Dauerstress macht krank – doch Achtsamkeit stoppt das Gedankenkarussell
Wer sich im Grübeln verliert, aktiviert unbewusst gefährliche Entzündungsprozesse im Körper. Achtsamkeit unterbricht diesen Kreislauf und stärkt die körperliche Abwehr.

Achtsamkeit hilft dem Körper, wieder ins Gleichgewicht zu kommen. © Pexels
Ein stressiger Tag im Büro, die Kinder schreien, das Handy klingelt, der Stau auf dem Heimweg bringt den letzten Nerv zum Zerreißen. All das ist Alltag – und für viele Menschen eine enorme Belastung. Doch warum steckt die eine Person solche Tage scheinbar mühelos weg, während eine andere davon krank wird? Forscher der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg (FAU) wollen dieser Frage auf den Grund gehen. Ihr Fokus liegt dabei auf einem Thema, das gerade in einer überreizten Welt immer wichtiger wird: Achtsamkeit.
„Wir untersuchen die körperlichen Mechanismen, die dazu führen können, dass Stress krank macht“, sagt Dr. Johanna Janson-Schmitt vom Lehrstuhl für Gesundheitspsychologie der FAU. Gemeinsam mit Lehrstuhlinhaber Prof. Nicolas Rohleder begleitet sie die sogenannte MODSTR-Studie. Das Ziel: herausfinden, wie sich wiederholter Stress auf den Körper auswirkt – und was ein achtsamer Umgang damit bewirken kann.
Grübeln lässt den Körper nicht zur Ruhe kommen
Für die Studie wurden bislang 22 Personen an zwei aufeinanderfolgenden Tagen einem Stresstest im Labor unterzogen. Eine Gruppe sollte im Anschluss über das Erlebte nachdenken – und zwar intensiv. Die andere Gruppe bekam die Aufgabe, achtsam auf ihre eigene Reaktion zu blicken: Was habe ich gerade erlebt? Wie hat sich mein Körper dabei gefühlt? Ohne zu werten, ohne sich selbst zu verurteilen.
Der Unterschied war deutlich messbar. „Wer sich im Grübeln verliert, bei dem stellt sich der Körper weniger gut auf wiederholten Stress ein“, sagt Janson-Schmitt. Das klingt zunächst harmlos, kann aber langfristige Folgen haben. Denn wenn der Körper bei jeder Stresssituation aufs Neue heftig reagiert, entstehen unterschwellige Entzündungen – die wiederum mit Krankheiten wie Bluthochdruck, Arteriosklerose, Alzheimer oder sogar Krebs in Verbindung stehen.
Achtsamkeit als Werkzeug gegen chronischen Stress
Aber was bedeutet Achtsamkeit eigentlich genau? Laut Janson-Schmitt geht es darum, „die eigene Aufmerksamkeit bewusst ins Hier und Jetzt zu lenken – ohne Bewertung“. Wenn das Herz rast, man sich unwohl fühlt oder negative Gedanken auftauchen, sollen diese lediglich beobachtet werden, nicht bekämpft oder weggeschoben. Das Ziel: eine gesunde Distanz zur eigenen inneren Reaktion.
Die Forscher der FAU gehen davon aus, dass diese Haltung den Körper schützt – weil sie die Stressreaktion abschwächt. Sie messen dazu im Speichel der Teilnehmer Hormone wie Cortisol sowie Noradrenalin und analysieren das Blut auf Entzündungswerte. Die Erkenntnis: Die Grübler zeigten bei wiederholtem Stress deutlich schlechtere Werte als jene, die mit mehr Achtsamkeit reagierten.
Was im Kopf passiert, betrifft den ganzen Körper
Dabei spielt das zentrale Nervensystem eine entscheidende Rolle. Es speichert Erfahrungen – auch solche, bei denen wir gelernt haben, mit Stress gut umzugehen. Wer schon einmal mit Atemübungen oder Meditation gute Erfahrungen gemacht hat, kann diese bei zukünftigen Herausforderungen leichter abrufen. So entsteht Resilienz, also die Fähigkeit, mit Belastungen besser zurecht zu kommen.
Achtsamkeit kann helfen, das Gedankenkarussell zu stoppen.
Dr. Johanna Janson-Schmitt
Und sie ergänzt: „Auch wenn wissenschaftlich noch nicht bewiesen ist, dass Achtsamkeit langfristig die körperliche Anpassung an Stress verbessert – wir gehen diesem Zusammenhang in unserer Studie weiter nach.“
Entspannung beginnt im Alltag – nicht im Labor
Übrigens lebt die Psychologin selbst, was sie erforscht. Kreative Hobbys, die Zeit mit ihrer Familie oder der Gedanke, dass auch andere Menschen gerade gestresst sind – all das hilft ihr, im Alltag gelassener zu bleiben. Ihr wichtigste Erkenntnis dabei: Achtsamkeit lässt sich üben. Und sie kann zum entscheidenden Unterschied werden, wenn Stress beginnt, den Körper krank zu machen.
Kurz zusammengefasst:
- Wiederholter Stress kann krank machen – vor allem dann, wenn Betroffene nach belastenden Erlebnissen lange grübeln und sich gedanklich im Kreis drehen.
- Achtsamkeit, also die bewusste und nicht bewertende Wahrnehmung des eigenen Erlebens, kann helfen, diesen Kreislauf zu durchbrechen und den Körper zu entlasten.
- Forscher der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg untersuchen, wie sich achtsamer Umgang mit Stress auf Hormone und Entzündungswerte im Körper auswirkt – mit dem Ziel, Wege zur besseren Stressbewältigung aufzuzeigen.
Übrigens: Nostalgie stärkt das Selbstvertrauen und hilft, Stress besser zu bewältigen. Wer zurückblickt, wird innerlich ruhiger. Mehr dazu in unserem Artikel.
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