Intensiver Sport verzerrt das Zeitgefühl – Harte Workouts fühlen sich länger an

Oft hat man beim Sport das Gefühl, die Minuten ziehen sich endlos – und das ist keine Einbildung. Der Körper lässt die Zeit bei Belastung langsamer vergehen.

Intensives Training verändert das Zeitempfinden

Besonders relevant für Sporteinsteiger: Wer beim Training das Gefühl hat, die Zeit vergehe kaum, erlebt eine echte körperliche Reaktion – keine Einbildung. © DALL-E

Der Schweiß tropft, die Beine brennen, der Atem wird schwer, aber der Timer zeigt erst fünf Minuten. Wer schon einmal ein intensives Workout gemacht hat, kennt dieses Gefühl. Die Minuten ziehen sich wie Kaugummi, jede Sekunde scheint doppelt so lang zu dauern. Was viele regelmäßig beim Training erleben, hat sich ein internationales Forschungsteam aus Großbritannien und den Niederlanden genauer angeschaut. Und tatsächlich zeigt die Studie: Wer sich richtig quält, nimmt die Zeit anders wahr – als würde sie sich dehnen.

Die Forscher ließen 33 aktive Erwachsene auf einem stationären Fahrrad antreten. Jeder von ihnen sollte vier Kilometer strampeln, mal allein, mal gegen einen virtuellen Gegner. Währenddessen schätzten sie wiederholt 30-Sekunden-Intervalle. Das Ergebnis: Fast alle dachten, sie hätten länger trainiert, als tatsächlich der Fall war.

Warum sich 30 Sekunden wie eine Ewigkeit anfühlen

Der Körper liefert dabei das Maß. Sobald er stark gefordert wird, zählt jedes Detail: Atmung, Puls, Schmerz, Anstrengung. „Das verstärkt das Bewusstsein für den Moment und dehnt das Zeitempfinden“, so Studienleiter Andrew Edwards von der Canterbury Christ Church University.

Intensives Training lenkt die gesamte Aufmerksamkeit nach innen – man spürt den eigenen Körper stärker, zählt Sekunden, fühlt die Erschöpfung.

Je anstrengender das Training, desto mehr verlangsamt sich das Zeitgefühl. Im Schnitt überschätzten die Teilnehmer die verstrichene Zeit um rund zehn Prozent. Besonders dann, wenn der Körper an seine Grenzen ging. „Menschen nehmen Zeit während körperlicher Belastung als gedehnt wahr“, meint Edwards. Dieses veränderte Empfinden könne das Training unangenehmer erscheinen lassen und beeinflusse möglicherweise auch, wie lange jemand durchhält.

Ob mit oder ohne Gegner: Der Effekt bleibt gleich

Die Forscher testeten drei Varianten: Allein fahren, mit einem virtuellen Mitfahrer auf dem Bildschirm oder mit der Aufgabe, diesen zu besiegen. Entscheidend war allein, wie stark der Körper belastet wurde.

Der Effekt blieb in allen Fällen gleich. Die gefühlte Dauer stieg, ganz unabhängig vom Wettkampfcharakter.

Durchschnittlicher (± Standardabweichung) prozentualer Unterschied zwischen tatsächlicher Zeit und gefühlter Zeit vor, während und nach dem Training sowie bei 500, 1500 und 2500 Metern. Die gepunktete Linie zeigt die subjektiv wahrgenommene Zeit von 30 Sekunden. Zusätzlich wurde die empfundene Anstrengung zu Beginn, nach 1 km, 2 km, 3 km und im Ziel erfasst. © Studie
Durchschnittlicher (± Standardabweichung) prozentualer Unterschied zwischen tatsächlicher Zeit und gefühlter Zeit vor, während und nach dem Training sowie bei 500, 1500 und 2500 Metern. Die gepunktete Linie zeigt die subjektiv wahrgenommene Zeit von 30 Sekunden. Zusätzlich wurde die empfundene Anstrengung zu Beginn, nach 1 km, 2 km, 3 km und im Ziel erfasst. © Studie

Wie kleine Tricks das Training erleichtern

Das hat Folgen: Wer Sport als unangenehm empfindet, bricht schneller ab oder vermeidet das Training ganz. Edwards ist überzeugt, dass ein angenehmeres Umfeld helfen kann. Musik, Gruppenaktivitäten oder kleine Spiele könnten das Erleben verbessern und das Gefühl der Zeitverzerrung abmildern.

In einem Folgeprojekt beobachtete Edwards Fußballprofis beim Training. Dabei fiel auf: Sobald ein Ball im Spiel war, verging die Zeit schneller. Reine Ausdauerläufe oder Videoanalysen empfanden die Spieler dagegen als besonders zäh.

Wer sich wohlfühlt, bleibt eher am Ball

Die Studie gilt als erste, die diesen Zusammenhang experimentell belegt. Wichtig dabei: Das veränderte Zeitgefühl trat unabhängig davon auf, wie erschöpft sich jemand fühlte. Es reichte, dass der Körper gefordert war.

Für Sporteinsteiger oder Menschen mit wenig Bewegungserfahrung könnten solche Effekte ein Hindernis sein. Edwards rät deshalb, das Training abwechslungsreich zu gestalten, auch kleine Ablenkungen können helfen, das Durchhalten zu erleichtern.

Denn letztlich entscheidet nicht nur der Körper über den Trainingserfolg, sondern auch der Kopf. Wer das Gefühl hat, die Minuten ziehen sich endlos, verliert schneller die Motivation. Wer sich dagegen ablenkt oder Spaß empfindet, bleibt länger dabei – ganz ohne ständig auf die Uhr zu schauen.

Kurz zusammengefasst:

  • Intensives Training verändert das Zeitempfinden: Wer sich stark anstrengt, überschätzt die verstrichene Zeit deutlich – im Schnitt um etwa zehn Prozent.
  • Entscheidend ist die Belastung, nicht das Umfeld: Ob mit oder ohne virtuellen Gegner – sobald der Körper stark gefordert ist, wirkt jede Minute länger.
  • Ablenkung macht Training erträglicher: Musik, Spiel oder Gruppenaktivitäten können helfen, das Gefühl gedehnter Zeit zu mildern und die Motivation zu steigern.

Übrigens: Unsere Muskeln verraten mehr über das Gehirn, als viele denken. Eine japanische Studie zeigt, dass bestimmte Veränderungen in der Muskelqualität schon früh auf Gedächtnisprobleme hindeuten können – lange bevor eine Demenz entsteht. Mehr dazu in unserem Artikel.

Bild: © DALL-E

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert