Pilzprotein aus Möhrenresten schlägt Soja in Nachhaltigkeit und Geschmack
Ein Pilz verwandelt Möhrenreste in nachhaltiges Protein, das Soja im Geschmackstest schlägt. Eine Studie zeigt die Chancen dieser pflanzlichen Eiweißquelle.
Aus Möhrenresten entsteht durch Pilzwachstum ein neues Eiweißprodukt, das sich im Labor als überraschend aromatisch erwies. © Unsplash
Möhrenreste fallen in der Lebensmittelproduktion täglich tonnenweise an – und landen meist ungenutzt im Abfall. Eine neue Studie zeigt nun, dass sich daraus ein Pilzprotein gewinnen lässt, das im Geschmackstest sogar Soja übertrifft und zugleich deutlich nachhaltiger hergestellt werden kann.
Eine Forschungsarbeit aus Hessen nutzte dafür eine nährstoffreiche Flüssigkeit aus Möhren als Grundlage für eine Eiweißquelle, die Ressourcen schont und in mehreren Prüfungen überraschend gut bewertet wurde.
Möhrenabfälle als Basis für Pilzprotein
An der Untersuchung waren Wissenschaftler der Justus-Liebig-Universität Gießen und der Technischen Hochschule Mittelhessen beteiligt. Sie verwendeten flüssige Rückstände aus schwarzen und orangefarbenen Möhren, die in der Lebensmittelindustrie normalerweise ungenutzt bleiben. Diese Reste enthalten Zucker, Mineralstoffe und weitere wichtige Bestandteile. „Darin sind wertvolle Nährstoffe enthalten, die wir für die menschliche Ernährung nutzen wollten“, erklärt Studienleiter Martin Gand.
Auf diesem nährstoffreichen Substrat ließen die Forscher essbare Pilze wachsen. Entscheidend war dabei nicht der spätere Fruchtkörper, sondern das Myzel – ein feines Geflecht aus Pilzfäden, das schnell wächst, wenig Platz benötigt und große Mengen Eiweiß bildet.
Getestet wurden mehr als 100 Pilzarten. Besonders überzeugte der Rosenseitling, fachlich Pleurotus djamor. Er wuchs stabil, entwickelte ein mildes Aroma und lieferte hohe Erträge.
Eiweißstark bei niedrigem Fettgehalt
Unter optimierten Bedingungen erreichte das Myzel des Rosenseitlings bis zu 22 Gramm Trockenmasse pro Liter Substrat. Der Proteingehalt lag bei bis zu 31 Gramm pro 100 Gramm. Damit bewegt sich Pilzprotein auf einem Niveau, das mit Soja vergleichbar ist.
Hinzu kommt ein weiterer Vorteil: Das Myzel enthält wenig Fett, dafür relevante Mengen an Ballaststoffen wie Glucanen und Chitin. Diese Stoffe unterstützen die Verdauung. Der Fettgehalt lag unter 2,5 Gramm pro 100 Gramm. Für ein verarbeitetes Proteinprodukt ist das ungewöhnlich niedrig.
Auch die Effizienz spricht für diesen Ansatz. Aus Möhrenresten ließ sich pro Liter deutlich mehr Protein gewinnen als aus klassischen Nährmedien. Zusätzlicher Ackerbau entfällt. Die Rohstoffe stehen bereits zur Verfügung.
Pilzprotein überrascht im Geschmackstest
Für den Alltag zählt am Ende der Geschmack. Deshalb stellten die Wissenschaftler vegane Burger-Patties und Würstchen her. In den Burgern ersetzten sie Sojaprotein schrittweise durch Myzel. Anschließend folgten Verkostungen mit freiwilligen Testpersonen.
Burger mit reinem Myzel schnitten am besten ab. Sie galten als saftiger und angenehmer in der Konsistenz. Produkte mit Soja wurden häufiger als trocken oder leicht bitter beschrieben. „Die Ergebnisse deuten darauf hin, dass pilzliche Myzelien eine nachhaltige und schmackhafte Proteinquelle sind“, so Gand.
Auch bei veganen Würstchen zeigte sich ein ähnliches Bild. Varianten mit Pilzmyzel wirkten aromatischer und weniger bitter als solche auf Kichererbsenbasis.

Der Vorteil liegt nicht allein im Geschmack. Das Myzel besitzt Eigenschaften, die für Hersteller interessant sind. Es bindet Wasser gut, sorgt für eine fleischähnliche Struktur und kommt mit weniger Zusatzstoffen aus. Für die Praxis bedeutet das:
- Bessere Textur ohne viele Hilfsstoffe
- Weniger Bitterkeit im Vergleich zu Soja
- Hohe Akzeptanz bei Verkostungen
Abfallprodukt wird zum Rohstoff für Lebensmittel
Noch ist Pilzprotein aus Möhrenresten kein Massenprodukt. Die Studie zeigt jedoch klar, wohin sich der Markt entwickeln und wie Kreislaufwirtschaft praktisch funktionieren kann. Für die Lebensmittelindustrie eröffnet sich damit ein Weg, nachhaltiger zu produzieren, ohne neue Anbauflächen und mit kurzen Transportwegen.
Auch wirtschaftlich ist der Ansatz interessant. Klassische Nährmedien sind teuer. Möhrenreste fallen ohnehin an. Das senkt die Kosten pro Gramm Protein deutlich. Und Verbraucher haben damit eine zusätzliche Option im Kühlregal: Fleischersatz, der in Puncto Nachhaltigkeit und Geschmack überzeugt.
Kurz zusammengefasst:
- Pilzprotein aus Möhrenresten entsteht aus dem Myzel essbarer Pilze, das auf flüssigen Abfällen der Lebensmittelindustrie wächst und dabei viel hochwertiges Eiweiß bildet.
- Das Myzel des Rosenseitlings liefert ähnlich viel Protein wie Soja, enthält wenig Fett und überzeugt zusätzlich durch eine bessere Textur und weniger Bitterkeit.
- In Geschmackstests schnitten Burger und Würstchen mit Pilzmyzel besser ab als klassische vegane Produkte und zeigen, wie aus Abfällen nachhaltige Lebensmittel entstehen können.
Übrigens: Pilze können nicht nur aus Möhrenresten ein schmackhaftes Pilzprotein erzeugen – sie formen auch Materialien, die Plastik, Leder und sogar Textilabfälle ersetzen. Wie Myzel Abfallströme in nutzbare Rohstoffe verwandelt und damit gleich mehrere Branchen verändert, mehr dazu in unserem Artikel.
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