Harvard-Studie: Simpler Pflanzenstoff senkt Risiko für Herzprobleme und Diabetes
Phytosterole aus pflanzlicher Ernährung können laut Studien das Herz schützen und das Risiko für Diabetes senken.

Das Herz profitiert besonders – Phytosterole können seine Belastung deutlich verringern. © DALL-E
Herzprobleme, Diabetes, Entzündungen – viele Menschen spüren die Folgen ungesunder Ernährung am eigenen Körper. Eine neue Langzeitstudie mit über 200.000 Teilnehmern zeigt jetzt: Wer regelmäßig pflanzliche Lebensmittel isst, kann seinem Herz etwas Gutes tun – dank sogenannter Phytosterole, die positive Effekte auf die Gesundheit haben.
Phytosterole sind natürliche Stoffe aus Pflanzen, die dem Cholesterin im Körper ähneln. Im Darm können sie die Aufnahme von Cholesterin verringern – und so das Herz und den Stoffwechsel entlasten. Sie stecken in vielen Lebensmitteln wie Nüssen, Hülsenfrüchten oder Gemüse.
Menschen, die besonders viele Phytosterole aufnehmen, erkranken seltener an Herz-Kreislauf-Leiden und Typ-2-Diabetes. Den positiven Effekt für die Gesundheit erreicht man ganz ohne Pillen oder Nahrungsergänzungsmittel – sondern mit ganz normalen Lebensmitteln aus dem Supermarkt.
Wer täglich Gemüse isst, schützt sein Herz – ohne Aufwand
Die Daten stammen aus drei großen US-Gesundheitsstudien mit einer Laufzeit von bis zu 36 Jahren, die auf der jährlichen Tagung der American Society for Nutrition vorgestellt wurden. Dabei zeigte sich: Wer besonders viele pflanzliche Lebensmittel isst, senkt das Risiko für Herz und Stoffwechsel deutlich. Besonders günstig wirkte sich folgende tägliche Ernährung aus:
- 4–5 Portionen Gemüse
- 2–3 Portionen Obst
- 2 Portionen Vollkornprodukte
- 1/2 Portion Nüsse
Richtwerte für eine Portion:
- Gemüse: ca. 150 g
(z. B. eine mittelgroße Paprika oder eine Handvoll Brokkoliröschen) - Obst: ca. 125 g
(z. B. ein Apfel, eine kleine Banane oder eine Handvoll Beeren) - Vollkornprodukte:
- Brot: ca. 50–70 g (zwei Scheiben Vollkornbrot)
- Reis, Nudeln oder Getreide: ca. 60–80 g ungekocht (entspricht etwa einer Tasse gekocht)
- Nüsse: ca. 25 g
(eine kleine Handvoll, etwa 10–15 Mandeln oder Walnüsse)
Menschen mit dieser Ernährung hatten:
- ein 9 Prozent geringeres Risiko für Herzprobleme
- ein 8 Prozent geringeres Risiko für Typ-2-Diabetes
Vor allem das Phytosterol β-Sitosterol scheint eine zentrale Rolle zu spielen. Für andere Substanzen aus derselben Gruppe – Campesterol und Stigmasterol – ließ sich kein vergleichbarer Effekt beobachten.
Diese Lebensmittel liefern besonders viele Phytosterole
Wer gezielt mehr Phytosterole aufnehmen möchte, sollte regelmäßig folgende Lebensmittel in den Speiseplan einbauen:
- Nüsse: Pistazien, Walnüsse, Mandeln, Pekannüsse, Cashewkerne
- Hülsenfrüchte: Sojabohnen, Linsen, Kidneybohnen, Erbsen
- Samen und Getreide: Leinsamen, Weizenkeime
- Gemüse: Brokkoli, Rosenkohl
- Pflanzliche Öle: insbesondere Olivenöl
Phytosterole schützen das Herz – Pflanzliche Stoffe wirken tiefer im Körper
In Blutproben von über 11.000 Teilnehmern fanden Forscher zudem Hinweise auf einen besseren Zuckerstoffwechsel. Mehr als 40.000 Proben lieferten zusätzliche Marker: Menschen mit hoher Phytosterolaufnahme wiesen geringere Entzündungswerte auf – ein möglicher Schlüssel für die Schutzwirkung.
„Unsere Ergebnisse deuten auf eine Beteiligung von Insulinaktivität, Entzündung und Stoffwechselprozessen hin“, sagte Studienleiter Fenglei Wang von der Harvard T.H. Chan School of Public Health. Die pflanzlichen Stoffe könnten demnach helfen, Insulinresistenz und chronische Entzündungen zu reduzieren – zwei Risikofaktoren, die eng mit Herzkrankheiten und Diabetes verbunden sind.
Darmbakterien helfen mit – und könnten die Wirkung verstärken
Die Forscher gingen noch einen Schritt weiter: Bei 465 Personen untersuchten sie das Darmmikrobiom. Dabei stießen sie auf bestimmte Bakterienarten – etwa Faecalibacterium prausnitzii –, die offenbar bei der Verwertung von Phytosterolen mithelfen. Diese Mikroben könnten entscheidend dafür sein, ob und wie stark die Pflanzenstoffe im Körper wirken.
„Wir haben festgestellt, dass das Darmmikrobiom eine Rolle bei den positiven Zusammenhängen spielen könnte“, so Wang. Einige Bakterien verfügen über Enzyme, die Phytosterole abbauen – und so möglicherweise gezielt gesundheitsrelevante Stoffwechselprozesse anstoßen.
Kein Wunderheilmittel – aber eine echte Hilfe im Alltag
Trotz der positiven Ergebnisse ist wichtig: Die Studie kann keine direkte Ursache-Wirkung beweisen. Es handelt sich um eine sogenannte Beobachtungsstudie. Das bedeutet: Die Daten zeigen Zusammenhänge – aber nicht, ob die Phytosterole allein für die besseren Gesundheitswerte verantwortlich sind. Andere Faktoren wie Bewegung, Schlaf oder Stresslevel wurden zwar berücksichtigt, könnten aber dennoch Einfluss haben.
Trotzdem ist die Stärke der Studie beachtlich: Der riesige Datensatz, die lange Beobachtungszeit und die Kombination aus Ernährungsfragen, Blutwerten und Mikrobiomanalysen machen die Ergebnisse sehr aussagekräftig.
Normale Lebensmittel helfen deutlich mehr als Zusatzpräparate
„Diese Erkenntnisse können Menschen helfen, informierte Ernährungsentscheidungen zu treffen“, sagt Wang. Anders als frühere Studien, die mit hochdosierten Präparaten arbeiteten, zeigt die neue Analyse erstmals positive Effekte durch ganz normale Mengen aus der täglichen Ernährung – ohne Zusatzmittel.
Studie warnt: Phytosterole könnten auch Risiken fürs Herz bergen
Während viele Studien positive Effekte von Phytosterolen auf Herz und Stoffwechsel zeigen, weist eine Untersuchung der Universität Leipzig aus dem Jahr 2022 auf mögliche Risiken hin. Die Forscher analysierten Blutproben von knapp 10.000 Menschen und fanden Hinweise darauf, dass hohe Phytosterol-Konzentrationen im Blut auch zur Entstehung von Atherosklerose beitragen könnten – also zu Ablagerungen in den Arterien, die den Blutfluss behindern. Besonders kritisch sehen die Autoren, dass Phytosterole dem Cholesterin so stark ähneln, dass sie sich ähnlich wie dieses in Gefäßwänden einlagern können.
Die Leipziger Arbeitsgruppe führte gemeinsam mit europäischen Forschungspartnern eine genetische Analyse durch, um den Zusammenhang zwischen Phytosterolen, Cholesterin und koronarer Herzkrankheit zu bewerten. Mithilfe spezieller statistischer Verfahren konnten sie Hinweise auf einen möglichen ursächlichen Zusammenhang nachweisen – sowohl direkt durch Phytosterole als auch indirekt über ihren Einfluss auf den Cholesterinspiegel.
Erhöhte Phytosterol-Werte beeinflussen das Herzrisiko möglicherweise direkt
„Es zeigt sich, dass es sowohl direkte als auch indirekte, über Cholesterol vermittelte negative kausale Effekte von Phytosterolen auf das Risiko koronarer Herzerkrankung gibt“, erklärt Studienleiter Prof. Dr. Markus Scholz. Eine klare Empfehlung zur Reduktion phytosterolreicher Lebensmittel ergibt sich daraus zwar noch nicht – doch erhöhte Werte im Blut könnten ein bislang unterschätzter Risikofaktor sein.
Kurz zusammengefasst:
- Phytosterole sind pflanzliche Stoffe, die dem Cholesterin ähneln und das Herz sowie den Zuckerstoffwechsel entlasten können.
- Wer regelmäßig Gemüse, Obst, Nüsse und Vollkornprodukte isst, nimmt mehr Phytosterole auf und senkt laut Studien das Risiko für Herzprobleme und Typ-2-Diabetes.
- Einzelne Studien weisen jedoch darauf hin, dass hohe Phytosterol-Werte im Blut auch mit Atherosklerose in Verbindung stehen könnten – die Forschung ist hier noch nicht eindeutig.
Übrigens: Nicht nur Ernährung und Bewegung, sondern auch der Schlaf beeinflusst, wie gut das Herz auf Belastung reagiert. Schon drei Nächte mit zu wenig Schlaf reichen aus, um Blutwerte messbar zu verschlechtern – sogar bei jungen, gesunden Menschen. Mehr dazu in unserem Artikel.
Bild: © DALL-E