forscher der University of Cambridge entdeckten, dass Aspirin das Immunsystem so aktiviert, dass es wandernde Krebszellen frühzeitig angreifen kann – mehr dazu in unserem Artikel.
Bild: © Howard Vindin via Wikimedia unter CC BY-SA 4.0