Haben Sie es auch immer geahnt? Hier kommt die Bestätigung – Eltern haben ein Lieblingskind
Neue Studie zeigt: Eltern haben oft ein Lieblingskind – meist sind es Töchter oder besonders angepasste und gewissenhafte Kinder.

Wer zuerst geboren wird, brav ist oder eine Tochter, bekommt oft mehr: Neue Daten zeigen, wie subtile Vorlieben der Eltern ganze Familien prägen. © Pexels
Haben Sie sich schon einmal gefragt, welches Ihrer Geschwister Ihre Eltern am liebsten mochten? Wenn Sie der jüngste Sohn sind, schauen Sie jetzt besser weg. Denn eine neue Metaanalyse, veröffentlicht im Fachjournal Psychological Bulletin, zeigt: Eltern haben ein Lieblingskind und sie behandeln ihre Kinder häufiger unterschiedlich, als sie selbst glauben. Besonders ältere Töchter, gewissenhafte Kinder und Mädchen im Allgemeinen erhalten im Alltag häufiger kleine Vorteile – ob bewusst oder nicht. Und das kann Folgen haben, die weit über die Kindheit hinausreichen.
Die Forscher der Brigham Young University (BYU) analysierten dafür 30 wissenschaftliche Artikel und 14 Datenbanken. Insgesamt wurden die Angaben von 19.469 Personen ausgewertet – eine der bislang umfassendsten Studien zu elterlicher Bevorzugung.
Lieblingskind der Eltern: Bevorzugung beginnt unauffällig – wirkt aber langfristig
Die Studie zeigt: Unterschiede in der Behandlung entstehen früh und fast immer unbewusst. Ältere Kinder erhalten mehr Eigenverantwortung, mehr Freiheit – oft weil Eltern ihnen mehr zutrauen. Jüngere Kinder bekommen dagegen mehr Nähe, Fürsorge und Zuwendung.
Für die Forscher zählt auch das als Form der ungleichen Behandlung. Denn: „Wenn Bevorzugung mit Autonomie und Kontrolle zusammenhing, neigten Eltern dazu, ältere Geschwister zu bevorzugen“, heißt es in der Analyse.
Eltern bevorzugen eher Töchter – egal ob Vater oder Mutter
Entgegen der gängigen Vorstellung, dass Mütter eher Töchter und Väter eher Söhne vorziehen, ergab die Auswertung ein anderes Bild: Beide Elternteile gaben an, sich eher ihren Töchtern emotional näher zu fühlen.
„Eltern berichteten, dass sie Töchter mehr schätzten“, schreiben die Autoren. Dieser Unterschied war nicht dramatisch – aber durchgängig messbar. Auffällig dabei: Die Kinder selbst bemerkten diese Ungleichbehandlung in den meisten Fällen nicht.
Noch stärker als Geschlecht oder Geburtsreihenfolge wirkt die Persönlichkeit. Kinder, die verlässlich, freundlich und eher unkompliziert sind, bekamen von ihren Eltern spürbar mehr Aufmerksamkeit und Zuwendung – das zeigt die Studie deutlich. Besonders auffällig war das in Streitfragen: Je seltener es mit einem Kind Konflikte gab, desto mehr Zuneigung erlebte es im Vergleich zu seinen Geschwistern.
Wer sich benachteiligt fühlt, leidet oft still
Der Unterschied in der Behandlung bleibt nicht ohne Folgen. Kinder, die sich bevorzugt fühlen, zeigen häufiger bessere schulische Leistungen, eine stabilere Psyche und gesündere Beziehungen. Sie verhalten sich sozialer und kommen mit Frust besser zurecht.
Umgekehrt zeigen sich bei weniger beachteten Geschwistern öfter Unsicherheit, Probleme mit dem Selbstwertgefühl oder auffälliges Verhalten. Die Studie verweist auf mehrere Untersuchungen, die das belegen.
Es kommt nicht auf perfekte Erziehung an – sondern auf Gleichgewicht
Besonders spannend: Die negativen Auswirkungen entstehen nicht durch „schlechte Erziehung“ – sondern durch Unterschiede zwischen den Geschwistern. Die Forscher schreiben: „Die positiven und negativen Folgen der Bevorzugung hängen nicht mit guter oder schlechter Erziehung zusammen – sondern damit, dass Kinder unterschiedlich behandelt werden.“
Eltern, die grundsätzlich liebevoll und engagiert sind, können also dennoch Ungleichgewichte erzeugen – einfach, weil sie einem Kind unbewusst mehr Aufmerksamkeit oder Nähe schenken.
Was Eltern tun können, um mehr Gerechtigkeit zu schaffen
Studienleiter Alex Jensen rät, genauer hinzusehen – vor allem auf die eigene Intuition. „Achten Sie auf Muster bei sich selbst“, sagt er. Wer merkt, dass er einem Kind häufiger nachgibt, schneller tröstet oder öfter lobt, sollte nicht erschrecken – sondern das als Einladung zur Veränderung sehen.
Hilfreich können sein:
- Einzelgespräche mit jedem Kind – ohne Vergleiche.
- Gleichmäßige Aufmerksamkeit – auch bei kleinen Dingen.
- Ehrliches Zuhören, wenn Kinder Ungerechtigkeit empfinden.
- Keine Belohnung für Angepasstheit – sondern Wertschätzung für Individualität.
Nähe braucht keine mathematische Gleichbehandlung
Zum Schluss formuliert Jensen einen Rat, der in seiner Schlichtheit sehr wirkungsvoll ist:
Verbringen Sie Zeit miteinander. Tun Sie Dinge gemeinsam, die Ihnen Spaß machen.
Denn Nähe entsteht nicht durch gerechtes Aufrechnen – sondern durch ehrliche, aufmerksame Beziehungspflege.
Kurz zusammengefasst:
- Eltern haben oft ein Lieblingskind – meist ohne es zu wollen. Besonders Töchter oder gewissenhafte Kinder bekommen mehr Zuwendung.
- Diese ungleiche Behandlung zeigt sich in Aufmerksamkeit, Nähe oder Vertrauen – und beeinflusst das Selbstbild und Verhalten der Kinder nachhaltig.
- Nicht gleiche Behandlung zählt, sondern dass Eltern die Bedürfnisse aller Kinder erkennen und ihre Beziehung zu jedem Kind bewusst gestalten.
Übrigens: Wer als älteste Tochter früh Verantwortung für Geschwister oder Eltern übernehmen musste, trägt diese Last oft bis ins Erwachsenenleben weiter. Wie das sogenannte Älteste-Tochter-Syndrom mit ungleicher Behandlung in Familien zusammenhängt – mehr dazu in unserem Artikel.
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