Industrieschnee: Wenn Luftverschmutzung Schneekristalle bildet und Löcher in Wolken reißt

Industrieschnee entsteht durch Schadstoffe und besondere Wetterlagen. Dieses seltene Phänomen erzeugt Schnee und verändert Wolkenstrukturen.

Industrieschnee tritt auch in Deutschland auf – im Ruhrgebiet wird das Phänomen besonders häufig beobachtet.

Industrieschnee tritt auch in Deutschland auf – im Ruhrgebiet wird das Phänomen besonders häufig beobachtet. © Wikimedia

In der tschechischen Kleinstadt Mährisch Schönberg sorgte ein unerwarteter Wintereinbruch für staunende Blicke. Während das Umland völlig schneefrei blieb, verwandelte sich die Stadt selbst in ein schneeweißes Winterwunderland. Verantwortlich dafür ist laut dem Hydrometeorologischen Institut (CHMU) kein klassischer Schneefall, sondern sogenannter Industrieschnee. Dieses Phänomen ist im böhmischen Becken keine Seltenheit. Es entsteht nicht durch Schneekanonen oder künstlichen Dekorschnee, sondern durch ein Zusammenspiel von Wetterbedingungen und industriellen Emissionen.

Wie Industrieschnee entsteht: Bedingungen und Ursachen

Industrieschnee entsteht nur unter ganz bestimmten Voraussetzungen, erklärt der Deutsche Wetterdienst (DWD). Damit sich dieses seltene Phänomen bilden kann, müssen mehrere Wetterbedingungen gleichzeitig vorliegen:

  • Hochdruckwetterlage und Inversion: Bei Hochdruckwetter sinkt die Luft ab und bildet eine sogenannte Inversionsschicht. Dabei ist die Luft in höheren Schichten wärmer als in den unteren, wodurch der Luftaustausch blockiert wird. Diese Inversion wirkt wie ein Deckel und hält die Luftschichten nahe am Boden.
  • Hohe Luftfeuchtigkeit und Temperaturen unter 0 Grad: Innerhalb dieser bodennahen Schicht sammelt sich Feuchtigkeit. Bei ausreichend hoher Luftfeuchtigkeit entstehen Nebel oder Hochnebel – allerdings nur, wenn die Temperaturen unter dem Gefrierpunkt liegen.
  • Windstille: Damit sich die Luftschichten nicht vermischen, sind ruhige Bedingungen ohne Wind entscheidend. Nur so bleibt die Feuchtigkeit in der kälteren, unteren Schicht gefangen.

Warum Industrieschnee glitzert und wie er entsteht

Industrieschnee unterscheidet sich optisch und strukturell vom natürlichen Schneefall. Die winzigen Eisnadeln, die sich bilden, glitzern durch ihre feine Körnung besonders intensiv und haften besser an Oberflächen. So entstehen märchenhafte, weiße Landschaften, die oft nur wenige Hundert Meter rund um eine Industrieanlage abdecken. Die Schneeschicht ist zwar schmal begrenzt, kann jedoch bis zu zehn Zentimeter dick sein.

In Mährisch Schönberg zeigte das Thermometer am Morgen minus 5,6 Grad. Die Stadt liegt etwa 220 Kilometer von Prag entfernt und beherbergt diverse Industriebetriebe, die die Voraussetzungen für den ungewöhnlichen Schneefall schaffen. Laut Experten tritt Industrieschnee vor allem in den frühen Morgenstunden auf, wenn die Temperaturen am niedrigsten sind. Mit Sonnenaufgang und steigenden Temperaturen verschwindet das Phänomen in der Regel rasch.

Auch in Deutschland ein bekanntes Phänomen

Industrieschnee ist nicht auf Tschechien beschränkt. Auch in Deutschland kommt es regelmäßig zu solchen Wetterereignissen. Besonders im Ruhrgebiet, einer Region mit hoher industrieller Aktivität, wird der ungewöhnliche Schneefall häufiger beobachtet. Allerdings bleibt er oft unbemerkt oder wird für normalen Schneefall gehalten.

Das Phänomen zeigt eindrücklich, wie Wetter und menschliche Einflüsse aufeinander wirken können – und sorgt zugleich für seltene, fast magische Momente mitten im Winter.

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Fabriken erzeugen Schnee und reißen Löcher in Wolkendecken

Luftverschmutzung aus großen Fabriken kann nicht nur Schneefall auslösen, sondern auch Löcher in Wolken bilden, die sich über große Gebiete erstrecken. Laut einer Studie von Velle Toll von der Universität Tartu in Estland, die Tausende Satellitenbilder von Nordamerika und Eurasien untersuchte, gibt es 67 Orte, an denen dieses Phänomen sichtbar ist – unter den richtigen atmosphärischen Bedingungen. Besonders auffällig sind diese Effekte in der Nähe großer Emittenten wie Ölraffinerien sowie Metall-, Zement- und Düngemittelfabriken.

Die Grafik zeigt weniger Wolken und mehr Schnee im Windschatten industrieller Verschmutzung – © Velle Toll
Die Grafik zeigt weniger Wolken und mehr Schnee im Windschatten industrieller Verschmutzung – © Velle Toll

Das Phänomen entsteht, weil Schadstoffpartikel in die Atmosphäre gelangen und als Kondensationskerne dienen. Diese Partikel, auch Aerosole genannt, führen dazu, dass supergekühlte Wassertröpfchen in den Wolken gefrieren und Eispartikel bilden. Diese wachsen zu Schneeflocken, die zu Boden fallen. Toll erklärt laut dem New Scientist: „Wenn Wasser aus der Wolke als Schnee austritt, bleibt weniger Wolkenmasse übrig.“ Tatsächlich können sich so erhebliche Schneemengen ansammeln – in einem dokumentierten Fall wurden bis zu 15 Millimeter Schnee über einer Fläche von 2.200 Quadratkilometern gemessen.

Satellitenbilder enthüllen faszinierende Muster

Überraschenderweise wurden ähnliche Effekte auch in der Nähe von vier Kernkraftwerken beobachtet, obwohl diese keine Aerosole emittieren. Toll vermutet, dass die aufsteigende warme Luft der Kraftwerke Schadstoffpartikel aus anderen Quellen anhebt. „Wir haben dafür noch keine endgültige Erklärung“, sagt Toll.

Was du dir merken solltest:

  • Industrieschnee entsteht, wenn Schadstoffpartikel in der Luft als Kondensationskerne dienen und bei kalten Temperaturen Schneekristalle bilden.
  • Voraussetzungen sind Inversionswetterlagen, hohe Luftfeuchtigkeit, Temperaturen unter 0 Grad und Windstille, wie der Deutsche Wetterdienst erklärt.
  • Dieses seltene Phänomen sorgt für lokalisierte Schneefälle und kann auch Wolkenstrukturen sichtbar verändern, wie Satellitendaten zeigen.

Übrigens: Wolken sind nicht nur für das Wetter entscheidend, sondern auch für den Klimawandel – sie können die Erderwärmung bremsen oder verstärken. Mehr dazu in unserem Artikel.

Bild: © Guido Radig via Wikimedia unter CC BY-SA 1.0

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