Eiweißprodukte im Check – Warum „High Protein“ oft mehr verspricht als es hält
Viele „High-Protein“-Lebensmittel kosten viel, sättigen schlecht und liefern kaum mehr Eiweiß als natürliche Lebensmittel wie Quark oder Eier.

Viele Menschen trinken Proteinshakes in der Hoffnung auf Muskelaufbau und Gesundheit – doch High-Protein-Lebensmittel halten oft nicht, was sie versprechen. © DALL-E
Proteinpudding, Eiweißbrot, Shakes für den Muskelaufbau – in Supermärkten und Drogerien häufen sich Lebensmittel mit dem Label „High Protein“. Vor allem junge Menschen greifen zu. Sie wollen sportlich, schlank und leistungsfähig sein und glauben, das gehe nur mit besonders viel Eiweiß. Das kostet nicht nur Geld, sondern kann auch gesundheitliche Risiken mit sich bringen.
Proteinprodukte boomen und das Geschäft wächst rasant
Was früher nur Kraftsportler im Fitnessstudio interessierte, ist heute Mainstream. Auch Menschen, die selten Sport machen, greifen zu Proteinprodukten. „High Protein“ klingt nach Muskelkraft und Gesundheit. Dabei dürfen Hersteller das nur aufdrucken, wenn mindestens 20 Prozent der Energie eines Produkts aus Eiweiß stammen.
Dafür mischen sie Eiweißkonzentrate aus Molke, Soja, Lupinen oder Weizen ins Produkt. Molkeprotein – auch Whey genannt – ist besonders beliebt. Doch damit wird das Produkt nicht automatisch gesünder. Im Gegenteil: Viele enthalten Aromastoffe, Süßungsmittel und künstliche Vitamine.
Nach Angaben der Marktforschungsgesellschaft Nielsen ist der Markt für Eiweißprodukte in den letzten Jahren regelrecht explodiert. Allein im stationären Einzelhandel stieg der Umsatz mit Sportlernahrung wie Pulver, Riegeln oder Müslis um 25 Prozent in nur einem Jahr. Insgesamt setzen Hersteller in Deutschland damit 490 Millionen Euro jährlich um. Vor allem Energieriegel liegen im Trend. Sie machen 70 Prozent des Umsatzes aus. Die Sparte Proteinpulver wächst am schnellsten.
Viele High-Protein-Lebensmittel sind teuer – und ohne echten Mehrwert
Ein halber Liter Proteinshake kann im Supermarkt 3,99 Euro kosten. Das ist mehr als das Dreifache von dem, was Verbraucher für einen Liter Milch zahlen. Dabei liefern viele dieser Produkte nicht mal mehr Eiweiß als günstige Alternativen.
Ein Marktcheck der Verbraucherzentrale hat ergeben: Über 20 Prozent der getesteten Eiweißprodukte waren doppelt so teuer wie vergleichbare Artikel ohne Extra-Protein. Ein Viertel hatte keinen oder nur minimal höheren Proteingehalt. Ein Drittel enthielt zu viel Salz oder Fett.
Proteinprodukte bieten keinen echten Mehrwert, sie sind überflüssig.
Lisa Scholz, Verbraucherzentrale Hessen
Sie warnt auch vor möglichen Risiken: „Riegel und Proteinpulver enthalten oft unnötig viel Süßungsmittel, Zusatzstoffe, Aromen sowie Vitamine und Mineralstoffe.“ Gerade für Menschen mit Nierenproblemen sei das bedenklich.
Der Körper braucht Eiweiß – aber nicht in Massen
Eiweiß ist wichtig. Es hilft beim Muskelaufbau, der Reparatur von Gewebe und sorgt für ein starkes Immunsystem. Aber wie viel braucht der Mensch wirklich? Die Deutsche Gesellschaft für Ernährung empfiehlt 0,8 Gramm Eiweiß pro Kilogramm Körpergewicht – also 56 Gramm bei einer Person mit 70 Kilo.
Ältere Menschen und Sportler haben einen höheren Bedarf: etwa 1 bis 2 Gramm pro Kilo Körpergewicht. Das klingt viel – lässt sich aber problemlos mit normalem Essen decken. Magerquark enthält 12 Gramm Eiweiß pro 100 Gramm, ist günstig und kalorienarm.
High-Protein-Lebensmittel fördern Überessen
Lisa Scholz empfiehlt, verschiedene Eiweißquellen zu kombinieren. Zum Beispiel: Kartoffeln mit Ei, Linsen mit Reis oder Vollkornbrot mit Käse. „Der Körper kann die Proteine dann besser verwerten“, sagt sie. Teure Spezialprodukte sind dafür nicht nötig. Wer lieber auf Nummer sicher geht, sollte beim Kauf auf vertrauenswürdige Marken und Händler achten.
Dass viel Eiweiß allein kein Wundermittel ist, zeigt auch eine Studie der Universität Kiel. Die Forscher haben untersucht, ob High-Protein-Produkte tatsächlich beim Abnehmen helfen. Das Ergebnis: Trotz der Extraportion Eiweiß blieb ein Kalorienüberschuss – im Schnitt aßen die Teilnehmer 18 Prozent mehr Energie, als sie verbrauchten.
Kurz zusammengefasst:
- High-Protein-Lebensmittel sind oft überteuert, enthalten viele Zusatzstoffe und bieten keinen echten Vorteil gegenüber natürlichen Eiweißquellen wie Quark, Eiern oder Hülsenfrüchten.
- Die meisten Menschen in Deutschland decken ihren Eiweißbedarf problemlos über eine normale Ernährung – zusätzliche Proteinprodukte sind in der Regel unnötig.
- Laut einer Studie der Universität Kiel führen selbst eiweißreiche Fertigprodukte häufig zum Überessen, da sie das Sättigungsgefühl austricksen und hochverarbeitet bleiben.
Übrigens: Wie bei High-Protein-Produkten setzen Hersteller auch bei Junkfood gezielt auf Rezepturen, die unser Essverhalten manipulieren. Mehr dazu in unserem Artikel.
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