Stiller Dickmacher – Wie Straßenlärm den Stoffwechsel aus dem Takt bringt

Eine aktuelle Studie zeigt: Straßenlärm beeinflusst den Stoffwechsel und steht in Verbindung mit erhöhter Leberverfettung.

Stiller Dickmacher: Wie Straßenlärm den Stoffwechsel stört

Laut WHO kostet Straßenlärm in Europa jährlich 1,6 Millionen gesunde Lebensjahre. © Wikimedia

Es ist selten vollkommen still. Besonders in Städten lärmt es rund um die Uhr: Autoverkehr, Motorroller, LKWs. Wer an einer Hauptstraße wohnt, nimmt den Lärm oft kaum noch bewusst wahr. Doch genau darin liegt das Problem – der Körper gewöhnt sich nicht daran. Eine große deutsche Studie zeigt, dass dauerhafter Straßenlärm den Stoffwechsel beeinflussen und zu einer stärkeren Einlagerung von Fett im Körper führen kann – besonders in der Leber.

Schon leiser Straßenlärm kann den Stoffwechsel messbar verändern

Die Untersuchung stammt von Helmholtz-Zentrum und der Ludwig-Maximilians-Universität München (LMU). Sie analysierten MRT-Daten von über 11.000 Menschen und kombinierten diese mit Lärmdaten aus dem Jahr 2017. Dabei fiel ein klares Muster auf: Je lauter das Wohnumfeld, desto mehr Fettgewebe, vor allem in der Leber.

„Ziel unserer Studie war es, die Assoziation zwischen Straßenverkehrslärmbelastung am Wohnort und dem Ausmaß von Fettdepots unter der Haut sowie um die Organe und in der Leber zu untersuchen“, erklärt Studienbeteiligte Fiona Niedermayer. Besonders alarmierend: Dieser Effekt zeigte sich schon bei Lärmwerten unter 53 Dezibel – also unterhalb der Grenze, ab der Lärm laut der WHO offiziell als gesundheitsschädlich gilt.

Betroffen sind damit deutlich mehr Menschen als bislang gedacht. In der EU leben rund 32 Millionen Bürger dauerhaft mit Lärmwerten oberhalb von 55 Dezibel. Doch offenbar genügt schon deutlich weniger, um den Körper negativ zu beeinflussen.

Straßenlärm wirkt wie ein Dauerstress – und belastet die Leber

Alle Teilnehmer der Studie wurden zwischen 2014 und 2016 mittels MRT untersucht. Mithilfe Künstlicher Intelligenz werteten die Forscher die Fettverteilung im Körper aus. Die Leber stand dabei besonders im Fokus. Personen mit bekannten Lebererkrankungen oder auffälligem Alkoholkonsum wurden ausgeschlossen, um die Ergebnisse nicht zu verfälschen.

Wer in einer Umgebung mit 10 Dezibel mehr Lärm lebt, hatte im Schnitt deutlich mehr Fettgewebe – auch in der Leber. Und das betrifft nicht nur ältere Menschen oder Menschen mit Übergewicht, sondern kann jeden treffen.

Was uns nachts wachhält, bringt den Stoffwechsel durcheinander

Lärm stört den Schlaf. Und schlechter Schlaf kann auf Dauer zu hormonellen Verschiebungen führen, die wiederum den Appetit verändern, Stresshormone steigern und die Verarbeitung von Zucker und Fett im Körper stören. „Eine Zunahme der Fettgewebedepots und des Leberfettgehalts zeigt, dass Lärm Stoffwechselprozesse initiiert, die das Risiko für Typ-2-Diabetes und Herzkreislauferkrankungen erhöhen“, erklärt Prof. Dr. Annette Peters vom Helmholtz-Zentrum München.

Straßenlärm beeinflusst den Stoffwechsel auch in Innenräumen

Laut Umfrage fühlen sich zwei von drei Menschen durch Straßenlärm in ihrem Wohnumfeld gestört. Doch bisher fehlt vielen der Zusammenhang zur körperlichen Gesundheit. Dabei ist Lärm nach Angaben der WHO direkt hinter Luftverschmutzung die zweitgrößte Umweltbedrohung für die Gesundheit in Europa. Jedes Jahr gehen laut WHO rund 1,6 Millionen gesunde Lebensjahre durch Lärmbelastung verloren.

Wer in Städten wohnt, arbeitet oder Kinder großzieht, kann Lärm kaum ausweichen. Fenster zu? Oft keine Lösung, vor allem im Sommer. Schallschutz? Selten ausreichend vorhanden. Verkehr macht laut EU-Statistik etwa 80 Prozent der Umweltlärmbelastung aus. Der Rest stammt von Schienen- und Flugverkehr. Die Folgen: mehr Herzinfarkte, mehr Bluthochdruck, mehr Diabetes.

Wann Straßenlärm zur Gefahr wird – und wie laut er wirklich ist

Im Zusammenhang mit den neuen Forschungsergebnissen stellt sich die Frage, was Lärm eigentlich ist – und ab wann er schädlich wird. Denn Lärm ist mehr als nur ein lautes Geräusch: Er gilt als ungewollter Schall, der Menschen belästigt, stört oder krank machen kann. Jeder Mensch nimmt Lärm unterschiedlich wahr – doch der Körper reagiert auch dann, wenn der Kopf ihn längst ignoriert.

Gemessen wird Lärm objektiv mit dem sogenannten Schalldruckpegel in Dezibel (dB). Entscheidend ist dabei nicht nur die Lautstärke, sondern auch die Art und Dauer des Geräuschs. Kontinuierliche Lärmquellen wie Straßenverkehr oder Maschinen wirken anders als plötzliche Impulse wie Hupen oder Knalle. Wie die Studie zeigt, können schon Werte unterhalb von 53 Dezibel den Stoffwechsel beeinflussen – also deutlich unter dem, was bisher als gesundheitlich bedenklich galt.

Typische Geräuschquellen im Vergleich:

LärmstufeGeräuschartLautstärkeGeräuschempfinden
I 30–65 dB(A)Psychische ReaktionTicken einer leisen Uhr, feiner Landregen, Flüstern30 dB(A)sehr leise
nahes Flüstern, ruhige Wohnstraße40 dB(A)ziemlich leise
Unterhaltungssprache50 dB(A)normal
Unterhaltungssprache in 1 m Abstand, Bürolärm60 dB(A)normal bis laut
II 65–90 dB(A)Physiologische Reaktionlaute Unterhaltung, Rufen, Pkw in 10 m Abstand70 dB(A)laut bis sehr laut
Straßenlärm bei starkem Verkehr80 dB(A)sehr laut
III 90–120 dB(A)Gehörschaden, Ohrschmerzlaute Fabrikhalle90 dB(A)sehr laut
Autohupen in 7 m Abstand100 dB(A)sehr laut bis unerträglich
Kettensäge in 1 m Abstand110 dB(A)sehr laut bis unerträglich
Flugzeugtriebwerk (100 m Entfernung)120 dB(A)unerträglich bis schmerzhaft
130 dB(A)Schmerzschwelle
Ab wann wird Lärm gesundheitsschädlich. (Quelle: Ministerium für Verkehr Baden-Württemberg)

Besonders Straßenlärm in Wohngebieten bewegt sich oft im Bereich von 50 bis 70 Dezibel – also genau in den Lautstärken, in denen der Körper mit Schlafstörungen, Bluthochdruck und laut Studie eben auch Fettstoffwechselstörungen darauf reagiert. Wer denkt, Lärm sei nur ein Ärgernis, unterschätzt seine Wirkung auf den ganzen Organismus.

Kurz zusammengefasst:

  • Straßenlärm kann den Stoffwechsel stören und das Leberfett erhöhen – selbst bei Menschen ohne Übergewicht oder Vorerkrankungen.
  • Eine Auswertung von über 11.000 MRT-Bildern zeigt: Je höher der Lärmpegel im Wohnumfeld, desto größer die Fettdepots im Körper, besonders in der Leber.
  • Lärm verursacht Stress, Schlaf- und Fettstoffwechselstörungen, was langfristig das Risiko für Diabetes, Bluthochdruck und Herz-Kreislauf-Erkrankungen deutlich erhöht.

Übrigens: Nicht nur alltäglicher Straßenlärm kann den Stoffwechsel stören – auch getunte Fahrzeuge sorgen gezielt für gesundheitsschädlichen Lärm. Mehr dazu in unserem Artikel.

Bild: © Flocci Nivis via Wikimedia unter CC BY-SA 4.0

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