Der Weg zu einer klimafreundlichen Bauindustrie – Ist „Grüner“ Beton der Schlüssel?

Ein norwegischer Forscher entwickelt „grünen“ Beton – eine nachhaltige Alternative mit Potenzial für die Zukunft.

Nachhaltiger Bauen mit „grünem“ Beton – eine Idee aus Norwegen könnte der Wendepunkt sein. © Pexels

Nachhaltiger Bauen mit „grünem“ Beton – eine Idee aus Norwegen könnte der Wendepunkt sein. © Pexels

Beton ist das Fundament unserer modernen Welt – doch seine Herstellung verursacht enorme Mengen an CO2. Was wäre, wenn es eine Möglichkeit gäbe, diese Emissionen deutlich zu reduzieren? „Grüner“ Beton wäre die Lösung. Der norwegische Forscher Harald Justnes hatte im Sommer 2015 genau diesen Gedanken. Was als vermeintlich einfache Idee begann, könnte jetzt das Bauen mit Beton nachhaltiger machen.

Ein Geistesblitz beim Spaziergang

Harald Justnes ist Forschungsleiter beim norwegischen Institut SINTEF und Professor für Materialtechnologie. Im Sommer 2015 besuchte er ein Treffen über Graphen, ein besonders starkes und dünnes Material. Nach dem Meeting sprach er kurz mit einem Kollegen, der Aluminium als Alternative zu Stahl in Beton vorschlug. Für Justnes schien das zunächst unlogisch, denn Aluminium verträgt den hohen pH-Wert von Beton nicht.

Doch auf dem Heimweg kam ihm eine neue Frage: Was, wenn man den pH-Wert von Beton senken könnte? Diese Idee ließ ihn nicht mehr los. Statt Stahl könnte man dann tatsächlich Aluminium verwenden, das langlebiger ist und nicht rostet.

Blauer Ton als Schlüssel

Die Antwort auf Justnes‘ Frage fand er in einem Rohstoff, der in Norwegen häufig vorkommt: blauer Ton. Dieser Ton enthält Mineralien wie Kaolin und Illit und lässt sich bei nur 800 Grad erhitzen – viel weniger als die 1.450 Grad, die bei der Zementherstellung nötig sind. Ein weiterer Vorteil: Beim Erhitzen von Ton entsteht kaum CO2. Das macht ihn zu einem umweltfreundlicheren Ersatz.

Am nächsten Tag wagte Justnes den ersten Test. Er bereitete zwei Mischungen vor: eine mit normalem Zement und eine mit 55 Prozent gebranntem blauem Ton. In die Flüssigkeiten tauchte er jeweils ein Stück Aluminium. Während im herkömmlichen Zement Blasen entstanden – ein Zeichen für die Reaktion des Metalls auf den hohen pH-Wert – blieb die Ton-Mischung stabil. „Nichts passierte“, erklärte Justnes begeistert laut Norwegian SciTech News.

Vom Experiment zur ersten Anwendung

Die Ergebnisse waren vielversprechend. Justnes kontaktierte das Aluminium-Unternehmen Hydro, um gemeinsam an der Idee zu arbeiten. Nach sieben Jahren Forschung und unzähligen Tests entstand eine erste Brücke im norwegischen Sunndal über dem Fluss Grødøla, die mit dem neuen „grünen“ Beton gebaut wurde. Die Brücke sieht unscheinbar aus, doch sie zeigt, dass der Einsatz von Aluminium in Beton möglich ist. Dieser Ansatz könnte Bauwerke langlebiger machen – mit einer Lebensdauer von bis zu 1.000 Jahren.

Abfall als Energiequelle

Ein weiterer Weg zu umweltfreundlicherem Beton ist der Einsatz von Abfällen anstelle von Kohle in Zementwerken. Der SINTEF-Forscher Kåre Helge Karstensen hat diese Methode weltweit verbreitet. Statt Kohle verbrennen Zementwerke Abfälle wie Plastik, Holzreste oder Chemikalien. Diese sogenannte „Co-Verarbeitung“ reduziert nicht nur CO2-Emissionen, sondern hilft auch, Müll zu verwerten, der sonst in Deponien landet.

In Norwegen wird bereits 75 Prozent der Kohle in Zementwerken durch Abfälle ersetzt. In Ländern wie Indien und China, die mehr als die Hälfte des weltweiten Zements produzieren, könnte diese Technik besonders effektiv sein.

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Große Visionen, viele Hürden

Obwohl die Erfolge beeindruckend sind, gibt es Hürden: hohe Kosten, komplizierte gesetzliche Vorgaben und die Skepsis gegenüber neuen Technologien. Dennoch zeigt die Arbeit von Forschern wie Justnes und Karstensen, dass auch einfache Fragen bahnbrechende Lösungen hervorbringen können. Forschungen wie diese könnten den Weg für eine klimafreundlichere Bauindustrie ebnen.

Was du dir merken solltest:

  • Der Forscher Harald Justnes entwickelte eine Methode, um den pH-Wert von Beton mithilfe von blauem Ton zu senken und so langlebigeres Aluminium statt Stahl zu verwenden.
  • Blauer Ton benötigt weniger Energie als herkömmlicher Zement und reduziert die CO2-Emissionen deutlich, während er eine stabile Basis für nachhaltigen Beton bietet.
  • Durch den Einsatz von Abfällen als Brennstoff in Zementwerken können CO2-Emissionen weiter gesenkt werden – ein Ansatz, der in Norwegen bereits etabliert ist.

Übrigens: Die Zementproduktion trägt bis zu 8 Prozent zu den weltweiten CO2-Emissionen bei. Aktivisten drängen auf drastische Veränderungen. Mehr dazu erfährst du in unserem Artikel.

Bild: © Pexels

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