Die versteckten Ursachen von Burnout: Warum nicht immer der Job schuld ist

Burnout entsteht oft nicht im Job, sondern durch privaten Dauerstress. Familienlast und fehlender Sinn spielen eine zentrale Rolle.

Ursachen von Burnout: Warum nicht immer der Job schuld ist

Burnout beginnt oft dort, wo niemand hinschaut – nicht im Büro, sondern im Alltag. © Pexels

Ständige Müdigkeit. Kein Antrieb mehr. Der Kopf fühlt sich leer an, der Körper schwer. Viele erleben diesen Zustand und denken sofort an Stress im Job. Doch Studien der Norwegian University of Science and Technology, der Universität Mainz, Universidade São Francisco in Brasilien und der Universität von Neuchâtel in der Schweiz zeigen: Die wahren Ursachen von Burnout und Depression entstehen oft ganz woanders. Belastungen im Alltag spielen eine viel größere Rolle als bisher gedacht.

Forscher befragten hunderte Betroffene. Über 70 Prozent von ihnen gaben an, dass nicht die Arbeit, sondern familiäre oder gesundheitliche Probleme zum Burnout geführt haben. Die Erkenntnis: Es geht nicht nur um Überstunden, sondern um den ganzen Menschen.

Alltag wird zur Dauerbelastung

Die Ursachen für ein Burnout reichen von Konflikten in der Partnerschaft über Sorgen um die Kinder bis hin zu chronischen Schlafproblemen. Wer nachts nicht abschalten kann, schleppt sich durch den Tag, selbst bei eigentlich erfüllender Arbeit. Auch körperliche Erkrankungen oder Pflegeverantwortung können überfordern.

Menschen mit Burnout berichten von einem alltäglichen Stress, der in eine Form der Depression mündet.

Renzo Bianchi

Für ihn ist Burnout oft kein Jobproblem, sondern das Ergebnis eines überlasteten Lebens. Er spricht von „depressivem Stress im Leben“.

Persönlichkeitsfaktoren machen anfälliger

Besonders gefährdet sind Menschen mit ängstlicher oder perfektionistischer Persönlichkeit. Wer viel grübelt, immer alles richtig machen will und Sorgen nicht loslassen kann, lebt unter Dauerdruck, selbst ohne Terminstress im Job. „Dieses ständige innere Antreiben erschöpft“, sagt Bianchi. „Deshalb muss man dringend untersuchen, wie Persönlichkeit mit Erschöpfung zusammenhängt.“

Die Vorstellung, dass Burnout nur mit dem Job zu tun hat, hält sich trotzdem hartnäckig. Dabei wurde schon in den 1970er-Jahren, als der Begriff aufkam, vor allem der Stress von Pflegekräften beschrieben. Inzwischen ist klar: Burnout betrifft alle, unabhängig von Branche, Einkommen oder Arbeitszeit.

Wie der Burnout im Büro beginnt

Trotzdem kann auch der Arbeitsplatz zur Belastung werden, vor allem dann, wenn mehrere Risikofaktoren zusammentreffen. Die Weltgesundheitsorganisation zählt dazu: fehlende Anerkennung, unsichere Verträge, überlange Arbeitszeiten oder schlechte Arbeitsbedingungen. Auch Mobbing, Ausgrenzung oder unklare Rollenverteilungen wirken belastend.

Gerade Menschen, die schon im privaten Umfeld stark beansprucht sind, geraten im Job leichter an ihre Grenzen. Und nicht jeder hat die Ressourcen, um Belastungen abzufedern. Umso wichtiger sei es, strukturelle Probleme ernst zu nehmen, sagt Bianchi.

Sinn erleben schützt – zumindest ein Stück weit

Für sich selbst hat Bianchi eine klare Antwort gefunden: „Meine Lösung ist, dass ich meinen Job liebe.“ Auch in stressigen Zeiten habe ihn diese Haltung getragen. Doch er weiß, dass viele dieses Glück nicht haben. Wer nur wegen finanzieller Not arbeitet, kämpft zusätzlich mit innerer Leere.

Und: Auch ein geliebter Beruf schützt nicht vor allem. Entscheidend sei, ob Menschen sich fair behandelt fühlen. „Es ist frustrierend, wenn jemand nur wegen Beziehungen befördert wird. Gerechtigkeit ist enorm wichtig für die psychische Gesundheit“, betont Bianchi.

Renzo Bianchi, Psychologe und Professor der Norwegian University of Science and Technology. © Anne Sliper Midling/NTNU
Renzo Bianchi, Psychologe und Professor der Norwegian University of Science and Technology. © Anne Sliper Midling/NTNU

Gesundes Arbeitsklima kann schützen

Ein entscheidender Faktor: das Miteinander im Team. Wer sich im Kollegium aufgehoben fühlt, profitiert psychisch. Ebenso wichtig: Selbstbestimmung im Arbeitsalltag. Menschen, die ihre Aufgaben mitgestalten können, fühlen sich weniger ausgeliefert und erleben mehr Sinn in ihrem Tun. Er beobachtet, dass sich das Bewusstsein dafür in vielen Unternehmen langsam verändert.

Unterstützung durch Kollegen, eine faire Führung und klare Strukturen – das hilft, Burnout vorzubeugen.

Renzo Bianchi

Burnout und Depression hängen also nicht nur mit der Arbeit zusammen, sie kann aber ein Kernfaktor sein. Die Erkrankungen entstehen oft dort, wo Menschen das Gefühl haben, funktionieren zu müssen, ohne gesehen zu werden. Wer das weiß, kann früher gegensteuern. Und vielleicht besser erkennen, was wirklich fehlt: Entlastung, Verständnis und das Gefühl, nicht allein zu sein.

Kurz zusammengefasst:

  • Die Ursachen für Burnout und Depression liegen laut internationalen Studien oft in privatem Stress – nicht vorrangig im beruflichen Umfeld.
  • Familiäre Belastungen, gesundheitliche Probleme und Persönlichkeitstypen wie Ängstlichkeit oder Perfektionismus erhöhen das Risiko deutlich.
  • Ein unterstützendes Arbeitsklima, faire Behandlung und das Erleben von Sinn in der Arbeit wirken nachweislich vorbeugend.

Übrigens: In Dänemark endet der Arbeitstag oft schon am Nachmittag – und trotzdem bleibt die Produktivität hoch. Wie kürzere Arbeitszeiten, flexible Modelle und ein neues Verständnis von Effizienz Stress verringern und Zufriedenheit fördern, erklärt unser Artikel.

Bild: © Pexels

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