Neue Chance für Diagnose: Region im Gehirn sagt Depressionen bereits ab der Kindheit voraus
Forscher haben im Rahmen einer Studie ein Netzwerk im Gehirn entdeckt. Dessen Größe verrät Depressionen schon vor Ausbruch der Krankheit.
Forscher haben herausgefunden, dass bei Menschen mit Depressionen eine spezielle Region im Gehirn nahezu doppelt so groß ist wie bei gesunden Personen. Diese Erkenntnis, die kürzlich in der Fachzeitschrift Nature veröffentlicht wurde, könnte neue Einblicke in die biologischen Grundlagen von Depressionen liefern.
Gemeint ist das sogenannte „frontostriatale Salienznetzwerk“. Es spielt eine zentrale Rolle bei der Verarbeitung von Reizen, der Regulierung von Emotionen und zielgerichtetem Verhalten. Die Ergebnisse dieser Studie basieren auf der Analyse von über 130 depressiven Patienten und knapp 1.000 gesunden Kontrollpersonen.
Bisherige Studien mit funktioneller Magnetresonanztomografie (fMRT) hatten kaum Unterschiede in der Gehirnstruktur oder -funktion zwischen depressiven und gesunden Personen gezeigt. Das Team um Charles Lynch von der Cornell University nutzte jedoch eine neuartige Methode namens „precision functional mapping“. Diese Technik erlaubt es, die Hirnaktivität einer Person über viele Zeitpunkte hinweg detailliert zu analysieren.
Salienznetzwerk wächst schon früh und bleibt stabil
Die Größe des Salienznetzwerks könnte laut den Forschern bei der Diagnose von Depressionen helfen, noch bevor diese in Erscheinung treten. So war bereits bei Kindern, die erst im späteren Verlauf ihres Lebens Depressionen entwickelten, eine Vergrößerung dieser Hirnregion erkennbar. Genetische Faktoren sowie frühe Lebensumstände beeinflussen die Größe und Form des Netzwerks.
Auch im Verlauf der Erkrankung blieb die Größe des Netzwerks stabil – unabhängig von der Schwere der Depression oder der Anzahl der Episoden. Das Netzwerk verändert sich also nicht durch Stimmungswechsel oder medikamentöse Behandlungen. Diese stabilen Eigenschaften verleihen ihm diagnostisches Potenzial.
Funktionelle Veränderungen trotz stabiler Größe
Die Größe des Netzwerks variierte zwar nicht je nach Symptomen, Patienten mit Depressionen wiesen aber funktionelle Veränderungen innerhalb des Salienznetzwerks auf. Diese korrelierten mit Symptomen wie Anhedonie (Freudlosigkeit) und Angst. So zeigte eine Langzeitbeobachtung, dass sich die Verbindungen zwischen einzelnen Knotenpunkten des Netzwerks je nach emotionalem Zustand der Patienten veränderten.
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Diese Erkenntnisse könnten laut den Wissenschaftlern dazu beitragen, personalisierte Behandlungen zu entwickeln. Etwa könnte die Stimulation spezifischer Areale im Gehirn – etwa durch transkranielle Magnetstimulation – gezielter auf die individuellen Netzwerkmuster abgestimmt werden.
Dennoch bleiben viele Fragen erst einmal offen: Wie spezifisch sind die Veränderungen für Depressionen? Welche Faktoren beeinflussen das Wachstum des Salienznetzwerks genau? Dazu konnten die Forscher bislang noch keine Antworten liefern.
Was du dir merken solltest:
- Forscher haben entdeckt, dass bei depressiven Menschen das sogenannte frontostriatale Salienznetzwerk fast doppelt so groß ist wie bei gesunden Personen.
- Diese stabile Struktur im Gehirn, die Emotionen und Reize verarbeitet, bleibt über die Zeit unverändert und könnte zur frühzeitigen Diagnose von Depressionen genutzt werden.
- Funktionelle Veränderungen im Netzwerk, die mit Symptomen wie Angst und Freudlosigkeit zusammenhängen, eröffnen neue Möglichkeiten für personalisierte Behandlungen.
Übrigens: Die aktuelle COPSY-Studie zeigt, wie stark sich im Jahr 2024 globale Krisen auf die psychische Gesundheit von Kindern und Jugendlichen ausgewirkt haben. Mehr dazu in unserem Artikel.
Bild: © Vecteezy
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