Ein Leben ohne Midlife-Crisis: Warum das Glück in traditionellen Kulturen anders verläuft
Glück ist kein universelles Modell – indigene Gemeinschaften beweisen, dass Zufriedenheit von unterschiedlichen Faktoren abhängig sein kann.
Viele Studien behaupten, dass unser Lebensglück einer U-Kurve folgt: Wir sind in der Jugend am glücklichsten, erleben eine Krise in der Lebensmitte und finden im Alter wieder Zufriedenheit. Doch gilt das U-förmige Glück wirklich für alle Menschen? Forscher der UC Santa Barbara haben herausgefunden, dass dieses Modell nicht für alle Kulturen passt. Vor allem in ländlichen und nicht-industrialisierten Gesellschaften sieht die Lebenszufriedenheit oft ganz anders aus.
Glücksverlauf hängt von den Lebensumständen ab
Das Konzept des „U-förmigen Glücks“ stammt aus Studien, die vor allem Menschen in westlichen, industrialisierten Ländern untersucht haben. In diesen Gesellschaften erleben viele Menschen eine Midlife-Crisis, weil sie in der Lebensmitte mit beruflichem Druck, finanziellen Herausforderungen oder der Pflege von Angehörigen kämpfen. Im Alter kehrt dann oft Zufriedenheit ein – durch mehr Stabilität, geregelte Renten und ein stärkeres Bewusstsein für das eigene Leben. Diese Forschung wird häufig als „WEIRD“ (Western, Educated, Industrialized, Rich, Democratic) kritisiert, da sie viele Lebensrealitäten ignoriert.
In nicht-industrialisierten Gemeinschaften ist dieser Verlauf selten. Michael Gurven, Anthropologe an der UC Santa Barbara, erforschte indigene Gruppen wie die Tsimane im bolivianischen Amazonasgebiet. Hier verläuft das Glück oft stabil, nimmt in der Lebensmitte sogar zu und sinkt erst im Alter wieder ab. Der Grund: In diesen Gemeinschaften sind körperliche Fitness und die Fähigkeit, für die Familie zu sorgen, eng mit dem Lebensglück verknüpft.
Gesundheit und Gemeinschaft sind entscheidend
Die Forschung zeigt, dass in Subsistenzgesellschaften – also Gemeinschaften, die von Selbstversorgung leben – das persönliche Glück stark von der Gesundheit abhängt. Wer im Alter körperlich abbaut, kann oft nicht mehr so viel zur Gemeinschaft beitragen. Das senkt das Ansehen und die Zufriedenheit. Anders als in industrialisierten Ländern fehlen hier soziale Sicherungssysteme wie Renten oder Gesundheitsdienste. Die Abhängigkeit von körperlicher Arbeit macht den Unterschied: Ist der Körper geschwächt, fühlen sich viele nutzlos.
Die Wissenschaftler der UC Santa Barbara untersuchten dafür nicht nur die Tsimane, sondern auch andere indigene Gruppen wie die Baka aus Afrika und die Punan aus Borneo. Ihre Daten aus über 23 Ländern zeigen: In vielen ländlichen Gemeinschaften ist der Verlauf des Glücks nicht U-förmig, sondern hängt von der Lebensrealität ab.
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Was diese Erkenntnisse für die Zukunft bedeuten
Die Studie der UC Santa Barbara zeigt, wie stark die kulturellen und ökologischen Bedingungen das persönliche Glück beeinflussen. Michael Gurven betont, dass ein besseres Verständnis dieser Unterschiede notwendig ist, um ältere Menschen weltweit besser zu unterstützen. Die Lebensqualität von Menschen in nicht-industrialisierten Gesellschaften hängt oft von Faktoren ab, die in Industrienationen kaum eine Rolle spielen. Mit ihrer Forschung wollen die Wissenschaftler Aufmerksamkeit auf diese Unterschiede lenken und aufzeigen, dass das „U-förmige Glück“ kein universelles Konzept ist.
Was du dir merken solltest:
- Das „U-förmige Glück“, das in westlichen Industrienationen den Verlauf des Lebensglücks beschreibt, gilt nicht universell, da viele ländliche und nicht-industrialisierte Gesellschaften andere Muster zeigen.
- In Subsistenzgemeinschaften hängt das Glück stark von der körperlichen Fitness und der Fähigkeit ab, zur Gemeinschaft beizutragen, wodurch die Lebenszufriedenheit oft stabil bleibt oder im Alter abnimmt.
- Kulturelle und ökologische Unterschiede prägen die Lebenszufriedenheit; ein besseres Verständnis für die Bedürfnisse älterer Menschen weltweit ist daher erforderlich.
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