Neuer Ansatz gegen Übergewicht – Forscher entdecken Protein, das Fettspeicherung reguliert

Ein neu identifiziertes Mikroprotein steuert, wie Fett im Körper gespeichert wird – und könnte den Weg für innovative Therapien gegen Übergewicht ebnen.

Forscher entdecken Mikroprotein, das Fettspeicherung reguliert

Übergewicht entsteht oft im Verborgenen – winzige Mechanismen im Körper entscheiden, wie viel Fett gespeichert wird. © Pexels

Übergewicht ist längst eine weltweite Gesundheitskrise. In nur drei Jahrzehnten hat sich die Zahl der Betroffenen mehr als verdoppelt – über eine Milliarde Menschen leben heute mit den Folgen. Neben einem erhöhten Risiko für Herzinfarkt, Schlaganfall, Nierenschäden oder bestimmte Krebsarten gehören auch andere metabolische Erkrankungen wie Typ-2-Diabetes oder chronische Nierenerkrankungen zu den häufigen Begleitern.

Viele setzen auf Magen-OPs oder Medikamente wie GLP-1-Präparate (z. B. Ozempic oder Wegovy). Doch nicht jeder hat Zugang zu diesen Therapien, und oft bleibt der Erfolg nicht von Dauer. Zudem treten Nebenwirkungen wie Übelkeit, Verdauungsprobleme oder Muskelabbau auf, und die Behandlung ist teuer und langfristig nötig. Forscher des Salk Institute for Biological Studies in Kalifornien wollen deshalb einen völlig neuen Ansatz verfolgen – mit Mikroproteinen.

Mikroproteine – unterschätzte Moleküle im „dunklen“ Erbgut

Mikroproteine sind winzige Eiweißbausteine, die im ganzen Körper vorkommen und unzählige Prozesse steuern. Lange galten viele ihrer Baupläne als „junk DNA“ – Abschnitte des Erbguts, die keine Funktion haben sollten. Neue Technologien wie CRISPR-Screenings haben diese Ansicht verändert: Die Analyse dieser „dunklen“ Genomregionen hat bekannte Proteinbibliotheken um 10 bis 30 Prozent erweitert.

Ein prominentes Beispiel ist GLP-1 selbst – ebenfalls ein Mikroprotein, das Blutzucker reguliert und den Appetit dämpft. Sein Erfolg zeigt, wie wirksam diese Molekülklasse sein kann, auch wenn bestehende Präparate noch nicht optimal sind.

CRISPR findet neue Steuerfaktoren für den Fettstoffwechsel

Das Team um Studienleiter Alan Saghatelian nutzte die CRISPR-Genschere, um tausende Gene in Fettzellen zu durchforsten. Das Ziel: Gene zu finden, die Mikroproteine codieren, welche Fettzellbildung oder Lipid-Einlagerung regulieren.

Dabei kam ein neues Prä-Fettzellmodell zum Einsatz, das den Übergang von unreifen zu reifen Fettzellen abbildet. So lassen sich gezielter Mikroproteine identifizieren, die in genau dieser Entwicklungsphase eine Rolle spielen.

Nach der Auswertung entstand eine Liste mit 38 potenziellen Mikroproteinen, die an der Bildung von Fetttropfen beteiligt sind – ein klares Zeichen für steigende Fetteinlagerung. Eines davon konnten die Forscher direkt bestätigen: Adipocyte-smORF-1183.

Maus-Fettzellen, gefüllt mit Fetttropfen (grün) © Studie
Maus-Fettzellen, gefüllt mit Fetttropfen (grün) © Studie

Wie aus einem Gen ein Schlüsselfaktor der Fettspeicherung wird

Das Besondere an der Methode: CRISPR-Screenings finden nicht direkt das Protein, sondern das dazugehörige Gen. Erst im Laborversuch wird geprüft, ob das Gen tatsächlich ein funktionierendes Mikroprotein hervorbringt.

Bei Adipocyte-smORF-1183 gelang dieser Nachweis. Tests mit Mausmodellen zeigten, dass es die Bildung von Fetttropfen in Fettzellen beeinflusst – und damit direkt in den Energiespeicherprozess eingreift. Für die Forscher ist das ein Beleg, dass CRISPR-Screenings gezielt Mikroproteine aufspüren können, die für Übergewicht und Stoffwechselprozesse relevant sind.

Warum dieser Fund wichtig ist

  • Neuer therapeutischer Ansatz: Mikroproteine bieten potenziell wirksamere und verträglichere Optionen als bestehende Wirkstoffe, weil sie gezielt in zentrale Stoffwechselwege eingreifen.
  • Übergewicht und andere Krankheiten: Die Zielmoleküle könnten auch für die Behandlung von Typ-2-Diabetes, Herz-Kreislauf-Erkrankungen und anderen metabolischen Störungen wichtig werden.
  • Erster CRISPR-Screen dieser Art: Laut Erstautor Victor Pai ist dies die erste gezielte Suche nach Mikroproteinen, die an der Vermehrung von Fettzellen beteiligt sind – ein methodischer Meilenstein in der Stoffwechselforschung.

Vom Mausmodell zur Therapie

Als Nächstes will das Team den Ansatz auf menschliche Fettzellen übertragen. Die Forscher wollen eine erweiterte Liste potenzieller Wirkstoffkandidaten aufstellen, die sich für künftige Medikamente eignen. Langfristig könnte dies zu einer neuen Generation von Obesitas- und Stoffwechseltherapeutika führen.

Professor Ronald Evans, Mitautor der Studie, bringt eine wichtige historische Perspektive ein: Er gilt als Experte für PPAR gamma, einen zentralen Regler der Fettzellbildung. Medikamente, die diesen Mechanismus ansteuern, hatten bislang zu viele Nebenwirkungen wie Knochenschwund oder zusätzliche Gewichtszunahme.

Der Blick auf Mikroproteine eröffnet hier eine Chance, gezielter und möglicherweise mit weniger Nebenwirkungen zu wirken. Saghatelian erklärt: „Die neuen Screening-Technologien ermöglichen es uns, eine ganz neue Ebene biologischer Regulation durch Mikroproteine sichtbar zu machen.“

Kurz zusammengefasst:

  • Übergewicht betrifft weltweit über eine Milliarde Menschen und steigert das Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Diabetes und andere Folgeschäden.
  • Forscher des Salk Institute identifizierten mithilfe von CRISPR ein Mikroprotein, das die Fettspeicherung in Zellen direkt beeinflusst.
  • Der Fund könnte die Entwicklung neuer Therapien ermöglichen, die gezielter wirken und weniger Nebenwirkungen haben als aktuelle Medikamente wie GLP-1-Präparate.

Übrigens: Eine finnische Studie zeigt, dass Kleinkinder nach früher Antibiotikaeinnahme häufiger Übergewicht entwickeln – mehr dazu in unserem Artikel.

Bild: © Pexels

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