Stresshölle Stadt – Nur echte Natur kann Körper und Geist schützen

In Städten steigt der Stresspegel durch Lärm stark an. Grünflächen helfen, körperliche und mentale Belastungen zu verringern.

Im AuraLab der Empa testeten Probanden mit VR-Brillen die erholsame Wirkung von Grünflächen in virtuellen Welten. © Empa

Im AuraLab der Empa testeten Probanden mit VR-Brillen die erholsame Wirkung von Grünflächen in virtuellen Welten. © Empa

Ständiger Lärm, enge Wohnungen, kaum Natur: Das Leben in der Stadt zehrt an den Nerven. Besonders der Stresspegel vieler Menschen steigt in diesem Umfeld deutlich an. Eine umfassende, vom Schweizerischen Nationalfonds (SNF) geförderte Studie der Eidgenössische Materialprüfungs- und Forschungsanstalt (Empa) und der Eidgenössischen Forschungsanstalt für Wald, Schnee und Landschaft (WSL) zeigt jetzt, wie wichtig Grünflächen für die Bewältigung von Stress sind. Ihre Erkenntnisse bringen frischen Wind in die Diskussion um Stadtplanung und Gesundheitsschutz.

„Die lärmgeplagte Stadtbevölkerung kann sich deutlich besser erholen, wenn sie in der Nähe von Grünflächen wohnt“, sagt Empa-Forscher Beat Schäffer. Körperliche und mentale Erholung ließen sich sogar langfristig nachweisen. Parks, Wälder und andere grüne Oasen wirken wie natürliche Schutzschilde gegen die Belastungen des Stadtlebens. Der Stress, den permanenter Lärm verursacht, wird durch diese Erholungsinseln spürbar gemildert.

Im Labor: Verkehrslärm trifft auf virtuelle Natur

Um die Wirkung genauer zu messen, schickten die Wissenschaftler der Empa ihre Versuchspersonen durch einen speziellen Test. In einem sogenannten Auralabor mussten die Probanden zunächst unter hohem Zeitdruck Aufgaben lösen – während im Hintergrund Verkehrslärm in verschiedenen Lautstärken dröhnte, vergleichbar mit einem ruhigen Leseraum hin zum lauten Straßenverkehr.

Danach begann der spannende Teil: Die Testpersonen tauchten per VR-Brille entweder in eine urbane Geräuschkulisse oder in eine virtuelle grüne Landschaft ein. Beide Umgebungen hatten eine moderate Lautstärke, vergleichbar mit der eines Wohnzimmers. „Während beider VR-Szenarien zeigte sich ein Erholungseffekt, aber letztlich nahm der körperliche Stress in der begrünten Umgebung deutlich stärker ab“, erklärt Empa-Forscherin Claudia Kawai. Die Forscher maßen die Erholung über die Schweißproduktion an den Fingern und die Konzentration des Stresshormons Cortisol im Speichel.

Die Forscher maßen den körperlichen Stress anhand der Schweißproduktion an den Fingern und erfassten das mentale Befinden mit einer Umfrage. © Empa
Der körperlicher Stress wird anhand der Schweißproduktion an den Fingern gemessen und das mentale Befinden mit einer Umfrage. © Empa

Natur sehen und hören entspannt

Besonders auffällig: Natürliche Geräusche wie Vogelgezwitscher oder das sanfte Plätschern eines Bachs verstärkten den positiven Effekt erheblich. Sobald menschengemachte Geräusche wie Autos oder Maschinen überwogen, schwand die erholsame Wirkung. In städtischen Räumen ohne sichtbare oder hörbare Natur fühlten sich die Testpersonen deutlich weniger entspannt.

Hier wird klar, dass es nicht reicht, irgendwo ein bisschen Grün zu pflanzen. Für echte Erholung braucht es vollständige, natürliche Erlebnisse – mit Bäumen, Wasser und dem Klang der Natur. Diese Details machen einen großen Unterschied, wenn es darum geht, wie Menschen in lauten Städten ihren Stress durch Grünflächen abbauen können.

Zuhause bestätigt: Grünflächen reduzieren langfristigen Stress

Die Ergebnisse aus dem Labor stützten eine Feldstudie mitten in Zürich. Forscher der Empa besuchten über 230 Freiwillige in ihren Wohnungen, machten Fotos der Umgebung und nahmen Haarproben, um das Stresshormon Cortisol langfristig zu messen. Die Ergebnisse waren eindeutig: Menschen, die von mehr Grünflächen umgeben waren, hatten niedrigere Stresswerte im Haar und berichteten über ein besseres Wohlbefinden.

Die Erholung durch Grünräume ist nicht nur ein kurzfristiger Effekt. Sie trägt auch langfristig zur Stressreduktion bei.

Empa-Forscher Beat Schäffer

Das zeigt, wie essenziell gut gestaltete, naturnahe Räume für die Gesundheit der Stadtbewohner sind.

RESTORE-Projekt bringt neues Wissen in die Stadtentwicklung

Im Rahmen des Projekts RESTORE („Restorative green spaces in noise-polluted areas“) bündeln die Empa und die WSL ihre Erkenntnisse. Ziel ist es, herauszufinden, welche Eigenschaften von Grünflächen die beste Erholung bieten. Dazu wurden auch Spaziergänge durchgeführt, bei denen Begleitpersonen genau dokumentierten, welche Geräusche und Anblicke besonders beruhigend wirkten.

Beat Schäffer ist überzeugt: „Unser Projekt liefert wichtige Grundlagen für Raumplanung und Gesundheitsschutz.“ In einer Zeit, in der Städte immer weiter wachsen und der Lärm zunimmt, wird das Wissen über die Wirkung von Grünflächen auf die Stressreduktion wichtiger denn je.

Im Laborversuch wurde die Erholungswirkung von Grünflächen erforscht. © Empa via YouTube

Kurz zusammengefasst:

  • Urbane Grünflächen helfen nachweislich, körperlichen und mentalen Stress in lärmbelasteten Städten deutlich zu verringern.
  • Studien zeigen, dass echte Naturerlebnisse – mit natürlichen Geräuschen und grüner Umgebung – die stärkste Erholung fördern.
  • Langfristig senken Grünflächen den Stresshormonspiegel im Körper und liefern wichtige Ansätze für eine gesundheitsfördernde Stadtplanung.

Übrigens: Nach Einschätzung der DUH bremsen günstige Parkplätze die Verkehrswende und schränken den Raum für Bus, Bahn und Radwege ein. Mehr dazu in unserem Artikel.

Bild: © Empa

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